Bedrohung durch Russland: Grüne Basis will Sondervermögen für die Bundeswehr kippen
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Eine Initiative der Grünen-Parteibasis will das Sondervermögen Bundeswehr stoppen.
© Quelle: IMAGO/penofoto
Herr Schmagold, Sie richten sich in einer Urabstimmungsinitiative gegen das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Warum?
Die Bundeswehr bekommt schon über 50 Milliarden Euro pro Jahr, das sind übrigens 55 Prozent mehr als noch 2014. Wir sind Teil der Nato, dem stärksten Verteidigungsbündnis der Welt, das Russland schon heute deutlich überlegen ist und durch die absehbaren Neuaufnahmen von Schweden und Finnland sogar noch stärker werden würde. Jetzt noch 100 Extramilliarden schuldenfinanziert in Rüstung zu investieren, das ist nicht maßvoll und wird später zu schmerzhaften Kürzungen an wichtigen Stellen führen, weshalb wir uns gegen die 100 Milliarden für Rüstung aussprechen. Denn dieses sogenannte Sondervermögen ist in Wirklichkeit ein Sonderkredit mit gewaltigem Volumen.
Finden Sie nicht, dass durch den russischen Angriff auf die Ukraine eine neue Situation entstanden ist und auch Deutschland sich gegen die Gefahr aus Russland zusätzlich wappnen muss?
Der unmenschliche Angriff von Putins Armee auf die Ukraine stellt uns alle vor viele Herausforderungen in den unterschiedlichsten Bereichen, etwa der Aufnahme von Ukrainerinnen und Ukrainern oder der Umstellung unserer Energieversorgung. Aber die Nato als das stärkste Verteidigungsbündnis der Welt noch weiter aufzurüsten, das wäre die falsche Reaktion auf eine russische Armee, die schon in der Ukraine nur durch Brutalität und nicht durch ein überlegenes Militär in Erscheinung tritt.
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Grünen-Mitglied Philipp Schmagold ist gegen das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr.
© Quelle: Privat
Wie stehen Sie zu den Waffenlieferungen an die Ukraine?
Unsere Urabstimmungsinitiative befasst sich rein mit der Frage, ob wir 100 Milliarden beziehungsweise 2 Prozent oder mehr des Bruttoinlandsproduktes in Rüstung und die Bundeswehr investieren sollen. Alle anderen spannenden Fragen der Zeit wie die der Waffenlieferungen an die Ukraine, seien es leichte oder schwere, behandeln wir im Rahmen unserer Urabstimmungsinitiative nicht. Wir alle derzeit über 1200 Unterstützerinnen und Unterstützer haben Meinungen zur Frage der Waffenlieferung vom Pazifismus bis zur Unterstützung von Waffen zur Selbstverteidigung, aber als Urabstimmungsinitiative geht es uns um diese beiden Fragen: Stimmst du dafür, dass wir als Partei die deutliche Anhebung der jährlichen Militärausgaben auf 2 Prozent oder mehr des Bruttoinlandsprodukts ablehnen? Stimmst du dafür, dass wir als Partei das ‚Sondervermögen Bundeswehr‘ im Umfang von 100 Milliarden Euro ablehnen?
Die Grünen haben sich bei ihrer Gründung unter anderem als „gewaltfrei“ bezeichnet, haben aber schon 1999 für den Kosovo-Krieg gestimmt. Sind sie vom rechten pazifistischen Weg abgekommen?
Unsere Urabstimmungsinitiative wird sowohl von Pazifistinnen und Pazifisten als auch von nicht pazifistischen Mitgliedern unterstützt, wir haben Unterstützer aus beiden Parteiflügeln und aus allen Teilen Deutschlands. Uns geht es im Rahmen unserer beiden Urabstimmungsfragen nicht um Pazifismus als neue Leitlinie, sondern darum, dass die derzeitige Situation nicht dazu genutzt werden darf, den Militärsektor auf Kosten aller anderen Bereiche unangebracht zu vergrößern. Denn genau dies passiert gerade, auch wenn die Konstruktion des Sondervermögens viele blendet. Aber natürlich wird dieses Geld inklusive Zinsen zurückgezahlt werden müssen.
Wie viele Unterschriften haben Sie bisher? Und wie viele brauchen Sie, damit die Initiative innerparteilich Erfolg hat?
1210 Mitglieder sind schon namentlich und verbindlich dabei, wir sammeln seit dem 11. April Unterstützung. Bis zum 14. August brauchen wir noch weitere 5076 Unterstützer. Das wird kein Selbstläufer, aber machbar, wenn wir genug Mitglieder erreichen, auch über Ihre Berichterstattung.
Sie haben in den letzten Jahren immer wieder vergleichbare Initiativen gestartet. Wird die Basis bei den Grünen mittlerweile zu wenig gehört?
In diesem Jahr ist es mir erfreulicherweise auf dem Bundesparteitag gelungen, das Antragsrecht der Grünen-Ortsverbände gegen einen entsprechenden Antrag des Bundesvorstandes zu verteidigen. Ja, es gibt leider eine Tendenz zur Verwässerung der Basisbeteiligung, dagegen wehren wir uns, denn die niedrigschwellige Beteiligungsmöglichkeit ist einer der Gründe, warum es mir und anderen Spaß macht, Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen zu sein und gemeinsam etwas zu bewegen.