Ampelkoalition: Die FDP ist noch nicht in ihrer Regierungsrolle angekommen
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Als Finanzminister ist er in einer neuen wichtigen Rolle: FDP-Chef Christian Lindner.
© Quelle: imago images/Political-Moments
Berlin. Als SPD, Grüne und FDP vor bald drei Monaten ihren Koalitionsvertrag präsentierten, gab es einen einprägsamen Moment. „Wir haben Olaf Scholz neu kennengerlernt“, setzte FDP-Chef Christian Lindner unaufgefordert zu einer Lobrede an. Führungspersönlichkeit, Führungsfähigkeit, Erfahrung – diese Worte folgten in atemberaubendem Tempo aufeinander. In der Schule würde man einen, der so etwas über einen Lehrer sagt, fies einen „Schleimer“ nennen.
Wie konnte Scholz die FDP so schnell zu einem weitgehend lautlosen Rädchen in einer Koalition machen, die diese vor der Wahl noch ausgeschlossen hatte? Das fragte man sich damals. Mittlerweile ist klar: Die Ampelregierung hat Startschwierigkeiten. Das hat stark damit zu tun, dass die FDP in der Corona-Politik noch nicht den Rollenwechsel von der Oppositions- zur Regierungspartei geschafft hat.
Olaf Scholz droht vor eine Wand zu laufen
Die FDP hat den Kanzler in der Corona-Politik bereits mehrfach in die Bredouille gebracht. Sie hat darauf bestanden, die epidemische Notlage von nationaler Tragweite auslaufen zu lassen, als dies öffentlich das falsche Signal war. Wegen der Liberalen gibt es keine eigene Regierungsmehrheit bei der Frage einer allgemeinen Impfpflicht – was Scholz dem mäßig vorhandenen guten Willen der Union ausliefert. Der Regierungschef droht hier in einer Sache, die er selbst als zentral erkannt hat, vor eine Wand zu laufen.
Jetzt sorgt die FDP auch noch in einer Situation, die eigentlich erfreulich ist, für Probleme. Die Omikron-Welle hat ihren Scheitelpunkt überschritten. Bund und Länder sind sich einig, dass bis zum 20. März erheblich gelockert werden soll. Die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen wünschen sich für die Zeit danach lediglich die Möglichkeit, grundlegende Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht, Abstandsgebote und Hygienevorgaben verfügen zu können. In einer Pandemie, die nicht vorbei ist und in der es immer wieder unvorhergesehene Entwicklungen gab, leuchtet das ein.
Die deutlichen Worte des Wolfgang Kubicki
Doch die FDP zeigt sich sperrig. Parteivize Wolfgang Kubicki wirft den Länderchefs sogar ein „angstgetriebenes Maßnahmenregime“ vor. Lindner würde sich nie so äußern. Dennoch stützt er einen Kurs, bei dem die FDP darauf dringt, möglichst viel von ihrer Maximalposition durchzusetzen. Damit bringt er den Kanzler in eine Lage, in der er sich aus Reihen der Länder die Frage gefallen lassen muss, ob er überhaupt für die ganze Regierung sprechen kann.
Die FDP verhält sich in der Corona-Politik wie ein Fußballspieler, der bei der Aufstellung vom Sturm ins Mittelfeld gesetzt worden ist – und trotzdem weiter nichts anderes tut, als anzugreifen. In der Opposition war es richtig, dass die FDP sich mit Verve in die Rolle der Kritikerin von Corona-Beschränkungen begeben hat. Das hat der Demokratie angesichts einer übergroßen Koalition der Befürworter von Corona-Maßnahmen gutgetan. In der Regierung geht es jetzt darum, Kompromisse zu organisieren – und in der Pandemie auch in den kommenden Monaten schnell handlungsfähig zu sein.
Scholz hat richtig erkannt, dass er eine Dreierkoalition mit FDP und Grünen nicht nach Gerhard Schröders Prinzip führen kann, es müsse klar sein, wer Koch sei und wer Kellner. Er muss aber auch sicherstellen, dass ihm nicht die FDP einfach nur das Tablett in die Hand drückt. Der Mann, der früher einmal gesagt hat, wer bei ihm Führung bestelle, bekomme sie auch, muss sich in der Corona-Krise mehr Führung in der eigenen Koalition zutrauen.
Bei der Suche nach dem richtigen Stil im Umgang mit Koalitionspartnern könnte ihm auch ein anderer Satz helfen, den er vor vielen Jahren als Hamburger Innensenator einmal gesagt hat: „Ich bin liberal, aber nicht doof.“