Betreiber von AKW warnt: Kaltreserve „technisch nicht machbar und daher ungeeignet“
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Das Atomkraftwerk Isar 2 in Bayern.
© Quelle: Getty Images
Berlin/Hannover. In einem Brief an das Bundeswirtschaftsministerium hat der Betreiber des Atomkraftwerks Isar 2 gewarnt, die Anlage ab dem Jahreswechsel in eine Reserve zu überführen, wie zuerst das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ berichtete. Der Vorschlag, zwei der drei laufenden Anlagen in die Kaltreserve zu schicken, um sie bei Bedarf hochzufahren, sei technisch nicht machbar, heißt es darin von Seiten des Betreibers Preussen Elektra. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zeigte sich am Mittwoch verwundert über die Aussagen.
Guido Knott, Chef von Preussen Elektra, schreibt in dem Brief, dass ein Überführen der Anlage in eine Kaltreserve, die nur bei Bedarf hochgefahren werde, „technisch nicht machbar und daher ungeeignet“ sei, „um den Versorgungsbeitrag der Anlagen abzusichern“. Das bestätigt auch ein Eon-Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: „Wir haben am Montagabend kommuniziert, dass Kernkraftwerke aus technischen Gründen nicht für einen Reservekraftwerksbetrieb geeignet sind.“
Habeck: Aussagen widersprechen sich
Habeck warf dem Konzern daraufhin vor, das Konzept der Notfallreserve nicht verstanden zu haben. Denn ein Hoch- und Herunterfahren der Anlagen sei nicht geplant. Vorgesehen sei vielmehr „einmal zu entscheiden, ob man die Kraftwerke braucht oder nicht“. Das könne im Dezember, Januar oder Februar geschehen. „Das ist offensichtlich an den Technikern von Preussen Elektra vorbeigegangen“, sagte der Grünen-Politiker. Zudem verwies Habeck auf einen früheren Brief des Energiekonzerns von August, in dem dieser mitgeteilt habe, dass es auch im Fall eines längeren Streckbetriebs einen kurzfristigen Stillstand brauche. Nach Habecks Darstellung widersprechen sich diese Angaben des Konzerns.
Nun solle in neuen Gesprächen geklärt werden, was gelte, sagte Habeck. Der Wirtschaftsminister wies zudem darauf hin, dass auch bei einem Streckbetrieb, „also dem offensichtlichen Wunsch von Preussen Elektra“, eine Revision nötig gewesen wäre.
Zwei AKWs sollen in Notfallreserve
Habeck will zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke noch bis Mitte April als Notfallreserve einsatzbereit halten – das Kernkraftwerk Isar 2 in Bayern sowie das vom Energiekonzern EnBW betriebene Kraftwerk Neckarwestheim in Baden-Württemberg. Noch in einer Pressekonferenz am Montag, bei der er die Einsatzreserve für die AKWs verkündete, sagte Habeck, dass ein solcher Weiterbtrieb technisch möglich sei. Entgegen der Warnung des AKW-Betreibers.
Im Zuge des Atomausstiegs hätten zum Ende dieses Jahres eigentlich alle deutschen Atomkraftwerke endgültig abgeschaltet werden sollen. FDP und Union drängen dagegen auf einen Weiterbetrieb aller drei Kraftwerke wegen der Energiekrise.
Knott verweist auf die Risiken, die Habecks Plan mit sich bringe. Man habe schon am 25. August das Wirtschaftsministerium darüber informiert, dass im Streckbetrieb „ein flexibles Anheben oder Drosseln der Leistung nicht mehr möglich ist“. Der Plan des Ministeriums sieht allerdings ein komplettes Herunterfahren der Anlage vor. Laut dem Chef von Preussen Elektra sei dann das „Wiederanfahren im fortgeschrittenen Streckbetrieb nicht und schon gar nicht kurzfristig innerhalb einer Woche machbar“.
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Knott sieht außerdem ein Risiko darin, ein solches Prozedere, das bislang „nicht praktiziert“ werde und worin man „keine Erfahrungswerte“ habe, ausgerechnet in diesem Winter zu erwägen. „Das Austesten einer noch nie praktizierten Anfahrprozedur sollte nicht mit einem kritischen Zustand der Stromversorgung zusammenfallen.“
Wirtschaftsministerium spricht von Missverständnissen
Das Bundeswirtschaftsministerium reagierte verärgert. „Mit Verwunderung“ habe man das Schreiben Knotts zur Kenntnis genommen, schreibt Staatssekretär Patrick Graichen in einem Antwort-Brief, der dem RND vorliegt. Trotz der vorab geführten Gespräche habe es wohl noch „Missverständnisse“ zur geplanten AKW-Einsatzreserve für den Winter gegeben, so Graichen weiter.
Robert Habeck will zwei AKW als Notreserve behalten
Der Bundeswirtschaftsminister öffnet die Tür für einen zeitweisen Weiterbetrieb von zwei Atomkraftwerken - im Notfall.
© Quelle: dpa
Die Kraftwerke würden nicht flexibel an- und abgefahren werden, wie im Schreiben suggeriert werde. Ziel sei, dass für einen Abruf der Reserven ausreichend Vorlauf gebe – und ein solcher Abruf dann auch durchgehend in Betrieb bleibe, bis längstens Mitte April. Für diese Entscheidung werde es ein vorausschauendes Monitoring der Bundesnetzagentur geben. Außerdem sei ein Wiederanfahren mit einem „Kern im Streckbetrieb“ überhaupt nicht vorgesehen.
Werden die AKWs heruntergefahren?
Entweder, so Graichen, werde im Dezember festgestellt, dass die Reserven abgerufen werden müssen – dann bleibe eines oder beide Kraftwerke auch über den 31. Dezember hinaus in der Ersatzreserve. Oder es stelle sich vor Jahresende keine solche Notwendigkeit heraus, dann werde es heruntergefahren.
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Habecks Atomentscheidung: der Stresstest für die Koalition
Mit seiner Entscheidung, am Atomausstieg Ende des Jahres festzuhalten und nur zwei Kraftwerke in eine Notfallreserve zu schicken, hat Wirtschaftsminister Robert Habeck Freund und Feind überrascht. Während die Grünen frohlocken, herrscht in der FDP Frust. Und in den Zentralen der Energiekonzerne hat das große Rechnen begonnen, wie für sie am meisten rausspringt.
Sollte sich die Lage im neuen Jahr verschärfen, könnten die Kraftwerke „im Laufe des Januars oder Februars 2023 wieder hochgefahren werden, um dann im Streckbetrieb bis längstens Mitte April 2023 Strom zu produzieren“. Ob das mit dem vorhandenen Reaktorkern möglich ist, sei derzeit Gegenstand von Gesprächen.
Was ist mit Neckarwestheim?
Auch in Neckarwestheim hat man die Debatte mitbekommen. Ob der Betreiber des dortigen Atomkraftwerks – der Karlsruher Energieversorger EnBW - ebenfalls Zweifel am Vorstoß Habecks hat, ist jedoch offen. Man sei aktuell „zur Klärung der konkreten Details und unserer Fragen“ im Austausch mit dem Bundeswirtschaftsministerium, teilte ein Sprecher auf RND-Anfrage mit.
Erst danach könne man die „technische und organisatorische Machbarkeit“ des aktuell diskutierten Vorschlags bewerten. Bis dahin wolle man sich an öffentlichen Debatten nicht beteiligen.
mit Material von dpa