Die Grünen fragen sich: Wann ist eine Frau eine Frau?
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Das Bundesschiedsgericht der Grünen will mit seiner Regelung Missbrauch vorbeugen (Symbolbild).
© Quelle: Karol Serewis/SOPA Images via ZU
Berlin. Nur Personen, die sich eindeutig und dauerhaft als Frau definieren, können sich auf die grünen Quotierungsregeln zugunsten von Frauen berufen. Dies hat das Bundesschiedsgericht der Grünen in einem jetzt veröffentlichten Grundsatzurteil entschieden.
Schon seit den 1980er-Jahren gilt bei den Grünen parteiintern eine strikte Mindestquotierung. Jeder ungerade Platz ist für Frauen reserviert, damit auch Platz eins. In Vorständen müssen Frauen mindestens die Hälfte der Posten innehaben. Und in Versammlungen soll mindestens jeder zweite Redebeitrag von einer Frau stammen. Die Idee: Gute Frauen sollten sich so gegen dominant auftretende Männer durchsetzen können. Inzwischen haben viele Parteien ähnliche Regelungen, bis hin zur CDU.
Es stellen sich neue Fragen
Doch wer ist eigentlich eine Frau? Das war in den 1980er-Jahren noch keine große Frage, ist heute aber nicht mehr so einfach zu beantworten. Was ist zum Beispiel mit trans Frauen, die eine weibliche Geschlechtsidentität haben, aber (noch) im biologischen Körper eines Mannes leben? Die Lösung des grünen Frauenstatuts ist ebenso pragmatisch wie radikal: „Von dem Begriff ‚Frauen‘ werden alle erfasst, die sich selbst so definieren“, heißt es dort.
Das ist natürlich missbrauchsanfällig, wie ein Fall zeigt, den das Grünen-Bundesschiedsgericht entscheiden musste. Bei der Vorstandswahl in einem städtischen Kreisverband wollte eine Person als Stadtvorsitzende (also für den Frauenplatz in einer quotierten Doppelspitze) kandidieren, die wie ein Mann auftrat, einen männlichen Vornamen trug, aber behauptete, eine Frau zu sein. Einige Monate zuvor hatte sie das der Partei per E-Mail mitgeteilt: „Ab heute bin ich weiblich.“
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„Das ist jetzt ein Neuanfang“: Was der Wechsel des Vornamens für trans Menschen bedeutet
Alter Name, alte Identität – trans Menschen ändern häufig ihren Namen. Miriam Lind, Sprachwissenschaftlerin an der Uni Mainz, hat untersucht, wie sie ihre neuen Vornamen wählen. Im Gespräch erklärt sie, wie wichtig das für die eigene Identität sein kann und warum Namensänderungen in Deutschland schwierig sind.
Kandidaten dürfen nicht „nur in bestimmten Zusammenhängen“ Frau sein
Der Kreisverband ließ die Kandidatur nicht zu, es handele sich um einen verbitterten, frustrierten Kritiker der Frauenrechte. Doch das Landesschiedsgericht ordnete eine Wiederholung der Wahl an. Es gelte das Prinzip der Selbstdefinition. Den Mitgliedern könne zugetraut werden, Personen einfach nicht zu wählen, die sich ungerechtfertigte Vorteile verschaffen wollen.
Nun aber schob das Bundesschiedsgericht solchen Provokationen einen rechtlichen Riegel vor. Es könne nicht sein, dass sich Männer vor einer Kandidatur einfach zur Frau erklären, „ohne dass es irgendwelche Grenzen hierfür“ gebe. Die Selbstdefinition als Frau müsse „eindeutig, nicht selektiv und nicht nur vorübergehend“ sein. Es genüge nicht, dass jemand nur in bestimmten Zusammenhängen oder zu bestimmten Zeiten Frau, ansonsten jedoch Mann sein will. Das 24‑seitige Urteil wurde jüngst von der Uni Düsseldorf in ihrer Sammlung von Parteischiedsurteilen veröffentlicht.