Beziehungsstatus zwischen EU und China: Es ist kompliziert
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Xi Jinping, Präsident von China, winkt bei einer Videokonferenz mit Vertretern der EU im Dezember 2020 (Archivbild).
© Quelle: Li Xueren/Xinhua/AP/dpa
Peking. Mehrfach wurde der langerwartete EU-China-Gipfel bereits verschoben, doch die jetzigen Vorzeichen sind ungünstiger als jemals zuvor: Nur 48 Stunden vor dem virtuellen Treffen ist ausgerechnet Russlands Außenminister Sergej Lawrow in die Volksrepublik geflogen, wo er von seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi über alle Maßen hofiert wurde. Man sei „noch stärker gewillt, die bilateralen Beziehungen zu entwickeln“ und auf „eine höhere Ebene“ zu katapultieren, ließ Pekings Spitzendiplomat ausrichten.
Für die europäische Union sollten solche Aussagen als endgültiger Weckruf dienen, die Hoffnungen auf China als Vermittler in diesem Konflikt zu begraben. Und überhaupt hat der Putins Krieg wie kein zweites Ereignis der letzten Jahre tiefe Trennlinien sichtbar gemacht, die man zuvor aufgrund der florierenden Wirtschaftsbeziehungen nicht sehen wollte. Doch die herbe Enttäuschung darüber, dass Peking seinem strategischen Partner in Moskau auch weiterhin loyal beisteht, lässt sich nicht mehr ignorieren.
Bei Außenministertreffen: China verurteilt westliche Sanktionen gegen Russland
Die Außenminister Russlands und Chinas bezeichneten die Strafmaßnahmen am Mittwoch als illegal und kontraproduktiv, erklärte das russische Außenministerium.
© Quelle: Reuters
Am 1. April treffen nun die Vertreter der EU und China endlich wieder aufeinander, pandemiebedingt wird das Treffen per Videoschalte abgehalten. Wenn man die Beziehungen aus der Vogelperspektive betrachtet, dann kann man nur über die rasante Talfahrt staunen: Noch 2019 war das größte Streitthema zwischen den zwei Seiten, wie man das gemeinsame Investitionsabkommen im Detail aushandeln würde. Doch seither haben sich die Verhältnisse deutlich verkompliziert.
Xi Jinping als Nutznießer des Kriegs gegen die Ukraine
Zum einen ist während der Pandemie viel Porzellan zu Bruch gegangen – auf beiden Seiten, wohlgemerkt. Die chinesische Führung fühlte sich zu Beginn des Virusausbruchs oft zu Unrecht in der Kritik. Und gleichzeitig verprellte sie die EU mit ihrer „Maskendiplomatie“, die – zu einem Zeitpunkt größten Leids – allen voran eine schamlose Propagandainszenierung der eigenen Überlegenheit war.
Anfang 2022 ist zudem mit Litauen erstmals ein EU-Mitgliedsland ganz unmittelbar zum Opfer der chinesischen Wirtschaftsrepressionen geworden: Nachdem Vilnius es wagte, ein Taiwan-Vertretungsbüros zu eröffnen, stellte Peking vorübergehend den bilateralen Handel ein.
Doch der alles entscheidende Katalysator für die Eskalation der Beziehungen ist der Ukraine-Konflikt gewesen: Chinas Staatschef Xi Jinping hätte wohl als einzige Politiker Wladimir Putin zum Einlenken bringen können. Stattdessen jedoch versucht er sich nun als stiller Nutznießer zu positionieren. Seine Staatsmedien und Diplomaten verbreiten systematisch Kremlpropaganda und sind nicht gewillt, den Aggressoren klar zu benennen – ja, nicht einmal „die Situation in der Ukraine“ überhaupt als Krieg zu bezeichnen.
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„Unter den derzeitigen Umständen wäre das beste Resultat, wenn die EU zumindest eine Zusage Chinas erwirken kann, dass es die Bewältigung der humanitären Krise in der Ukraine unterstützt“, sagt Janka Oertel vom „European Council on Foreign Relations“ mit Sitz in Berlin. Denn auch das wird oft vergessen: Chinas unter Trommelwirbel angekündigten Hilfslieferungen betragen bislang kaum mehr als 2 Millionen Euro. Die Europäische Union hingegen hat bereits mit rund 500 Millionen Euro ausgeholfen.
Umdenken in der EU
All dies führt dazu, dass die EU ihre China-Strategie derzeit grundsätzlich überdenkt. Mittlerweile hat sich die Erkenntnis längst durchgesetzt, dass die Volksrepublik unter Xi Jinping nicht nur lukrativer Handelspartner, sondern allen voran eine systemische Herausforderung darstellt. Das wird nicht zuletzt daran deutlich, dass Chinas Parteiführung systematisch daran arbeitet, mit Desinformationskampagnen das westliche Ordnungssystem und seine Werte zu zersetzen. Peking kapert gezielt Begriffe wie „Demokratie“ und „Menschenrechte“, um diese für die eigene Agenda umzudeuten. Gleichzeitig setzt man die wirtschaftliche Stärke ein, um Kritik am eigenen System bereits im Vorhinein zu unterbinden.
Viele europäische China-Experten rufen händeringend dazu auf, dass Brüssel die wirtschaftlichen Abhängigkeiten von der Volksrepublik verringert. Gerade die deutsche Regierung wollte die langfristigen Gefahren bis zuletzt nicht wahrhaben, schließlich hängt der Wohlstand der Bundesrepublik so stark vom Marktzugang ab wie in sonst kaum einem anderen EU-Land.
Doch der politische Wille ist zahnlos, wenn nicht auch die heimischen Unternehmen am selben Strang mitziehen. Nach wie vor ist die „Strauß-Mentalität“ unter europäischen Wirtschaftsvertretern in China beachtlich: Man schaut vor allem auf kurzfristige Gewinnbilanzen, nicht jedoch auf die strategische Perspektive. Dabei sollte spätestens nach den staatlich orchestrierten Boykotten gegen H&M, Adidas und Co. längst klar sein: Wer Kritik äußert und die „rote Linie“ Pekings überschreitet, bekommt umgehend den wirtschaftlichen Zorn des Landes zu spüren.