Die größte Krise seiner Amtszeit

U-Ausschuss in Baden-Württemberg: Innenminister Strobl gerät in Bedrängnis

Thomas Strobl (l, CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, sitzt bei einer Plenardebatte auf der Regierungsbank. Der Landtag hat einstimmig für einen Untersuchungsausschuss gestimmt.

Thomas Strobl (l, CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, sitzt bei einer Plenardebatte auf der Regierungsbank. Der Landtag hat einstimmig für einen Untersuchungsausschuss gestimmt.

Stuttgart. Thomas Strobl ist Krisen und Konflikte gewohnt. Bislang musste sich der 62-Jährige dabei meist über die eigene Partei ärgern. Immer wieder haben sie ihm, der die CDU im Südwesten nach Wahlschlappen zweimal in die Regierung mit den Grünen hievte, in den eigenen Reihen gegen das Schienbein getreten und ihn um die Spitzenkandidatur gebracht.

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Nun hat der baden-württembergische Innenminister aber Ärger von anderer Qualität. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn. Die Opposition fordert Strobls Rücktritt. Und am Mittwoch formierte sich im Landtag ein Untersuchungsausschuss, der wohl bis weit ins nächste Jahr die Verfehlungen des Ministers durchleuchten wird. Strobl steht mit dem Rücken zur Wand. Aber warum der ganze Ärger?

Alles dreht sich um ein zugefaxtes Schreiben

Alles dreht sich um ein Anwaltsschreiben, das kurz vor Weihnachten durch das Faxgerät des Innenministeriums ratterte. Darin geht es um Vorwürfe gegen den ranghöchsten Polizisten des Landes, den Inspekteur der Polizei. Der soll eine Hauptkommissarin sexuell belästigt haben, ihr einen Deal angeboten haben nach dem Motto „Sex gegen Karriere“. Die Frau meldet den Vorfall, der Inspekteur wird suspendiert, gegen ihn wird ermittelt. Was dran ist an den Vorwürfen, ist unklar. Der Beschuldigte hat sich bislang nicht öffentlich dazu geäußert, bis zum Abschluss des Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung.

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Strobl kommt ins Spiel, als der Anwalt des Inspekteurs besagtes Schreiben kurz vor Weihnachten ins Ministerium faxt. Darin bietet der Jurist der Hausspitze an, sich jenseits des rechtsstaatlichen Verfahrens zu unterhalten. Strobl steckt den Brief einem Journalisten zu.

Hat der Minister Dienstgeheimnisse herausgegeben?

Und darum geht es im Kern - hat der Minister damit geheime Unterlagen herausgegeben, Dienstgeheimnisse verraten und sich strafbar gemacht, wie der politische Gegner behauptet? Oder handelte es sich bei dem Schreiben im Gegenteil um ein Dokument, von dem die Öffentlichkeit erfahren muss, ganz im Sinne einer „maximalen Transparenz“, wie der Minister selber sagt?

Strobl, so behauptet er zumindest später, sieht in dem Schreiben ein „vergiftetes Angebot“. Er habe verhindern wollen, dass die andere Seite das Schreiben lanciert und der Vorwurf der Mauschelei aufkommt. Aber warum gibt er es dann nur einem einzigen Journalisten?

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Staatsanwaltschaft braucht Genehmigung von Strobl

Nach der Veröffentlichung des Schreibens wird die Staatsanwaltschaft aktiv. Die Ermittlungen werden aber schon bald von Strobl selbst ausgebremst. Geht es nämlich um den Verdacht der Verletzung des Dienstgeheimnisses, brauchen die Ermittler eine Ermächtigung des Innenministeriums. Die Opposition wirft Strobl vor, Ermittlungen zu behindern. Die Strobl-Seite argumentiert, dass es sich bei dem Schreiben um gar kein Geheimnis handelt. Das werde allein schon damit bewiesen, dass es an die allgemeine Faxadresse des Ministeriums ging und damit potenziell vielen Personen zugänglich war.

Nun rollt der Untersuchungsausschuss los - nicht nur zur Causa Strobl, sondern zu sexueller Belästigung, Machtmissbrauch und zur Beförderungspraxis bei der baden-württembergischen Polizei insgesamt. Der Ausschuss birgt unvorhersehbare Risiken für den Minister. Die Opposition will seinen Rücktritt, hofft auf so manche Enthüllungen in den Untersuchungen, die sich sehr lange hinziehen dürften. Als Enddatum wird Ende September 2023 festgelegt.

Ministerpräsident Kretschmann spricht von „politischer Belastung“

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist darüber alles andere als glücklich, bindet das Gremium doch über viele Monate Zeit und Energie. Dabei wollte der 74-Jährige in seiner letzten Amtszeit Baden-Württemberg doch zum Klimaland Nummer eins machen, mehr Windräder bauen, die Autoindustrie transformieren. Am Dienstag spricht er von einer „politische Belastung“ im Zusammenhang mit der Strobl-Affäre. Nun will er sich gar nicht mehr zu der Sache äußern.

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Kann sich Strobl also in seinem angesägten Stuhl halten? Das dürfte auch vom Ausgang der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abhängen. Die Strafverfolger, die nicht wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen ermitteln dürfen, haben nämlich zwei Paragrafen weiter geblättert und ermitteln nun wegen der verbotenen Mitteilung von Gerichtsverhandlungen - dafür brauchten sie keine Ermächtigung des Ministeriums. Ausgang völlig offen.

Strobl ist für Kretschmann ein Garant

Wenn aber jemand als politisches Stehaufmännchen gilt, dann der CDU-Mann Strobl. Und soweit es ihm politisch irgendwie möglich ist, wird Kretschmann wacker zu seinem Vize halten. Der Regierungschef weiß, dass er ohne Strobl seine ganzen grünen Projekte noch viel weniger durchsetzen kann. Strobl ist für Kretschmann der Garant, dass die Christdemokraten bei der Stange bleiben. Müsste Strobl gehen, wackelt die ganze Koalition. Es steht viel auf dem Spiel.

RND/dpa

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