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Ein persönlicher Rückblick

Urlaub in Triest, oder: Wenn Rauchschwaden übers Meer ziehen

Der Hafen von Triest (Italien): Im Himmel sind Rauchwolken zu erkennen.

Der Hafen von Triest (Italien): Im Himmel sind Rauchwolken zu erkennen.

Kürzlich habe ich mal gemacht, was Millionen Deutschen in diesen Wochen auch machen: Urlaub. Ich schalte dann ab im wörtlichen Sinne. Drei Wochen keine Nachrichten, Nullkommanichts. Früher habe ich es so gehalten, weil ich nicht auf Reisen mit Neuigkeiten konfrontiert werden wollte, die mich zu professionellen Überlegungen angeregt hätten. Heute halte ich es auch deshalb so, weil mich die Kaskade des globalen Schreckens bisweilen überfordert. Da bin ich bekanntlich nicht der Einzige.

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Rauchsäulen am Ende des Golfs

In diesem Jahr hat diese Flucht zunächst gut funktioniert. Wir waren wandern in Slowenien, ein kleines und ebenso schönes wie sympathisches Land, wo sie dober dan sagen, wenn sie Guten Tag meinen. Ich habe Kühe bewundert, Ziegen beim Fressen zugesehen, mich von Schweinen beschnuppern lassen und eine von einem Raubvogel attackierte Schlange entdeckt, die womöglich eine giftige Kreuzotter war. Es war ein bisschen wie früher: Natur als Rückzugsort und Fluchtpunkt. Nur die Nadelwälder, die in Slowenien so kaputt sind wie bei uns, haben mich daran erinnert, dass die Natur vielfach längst das geworden ist, was wir von ihr übriggelassen haben.

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Wir beschlossen unsere Reise in Triest, der alten Stadt am südöstlichsten Zipfel Italiens, wo sie neben dem Zugang zum Mittelmeer eine wunderbare Kathedrale haben. Da war es mit der Flucht vor der Welt vorüber. Am zweiten Tag entdeckten wir Rauchsäulen am nördlichen Ende des Golfs. Ein großer Wald war in Brand geraten. Anfangs wirkte die Szene harmlos.

29.06.2021, Spanien, Madrid: Ein Junge kühlt sich vor der Hitze mit einem Wasserdampfdiffusor vor einem Restaurant in der Alcala Straße. Es werden Höchsttemperaturen von bis zu 36 Grad Celsius erwartet. Foto: Jesús Hellín/EUROPA PRESS/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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Doch bald nahmen die mal schwarzen, mal weißen Wolken zu, zogen übers Meer und später in die Stadt hinein, so dass man das Meer kaum noch sehen konnte. Die Sonnenuntergänge auf der Hafenpromenade, die weit ins Wasser hineinragt, bekamen einen katastrophalen Zug. Noch katastrophaler war, dass neben der Promenade ein gigantisches Kreuzfahrtschiff anlegte, das die stattlichen Bauten einstiger Reeder und Versicherungsgesellschaften, die den früheren Reichtum Triests dokumentieren, bei weitem überragte. Hier gab der stählerne Gast namens „Aida“ das Motto aus: Ich bin der König.

Kaum Unruhe in Triest

Nun wissen wir, dass die zunehmenden Waldbrände eine wesentliche Ursache in der wachsenden Erderwärmung haben, die wiederum ihre Ursache im wachsenden CO2-Ausstoß hat. Auch wissen wir, dass Kreuzfahrtschiffe gigantische CO2-Schleudern sind. Der Naturschutzbund hat errechnet, dass ein Kreuzfahrtschiff pro Tag so viel CO2 ausstößt wie 84.000 Pkw. Man hatte im Hafen von Triest also Ursache (das Schiff) und Wirkung (die Rauchsäulen am Horizont) in einem Blick. Nur folgte daraus: nichts. Kein Protest, nirgends. Die Reisenden pilgerten stattdessen abends unverändert zur Hafenpromenade, um den Sonnenuntergang zu genießen. Und nicht wenige schienen ihn trotz der Rauchschwaden noch immer für ein romantisches Ereignis zu halten. Derweil hielten andernorts Menschen einen Aperol Spritz in die Höhe.

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Auch sonst teilte sich keinerlei Unwille mit. In der hafennahen City gab es zu essen und zu trinken. In einer Eisdiele herrschte abends um elf noch Gedränge. Eine Bar ließ draußen Musik machen. Italien, wie wir es lieben – oder: The show must go on. Daran änderte auch die Tatsache wenig, dass Hoteliers ihre Gäste aufforderten, die Fahrstühle zu meiden, weil das Feuer die Stromversorgung in Mitleidenschaft zog und Nutzer in den Fahrstühlen hätten stecken bleiben können. Der Umstand, dass die Flammen auf Bahngleise und Straßen übergriffen, so dass unter anderem auch wir nicht nördlich mit dem Zug ausreisen konnten, sondern östlich mit dem Bus ausreisen mussten, zog ebenfalls keine erkennbare Unruhe nach sich.

Ich, der ich vor einer mir zunehmend irre erscheinenden Welt hatte fliehen wollen, war abermals in einer Welt gelandet, in der das Irre entweder nicht mehr als irre erkannt wurde oder in der das Irre längst klaglos hingenommen wurde.

In Triest jedenfalls werden in den Auslagen bereits die Jahreskalender für 2023 feilgeboten. Auf einem der Titelbilder sieht man ein Kreuzfahrtschiff, das im Hafen vor Anker liegt.

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