Vor Entscheidung in Karlsruhe: Grüne fordern Stiftungsgesetz
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/PFAENA22Z4PAA5P6BUH4E73RWA.jpg)
Das Bundesverfassungsgericht, hier beim Urteil in Sachen automatisierte Datenauswertung.
© Quelle: Uli Deck/dpa
Karlsruhe. Wenn das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch sein Urteil in Sachen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) verkündet, ist ein politisches Beben wahrscheinlich. Der Zweite Senat wird vermutlich ein jahrelanges politisches Versäumnis rügen – die Finanzierung der parteinahen politischen Stiftungen auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen.
Es geht um sehr viel Geld, dessen Nutzen für die politische Bildungsarbeit außer Frage steht, dessen Verteilung aber demokratischen Grundsätzen wahrscheinlich nicht genügt. Denn die Zuschüsse für die Stiftungen sind nur in den jährlichen Haushaltsplänen geregelt. Insgesamt mehr als 600 Millionen Euro werden ausgezahlt, 148 Millionen davon hat der Bund im vergangenen Jahr allein als Globalzuschüsse an die sechs anerkannten politischen Stiftungen zugewendet. Das sind fast 30 Prozent mehr als vor fünf Jahren.
CDU- und SPD-Stiftungen bekommen deutlich mehr Geld
Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung und die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung erhielten mit 45 und 41 Millionen Euro deutlich mehr Geld als die etwas Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung, die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung und die Linken-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung (jeweils um die 16 Millionen); die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung erhielt rund 13 Millionen Euro. Die AfD-nahe DES ging wie in den Vorjahren leer aus, obwohl die AfD seit 2021 zum zweiten Mal in den Bundestag eingezogen ist und damit das Kriterium eine „dauerhaften“ politischen Strömung erfüllt.
Ohne ein Gesetz werde die von Erika Steinbach geleitete Stiftung nicht dauerhaft von Staatsgeldern fernzuhalten sein, glaubt Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt/Main. „Wir sehen eine Gesetzeslücke, die das völlig absurde Szenario möglich macht, dass eine demokratiefeindliche Stiftung wie die DES an Gelder kommen könnte, die für Demokratieförderung gedacht sind.“ Mit Bundesmillionen könnte so „eine extrem rechte Denkfabrik entstehen“, warnt Mendel.
Grüne kritisieren: Viel Zeit wurde verschlafen
Auch der Grünen-Bundestagsfraktionsvize Konstantin von Notz fordert bereits seit Jahren ein Stiftungsgesetz. Er sagt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Ein Stiftungsgesetz, das Transparenz erhöht, die Finanzierung parteinaher Stiftungen rechtssicher regelt und Kriterien für den Ausschluss demokratiefeindlicher Stiftungen definiert, ist überfällig. Es muss sicherstellen, dass sich die Arbeit der Stiftungen auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt. Öffentliche Mittel dürfen nicht dafür missbraucht werden, an der Abwicklung unserer Demokratie zu arbeiten.“
Das müsse jetzt „unmittelbar nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts geschehen“, drängt von Notz. „Das bislang keine Regelung erarbeitet wurde und man somit das Heft des Handels zunächst aus der Hand gegeben hat, bedauern wir sehr. Weiterhin brauchen wir dringend eine gesetzliche Regelung, die klare Vorgaben macht und allen Beteiligten mehr Rechtssicherheit bietet.“
Vor allem die SPD soll bremsen
Zögerlich sei in der Vergangenheit vor allem die SPD aufgetreten, sagen Beteiligte – in der Friedrich-Ebert-Stiftung herrsche anscheinend die Befürchtung vor, auf einer gesetzlichen Grundlage deutlich weniger üppig bedacht zu werden als zurzeit.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/FPHOMDBHTOS4YTCRZZO4AM6GRM.jpg)
Mariana Harder-Kühnel ist im AfD-Vorstand für die Stiftung zuständig.
© Quelle: Jörg Carstensen/dpa/Archivbild
Auch die AfD, um deren Stiftung es im Karlsruher Verfahren geht, fordert eine „fundierte Rechtsgrundlage, die mit klaren Kriterien und Bestimmungen dafür sorgt, dass die Stiftung tatsächlich unabhängig von der ihr nahestehenden Partei ist, die ihr zustehenden Fördermittel angemessen begrenzt sind, und das Vergabeverfahren weder den Anschein mangelnder Transparenz noch von interessengeleiteter Willkür eines politischen Kartells erweckt“.
Das sagte Parteivize Mariana Harder-Kühnel dem RND. Ihre Erwartung an ein Gesetz formuliert sie so: „Die Bundestagsfraktionen würden in Fragen der Finanzierung parteinaher Stiftungen zukünftig nicht mehr im Rahmen der Verhandlungen zum Bundeshaushaltsgesetz in eigener Sache entscheiden und damit unliebsame Konkurrenz rechtswidrig ausschließen können.“
Vorliegende Gesetzentwürfe, etwa von der Nichtregierungsorganisation Campact, treffen erwartungsgemäß auf den Widerstand der AfD. Sie sehen vor, dass die Stiftung eine „aktive Unterstützung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ nachweisen muss, um Staatsgeld zu erhalten. Was eine „aktive Unterstützung“ ausmacht, müssten Gerichte entscheiden. Harder-Kühnel kündigte an, gegen ein Gesetz mit solchen Formulierungen gegebenenfalls erneut nach Karlsruhe zu ziehen.