Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschüler lahmt: Fördermittel in Milliardenhöhe ungenutzt
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Schülerinnen und Schüler einer Grundschule sitzen mit Abstand in ihrem Klassenraum.
© Quelle: Marcel Kusch/dpa
Berlin. Dem bundesweiten Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung an Grundschulen ab 2026 droht ein Fehlstart. Davor warnen Städte und Gemeinden – und mit Blick auf den schleppenden Ausbau der Betreuungsplätze nun auch die CDU/CSU. Wie sie bei der Bundesregierung erfragt hat, sind Milliarden Euro an Bundeshilfen auch ein Jahr nach Start eines Aktionsprogrammes nicht abgeflossen.
Laut der Antwort des zuständigen Bundesfamilienministeriums, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt, haben die Bundesländer 2022 von den 750 Millionen Euro, die der Bund für den beschleunigten Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder bereitgestellt hat, nur 72 Prozent abgerufen.
Schlusslicht ist dabei Bayern, das nur knapp 19 Prozent der rund 117 Millionen Euro Bundeshilfen verwendet hat, die ihm zustehen. Berlin hat nur etwas mehr als ein Drittel der 38,5 Millionen Euro abgerufen, die der Bund für die Ganztagsinfrastruktur der Hauptstadt bereithielt. Im Plan liegen dagegen Hamburg, Bremen, Sachsen-Anhalt und das Saarland, die ihre Mittel jeweils komplett abgerufen haben, sowie Baden-Württemberg mit 98,7 Prozent.
Doch auch der Bund selbst hat ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der Ganztagsbetreuung seinen Teil noch nicht erfüllt: Wie aus der Regierungsantwort auf die Unionsanfrage hervorgeht, stehen zusätzliche Bundesmittel in Höhe von 2,75 Milliarden Euro nicht zum Ausbau zur Verfügung, weil die dafür nötige Verwaltungsvereinbarung für das „Investitionsprogramm Ganztagsausbau“ noch immer nicht unterzeichnet ist.
Als Grund gibt das Familienministerium an, dass die internen Verhandlungen und Abstimmungen darüber vor allem so „zeitintensiv“ seien, weil sichergestellt werden soll, dass die Finanzhilfen des Bundes nicht gegen das Grundgesetz verstoßen. Dort ist die Länderhoheit der Bundesländer in Bildungsfragen vorgeschrieben. Einen Zeitpunkt, wann das Geld bereitsteht, nennt das Schreiben nicht: „Das Unterschriftenverfahren wird eingeleitet, sobald die Abstimmungen abgeschlossen sind“, heißt es dort.
Bund und Länder hatten sich 2021 darauf geeinigt, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab 2026 schrittweise einzuführen – zunächst für die erste Klassenstufe, dann schrittweise für jede weitere. Ab 2029 soll der Anspruch für alle Kinder bis zur vierten Klasse gelten. In dem Schreiben bekennt sich die Bundesregierung zu dieser Gesetzeslage.
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© Quelle: dpa
Die Union sorgt sich um die Umsetzbarkeit des Rechtsanspruchs. Es sei „mehr als deutlich, dass bis 2026 nicht ausreichend Betreuungsplätze für Grundschulkinder zur Verfügung stehen“, sagte die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher, dem RND. Besonders die fehlende Freigabe für die 2,75 Milliarden Euro an Bundesmitteln kritisierte die CDU‑Bundesvize scharf: „Die Ampel lässt Länder, Kommunen und Träger einfach im Regen stehen“, so Breher, die SPD, Grünen und FDP deshalb „Arbeitsverweigerung“ vorwarf.
Breher forderte den Bund zudem auf, Länder und Kommunen bei der Suche nach Erzieherinnen und Erziehern zusätzlich finanziell zu unterstützen. Das lehne die Bundesregierung in ihrer Antwort ab. „Sie verweist lapidar auf die Möglichkeit der Länder, die Fachkräftegewinnung mit den Mitteln aus dem Gute-Kita-Gesetz voranzutreiben“, so die Unionsfrau. „Die Fachkräfte reichen schon für die Kitas nicht aus. Wo sollen die Länder Erzieherinnen und Erzieher für Grundschulen aus dem Hut zaubern?“
An diesem Mittwoch hatte bereits der Deutsche Städte- und Gemeindebund gewarnt, dass der Rechtsanspruch zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht flächendeckend umgesetzt werden könne – vor allem wegen des absehbaren Mangels an Erzieherinnen und Erziehern.
Eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums hatte dazu erklärte, es wäre unverantwortlich, die Einführung des Anspruchs auf Ganztagsbetreuung aufzuschieben. Kinder und ihre Familien seien dringend auf gute und sichere Tagesbetreuung angewiesen sind. Für erwerbstätige Mütter und Väter sei sie ebenso unverzichtbar wie für die Unternehmen, die jede Fachkraft brauchen.
Die Nachfrage übersteigt schon jetzt das Angebot. Laut Ministerium sind zwar bereits 70 Prozent der deutschen Grundschulen Ganztagsschulen – allerdings mit großen regionalen Unterschieden: Während in Ostdeutschland Grundschülerinnen und Grundschüler bereits oft ganztägig betreut würden, gibt es in Bayern große Lücken.