Lindner gegen Lemke

Vor EU-Entscheidung: Ampel legt Streit um Verbrenner-Aus bei

Widersprach der Koalitionskollegin: Finanzminister Christian Lindner.

Widersprach der Koalitionskollegin: Finanzminister Christian Lindner.

Luxemburg/Frankfurt/Berlin. Der Showdown im Streit um das Aus für den Verbrennungsmotor ist vorerst beendet. Wie ein Regierungssprecher am Dienstag mitteilte, unterstützt die Bundesregierung einen sich abzeichnenden Vorschlag des Rates zu den Flottengrenzwerten als „Beitrag auf dem Weg zu einer klimaneutralen Mobilität“.

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Hintergrund ist, dass die EU-Umweltminister am Dienstag entscheiden wollten, ob in der EU vom Jahr 2035 an neue Autos und Transporter mit Diesel- oder Benzinmotor de facto verboten werden. Das gilt als wichtiges Element in den Plänen der EU-Kommission, Europa bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen. Bis zum späten Dienstagnachmittag war der Ausgang der Abstimmung allerdings noch offen. Das lag auch an einem Krach in der Ampel, der nun beigelegt worden ist.

Die Bundesregierung begrüße, dass die EU-Kommission zugesagt habe, außerhalb des Systems der Flottengrenzwerte einen Vorschlag zu unterbreiten, wie nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden könnten, die dann „exklusiv“ mit klimaneutralen Kraftstoffen (E-Fuels) betrieben werden. Das beziehe sich nach dem gemeinsamen Verständnis der Bundesregierung auch auf Pkw und leichte Nutzfahrzeuge, hieß es.

In den Verhandlungen der vergangenen Tage habe erreicht werden können, dass dieses Anliegen des Koalitionsvertrages im Beschlusstext verankert werde, so der Regierungssprecher: „Unter dieser Voraussetzung würde die Bundesregierung dem Vorschlag zustimmen.“ In FDP-Kreisen hieß es, diese Position sei mit der FDP geeint.

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Bundesverkehrsminister Volker Wissing begrüßte die Einigung. Der FDP-Politiker sagte am Dienstag in Berlin, damit sei der Weg für eine Zustimmung im EU-Ministerrat frei. Das Verbot des Verbrennungsmotors sei „vom Tisch“.

Lindner widersprach Lemke

Vor und während der Sitzung in Luxemburg war es zwischen Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zu einem öffentlichen Streit gekommen. So sprach sich Lemke ausdrücklich für einen Stopp von Neuzulassungen für Autos mit Verbrennungsmotoren aus. „Wichtig ist mir, dass die Bundesregierung heute hier in Luxemburg die Kommission unterstützen wird in dem Ziel, dass ab 2035 keine PKWs mehr zugelassen werden, die CO₂ ausstoßen“, sagte Lemke.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) widersprach prompt. „Die Äußerungen der Umweltministerin sind überraschend. Sie entsprechen nicht den Verabredungen“, schrieb er auf Twitter. „Verbrennungsmotoren mit CO₂-freien Kraftstoffen sollen als Technologie auch nach 2035 in allen Fahrzeugen möglich sein.“ Daran sei die Zustimmung der FDP zu den Plänen gebunden, so Lindner.

Bundeskanzler Olaf Scholz wies derweil den Eindruck zurück, dass es in der Bundesregierung Streit gebe. Es würden auf EU-Ebene derzeit noch viele Vorschläge entwickelt, so dass Zwischenstände keinen Sinn ergäben. „Aber wir sind eigentlich einig, geschlossen zu handeln“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag.

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Der Chef von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, kritisierte das Verhalten des Bundeskanzlers. „Olaf Scholz hat die Debatte zum Verbrenner in Europa mehr als eine Woche lang laufen lassen“, sagte Kaiser dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Er hätte seine Richtlinienkompetenz viel stärker nutzen müssen. Das geht zu Lasten des Wirtschaftszweigs, der einen klaren Investitionsrahmen und Technologieentscheidungen benötigt.“

Was im Koalitionsvertrag steht

Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und FDP darauf geeinigt, dass von 2035 an nur noch CO₂-neutrale Fahrzeuge neu zugelassen werden. Weiter heißt es in dem Vertrag: „Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzen wir uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können.“ Auch hieß es, Schritt für Schritt beende man das fossile Zeitalter, auch, indem man die Technologie des Verbrennungsmotors hinter sich lassen.

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Mehrere EU-Länder wollten vor der Sitzung das Ende der Verbrennungsmotoren um fünf Jahre auf 2040 verschieben. Zu der Gruppe gehörten Italien, Portugal und Bulgarien. Sympathien für diesen Vorstoß zeigten Rumänien, die Slowakei und Ungarn. Hätte sich Deutschland wegen des Koalitionsstreits bei der Abstimmung enthalten, würde das wie ein Nein gewertet – und die Staatengruppe könnte die Verbrennerpläne zum Kippen bringen.

Die Union versucht den Druck zu erhöhen

Die Unionsparteien versuchten vor der Sitzung, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen. „Ich appelliere an die Bundesregierung, nicht vorschnell Technologien aus dem Markt zu drängen, die Alternativen zum Elektroauto werden können“, sagte Angelika Niebler, Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. Man wisse heutzutage noch nicht, welche Entwicklungssprünge synthetische Kraftstoffe eventuell machten.

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Diese Auffassung kritisierten die Europa-Grünen. „Wer jetzt noch auf E-Fuels oder Wasserstoff beim Auto setzt, investiert an der Realität vorbei“, sagte der Grünen-Klimaexperte Michael Bloss dem RND. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) lobte die sich abzeichnende Zustimmung der Bundesregierung. Der Verbrennungsmotor im Pkw habe keine Zukunft, sagte ein Sprecher. Ziel müsse es nun sein, „dass hierzulande bereits 2030 der letzte Verbrenner-Pkw zugelassen wird“.

Wissenschaftler nannten die von Union und FDP betriebene Debatte um E-Fuels eine Nebensächlichkeit. „Die Debatte ist ein Streit um des Kaisers Bart“, sagte Ferdinand Dudenhöfer, Chef des CAR-Center Automotive Research, dem RND: „Denn synthetische Kraftstoffe werden so teuer sein, dass kaum jemand bereit sein wird, dafür zu bezahlen. Hinzu kommen sukzessive steigende Kosten für Ersatzteile von Verbrennern, und die Tankinfrastruktur für Sprit wird in den nächsten Jahren immer weiter ausgedünnt.“

E-Fuels mit schlechter Energieeffizienz

Abgesehen von den Preisen für den Kraftstoff müsse bedacht werden, dass die Energieeffizienz von E-Fuels extrem schlecht sei, sagte Dudenhöfer: „Wegen der verschiedenen Umwandlungsprozesse werden weniger als 20 Prozent der Ausgangsenergie zum Antrieb des Fahrzeugs eingesetzt.“

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Zudem seien die meisten Autohersteller längst umgeschwenkt und setzten auf Elektromobilität. Dudenhöfer: „Ein Verbrennerverbot ist dennoch wichtig, weil es ein Signal setzt für Investitionssicherheit.“ Das betreffe vor allem Betreiber von Ladeinfrastruktur, die massiv ausgebaut werden müsse. Aber auch für Batteriehersteller sei Planungssicherheit von großer Bedeutung. Er gehe davon aus, „dass spätestens im Jahr 2030 batterieelektrische Pkw billiger sein werden als vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor“, sagte Dudenhöfer.

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