Konzertierte Aktion: Arbeitgeber und Gewerkschaften halten von Scholz-Idee wenig
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Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi.
© Quelle: Fabian Sommer/dpa
Berlin. Kanzler Olaf Scholz (SPD) will das Problem der steigenden Energiekosten im Rahmen einer „konzertierten Aktion“ dadurch lösen, dass Arbeitgeber ihren Angestellten eine steuerfreie Einmalzahlung leisten und die Gewerkschaften im Gegenzug bei Tarifrunden auf einen Teil der Lohnsteigerungen verzichten. Darüber berichten die „Bild am Sonntag“ und die Deutsche Presse-Agentur. Die Vorstellung des SPD-Politikers stößt allerdings sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Gewerkschaften auf Skepsis beziehungsweise offene Kritik.
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) mit Blick auf das für den 4. Juli geplante Treffen: „Ich begrüße die Ankündigung des Bundeskanzlers, gemeinsam mit den Arbeitgebern in der derzeitigen Lage nach sozialverträglichen Lösungen zu suchen. Die Sozialpartnerschaft war stets eine tragende Kraft unserer Marktwirtschaft und kann das in Zeiten der Krise in besonderem Maße unter Beweis stellen.“ Klar sei „aber auch“, so Fahimi: „Tarifverhandlungen werden nicht im Kanzleramt geführt.“
Pochen auf Autonomie
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger reagierte fast wortgleich. „Tarifverhandlungen werden nicht im Bundestag geführt“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Alle Hinweise aus der Politik – wie jetzt zu Einmalzahlungen – können Verhandlungen eher erschweren als erleichtern.“ Dulger sagte weiter: „Wir warten jetzt erst einmal die Gespräche zur ‚konzertierten Aktion‘ im Kanzleramt ab und werden an konstruktiven Lösungen im Interesse unserer Unternehmen und Beschäftigten für gute Lösungen mitarbeiten.“
In Arbeitgeberkreisen hieß es: „Manche Ratschläge können auch Schläge sein.“ Zudem wurde daran erinnert, dass sich die Bundesregierung nach der Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit über die Tarifautonomie hinwegsetzen wolle. „Wir freuen uns über staatliche Fürsorge“, sagte ein führender Vertreter ironisch. „Aber es könnte auch etwas weniger sein.“
Das Kanzleramt geht den Berichten zufolge davon aus, dass die Inflation vor allem dadurch getrieben werde, dass es sowohl beim Gas als auch bei anderen Produkten einen Angebotsengpass gebe, der im kommenden Jahr noch einmal zunehmen werde.
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„Jetzt bin ich frei“
Sechs Monate nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft hat Angela Merkel das RedaktionsNetzwerk Deutschland zu dem ersten Interview in ihrem neuen Büro empfangen. In dem sehr persönlichen Gespräch blickt die Bundeskanzlerin a. D. zurück auf ihre Russland-Politik und die Entscheidung für Nord Stream 2. Und sie erklärt, warum sie nie offen Partei für die Ostdeutschen ergriffen hat.
Für die Einmalzahlung spreche, dass sie schnell bei den Bürgerinnen und Bürgern ankomme und Mitarbeitende mit geringen und mittleren Löhnen am stärksten profitierten. Da aber nur noch 43 Prozent der Beschäftigten nach Tarifvertrag bezahlt würden, brauche es gesonderte Lösungen für Arbeitnehmer ohne Tarifbindung und Rentner mit geringer Rente.
Lindner zurückhaltend
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich machte sich die Idee zu eigen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schrieb hingegen auf Twitter, Einmalzahlungen könnten sinnvoll sein. „Aber wo Unternehmen hohe Gewinne machen, ist eine Subventionierung der Arbeitgeber nicht angezeigt.“ Die Grünen wollten sich auf Anfrage zunächst nicht äußern.
Am Mittwochabend hatte der Koalitionsausschuss darüber beraten, wie man mit der galoppierenden Inflation angesichts eines erwarteten Gaslieferstopps aus Russland umgehen könne. Im Anschluss verlautete, man wolle zunächst die „konzertierte Aktion“ abwarten. Auch müsse man sehen, wie sich die zwei bereits beschlossenen Entlastungspakte konkret auswirkten, bevor man im Spätsommer und Herbst über weitere Entlastungen sinnvoll entscheiden könne. Dem Eindruck, bei der „konzertierten Aktion“ gehe es darum, die Verantwortung auf die Tarifparteien abzuwälzen, wurde aber widersprochen.
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