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Erster Präsenzparteitag seit 2019

CDU-Parteitag: Umjubelter Merz holt zum Rundumschlag gegen Regierung aus

CDU Vorsitzender Friedrich Merz beim 35. CDU Parteitag in Hannover

CDU Vorsitzender Friedrich Merz beim 35. CDU Parteitag in Hannover

Hannover. Friedrich Merz ist mächtig in Fahrt an diesem Samstag in Hannover. „Mit FDP und Grünen zusammen hätte ich eine Exportgenehmigung für 100 Panzer an die Ukraine erteilt“, ruft er den 1001 Delegierten des CDU-Parteitags zu. Zu diesem Zeitpunkt hat der Parteichef schon 20 Minuten – von häufigem Applaus unterbrochen – geredet.

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Es ist der erste Präsenzparteitag seit 2019. Für die CDU ist es vorrangig ein Programmpartei, aber Merz schwört die eigene Partei auch erneut in die Oppositionsrolle ein.

Merz ätzt voller Ironie gegen Scholz

Er schießt rhetorisch scharf gegen die Regierung und Bundeskanzler Olaf Scholz, dem er noch einmal sein Schweigen nach der Pressekonferenz mit Palästinenserpräsident Abbas vorhält und ihm indirekt den Vorwurf von Antisemitismus macht. Voller Ironie ätzt er: „Aber wahrscheinlich kann sich Olaf Scholz schon heute nicht mehr daran erinnern.“ Eine Anspielung auf den Gedächtnisverlust des Kanzlers im Cum-ex-Skandal. Der SPD wirft Merz auch noch „politische Korruption“ vor. Das Zentrum dafür liege in Hannover, donnert er in den Saal. Gemeint sind der frühere Kanzler und Gazprom-Lobbyist Gerhard Schröder und auch der frühere Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, in dessen Amtszeit große Gasspeicher an den russischen Staatskonzern Gazprom verkauft wurden.

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In Hannover versammelt die CDU viel Prominenz. Aus den eigenen Reihen: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Rita Süssmuth, die früheren Vorsitzenden Armin Laschet, Annegret Kramp-Karrenbauer und Wolfgang Schäuble. Aus Wirtschaft und Gewerkschaft sind unter anderem Achim Dercks vom DIHK und Steffen Kampeter für die Arbeitgeber gekommen. Auch DGB-Chefin Yasmin Fahimi, Verdi-Chef Frank Werneke und IG-Metall-Vorsitzender Michael Vassiliadis sind zu Gast. Merz kann es sich nicht verkneifen, die 58 Redakteurinnen und Redakteure des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks zu begrüßen – das löst Geraune aus. Der Öffentliche Rundfunk steht nicht erst seit den Skandalen um zu üppige Ausstattung beim RBB und beim NDR in der Kritik.

dpatopbilder - 04.09.2022, Berlin: Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und Unions-Fraktionsvorsitzender, lächelt, als er beim Sommerinterview des ARD-«Berichts aus Berlin» auf der Terrasse des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses spricht. Foto: Christoph Soeder/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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Bei diesem Parteitag geht es auch um eine inhaltliche und strukturelle Öffnung der Partei – beispielsweise mithilfe der Frauenquote. Der Vorschlag der Parteiführung sieht vor, dass bis 2025, beginnend bei Vorstandswahlen auf Kreisebene, schrittweise eine Frauenquote bis 50 Prozent eingeführt werden soll. Der Wirtschaftsflügel und die Junge Union (JU) sind Gegner der Quote. Die liberalen Kräfte befürworten sie. Auffällig ist, dass vor allem die weibliche Prominenz im Saal der Messehalle sitzt, die sich immer klar für eine Frauenquote positioniert hat.

Fünf Minuten und 30 Sekunden stehender Applaus

Seine CDU mahnt Merz, bei diesem Parteitag „kluge Entscheidungen“ zu treffen und neben der Selbstbeschäftigung vor allem auf die Menschen im Land, auf ihre Nöte, die Wirtschaft und die Betriebe zu schauen. Auch deswegen beschäftigt sich der Leitantrag mit der Energiekrise in Folge des Krieges in Ukraine. In dem Antrag fordert die Parteispitze unter anderem einen Preisdeckel für einen Grundbedarf an Strom und Gas für private Haushalte und die Abschaffung der Gasumlage.

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Merz knöpft sich insbesondere Wirtschaftsminister Robert Habeck vor, der die viel kritisierte Gasumlage zu verantworten hat. Der Parteichef liest aus einem von Habecks Kinderbüchern vor und zieht den Grünen-Politiker in die Lächerlichkeit, um zu untermauern, dass dieser überfordert sei. Merz Forderung: ein nationaler Sicherheitsrat im Kanzleramt für die Energie.

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Einmal in Fahrt teilt Merz auch populistisch aus. EU-Kommissionschefin von der Leyen muss sich anhören: „Es kann nicht sein, dass dieser Apparat in Brüssel eine Richtlinie nach der anderen produziert.“ Die große Keule packt er auch beim Thema Gendersprache aus und ruft die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Journalistinnen und Journalisten der Öffentlich-Rechtlichen im Land dazu auf, sich getreu der deutschen Sprache auszudrücken.

Für die Partei hat Merz den richtigen Ton getroffen. Fünf Minuten und 30 Sekunden stehender Applaus für den CDU-Chef. „Die beste Rede seit Jahren auf einem CDU-Parteitag“, sagt einer. „Wie früher“, freut sich ein anderer. Ein anderer Delegierter vom Arbeitnehmerflügel ist skeptisch: „Ich bin mir nicht sicher, dass das außerhalb der Parteitagshalle so gut ankommt.“

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