Showdown vor dem Parteitag: Wer führt künftig die AfD?
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Ein Bild aus fröhlicheren Tagen: Alice Weidel und Tino Chrupalla als AfD-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl.
© Quelle: Jens Büttner
Riesa. Die AfD steckt in der Krise. Bei zehn Wahlen nacheinander gab es Stimmenverluste, im Westen kämpft die Partei mit der Fünfprozenthürde. Im sächsischen Riesa kommt die AfD ab Freitag zum Bundesparteitag zusammen. Eine neue Parteiführung muss gewählt werden. Nicht wenige Parteimitglieder hoffen auf einen neuen Aufbruch. Wer rechnet sich welche Chancen aus?
Der angeschlagene Favorit: Tino Chrupalla
Der 47-jährige Malermeister aus der Lausitz führt die AfD seit 2019. Seit Januar ist er alleiniger Parteichef – sein Co-Vorsitzender und innerparteilicher Konkurrent Jörg Meuthen schmiss hin, trat medienwirksam aus und ist inzwischen in der christlichen Splitterpartei Zentrum gelandet. Chrupalla will Chef bleiben und mit den innerparteilichen Streitereien aufräumen. Die AfD soll ein geschlosseneres Bild vermitteln.
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Tino Chrupalla, amtierender Bundessprecher der AfD.
© Quelle: Uli Deck/dpa
Chrupalla spricht neuerdings viel von „Hierarchie“ und „Führung“, die im nächsten Bundesvorstand herrschen sollten. In vielen Gesprächen mit Landesverbänden in Ost und West hat er ein Team um sich versammelt, das ihm diese Führung auch zutraut. Nicht wenige in der Partei werfen ihm zu große Nähe zu Russland und handwerkliche Fehler im politischen Geschäft vor.
AfD wählt neuen Vorstand auf dem AfD-Parteitag
Der Stellvertretende Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, Norbert Kleinwächter, erklärte bereits zum Anfang, dass er gegen Tino Chrupalla kandidieren werde.
© Quelle: Reuters
Beide Punkte treffen sich in der Kritik an Chrupallas Entgegnung auf die Regierungserklärung von Olaf Scholz bei der Sondersitzung des Bundestages am 27. Februar, drei Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine: Überraschend hatte Scholz das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr angekündigt. Chrupalla trat als Bundestagsfraktionsvorsitzender ans Rednerpult und sagte spontan: „Ein neues Wettrüsten lehnen wir ab“, die 100 Milliarden Euro seien „wirklich irre“.
In einer Partei, die in ihrem Programm seit Jahren eine bessere Ausstattung der Bundeswehr fordert, rief das laute Kritik hervor, die bis heute anhält. Dennoch geht Amtsinhaber Chrupalla als Favorit ins Rennen um den Bundesvorsitz. Was einerseits an seinen Netzwerkerqualitäten liegt, andererseits an der Schwäche seiner Konkurrenten.
Der Herausforderer: Norbert Kleinwächter
Der 36-jährige Bundestagsabgeordnete und Fraktionsvize will gegen Chrupalla antreten. Er ist in Bayern geboren, in Brandenburg beheimatet und mit einer Polin verheiratet. Dem Europapolitiker sind Mitteleuropa, aber auch Brüssel und Paris näher als Moskau und der Kyffhäuser, wo sich die Vertreter des radikalen „Flügels“ bis zu dessen formaler Auflösung trafen.
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Norbert Kleinwächter (AfD) will zur Vorsitzendenwahl antreten.
© Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von seinem Brandenburger Landesverband hat der Wortführer der selbst ernannten „liberalen“ Strömung in der Rechtspartei keine große Unterstützung zu erwarten. Hier dominieren die Putin-Versteher und verbalen Straßenkämpfer, die die AfD als Fundamentalopposition etablieren wollen. Kleinwächter will die Partei hingegen nach innen und außen normalisieren. Zu seinen Zielen schreibt er in einer „Agenda für den Parteivorsitz“, er wolle das „negative Image der AfD abschwächen und die Akzeptanz der AfD in der Gesamtbevölkerung erhöhen“. Der Platz der AfD sei „nicht bei Randgruppen, Sektierern oder Demonstranten, die unsere Werte nicht teilen oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage stellen“.
Chrupalla greift seinen Herausforderer an dessen Schwachstelle an – der fehlenden Unterstützung im Heimatverband: „Norbert Kleinwächter wurde vom Landesverband Brandenburg nicht einmal als Delegierter oder Ersatzdelegierter zum Parteitag aufgestellt“, sagte er kürzlich in einer Journalistenrunde. „Wenn Sachsen mir die Gefolgschaft verwehren würde, würde ich mich mit Demut auf die Gästetribüne setzen und nicht kandidieren.“
Der zweite Herausforderer: Nicolaus Fest
Der 59-jährige Europaabgeordnete und ehemalige Vizechef der „Bild am Sonntag“ gab vergangene Woche per Bewerbervideo seine Kandidatur um den Spitzenposten bekannt. „Unsere Partei ist in keinem guten Zustand“, sagt er. „Wir müssten bei 30 Prozent stehen. Mindestens. Stattdessen kämpfen wir im Westen mit der Fünfprozenthürde.“ Wenn die Partei so weitermache, sei sie „in wenigen Jahren im Westen am Ende. Der Osten ist dann ohne Bedeutung und Deutschland ist kaputt“, warnte Fest. Die Partei müsse den internen Dauerstreit überwinden. Er stehe für einen Ausgleich, sagte Fest.
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Nicolaus Fest spricht im Plenarsaal des Europäischen Parlaments.
© Quelle: IMAGO/Future Image
Gegen Chrupalla will der frühere Vizechefredakteur der „Bild am Sonntag“ nicht antreten, sondern sich um den zweiten Spitzenposten bewerben. Doch in Riesa wird auch über einen Satzungsantrag abgestimmt, der eine Einzelspitze ermöglichen könnte.
Die Taktiererin: Alice Weidel
Seit 2017 steht Alice Weidel an der Spitze der AfD-Bundestagsfraktion, zuerst an der Seite von Alexander Gauland, seit 2021 führt sie die Fraktion gemeinsam mit Chrupalla. Im Bundesvorstand ist sie einer von drei Vizes – das würde ihr eigentlich ausreichen, um ihren Einfluss in der Parteispitze zu sichern.
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Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag.
© Quelle: Sebastian Kahnert/dpa
Daher wirbt sie hinter den Kulissen für die Einzelspitze – um sie dann Chrupalla zu überlassen. Sollte es jedoch bei der Doppelspitze bleiben, wird sie sich rufen lassen und für den zweiten Spitzenposten antreten. Obwohl sie viele innerparteiliche Gegner hat, rechnet sie sich gegen Fest gute Chancen aus.
Angeschlagen: Beatrix von Storch
Die Berliner Bundestagsabgeordnete und Parteivize Beatrix von Storch gilt als unermüdliche Netzwerkerin in eigener Sache. Oft hat sie innerparteiliche Wahlen in den vergangenen Jahren knapp für sich entschieden. Für Riesa hat sie ein Bündnis mit Fest geschmiedet. Doch ihre Gegner haben den beiden Berlinern im Vorfeld einen empfindlichen Schlag versetzt.
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Beatrix von Storch, stellvertretende Bundessprecherin der Alternative für Deutschland (AfD).
© Quelle: Alternative für Deutschland/AfD
Die 25 Delegierten aus ihrem Landesverband dürfen nach einem Urteil des AfD-Bundesschiedsgerichts nicht mitstimmen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass von Storch darauf gedrungen habe, drei Kandidaten der bereits geschlossenen Kandidatenliste hinzuzufügen. Eine unterlegene Kandidatin hatte gegen dieses Vorgehen geklagt und bekam nun recht. Von Storch sieht das Urteil als einen politisch motivierten Affront gegen sie: Damit wollten sich die Hardliner in Riesa durchsetzen. Sogar von einem versuchten „Putsch“ der Radikalen in der Partei ist in Berlin die Rede. Die extrem Rechten würden die Rückkehr des geschassten Andreas Kalbitz vorbereiten wollen.
Gegen die Rückkehr von Andreas Kalbitz: Dennis Hohloch
Unter den weiteren Bewerbungen für den Bundesvorstand sticht die des Brandenburger Landtagsabgeordneten Dennis Hohloch heraus, der von Fest unterstützt wird. Aus folgendem Grund: Der 33-Jährige tritt explizit an, um die Rückkehr des rechtsextremen Strippenziehers Andreas Kalbitz in die Partei zu verhindern. Kalbitz’ Mitgliedschaft hatte der Bundesvorstand 2020 annulliert. Einst waren die beiden Brandenburger enge Weggefährten, dann wurden sie zu den Protagonisten der sogenannten „Milzriss-Affäre“. Kalbitz hatte Hohloch zur Begrüßung in den Bauch geboxt, so dass dessen Milz riss und er stationär ins Krankenhaus musste. Beide geben an, die Aktion sei freundschaftlich gemeint gewesen.
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Dennis Hohloch, Parlamentarischer Geschäftsführer der Brandenburger AfD-Fraktion.
© Quelle: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dp
Die Brandenburger Landeschefin Birgit Bessin hat für den Parteitag einen Antrag eingereicht, das bestehende Auftrittsverbot für Ex-Landeschef Andreas Kalbitz aufzuheben. Hohloch befürchtet, dass weitere Vorstöße folgen werden, den Rechtsextremen wieder in die Partei aufzunehmen. Er kandidiere auch, um dies zu verhindern. „Zudem wird eine weitere entscheidende Frage für den nächsten Bundesvorstand die Aufnahme von Andreas Kalbitz sein. Diese lehne ich klar ab“, sagte er dem RND.
Mögliche Überraschung: Mariana Harder-Kühnel
Die hessische Bundestagsabgeordnete Mariana Harder-Kühnel steht bisher auf keiner Liste. Doch die Anzeichen mehren sich, dass sie sich als Chrupalla-Unterstützerin in den Bundesvorstand wählen lassen will. Hessen wäre sonst nicht mehr in der Parteispitze vertreten, da die zurzeit als Beisitzerin amtierende Joana Cotar vermutlich nicht mehr antritt.
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Mariana Harder-Kühnel, AfD-Bundestagsabgeordete.
© Quelle: imago/Christian Ditsch
Cotar hatte Chrupalla mit am heftigsten attackiert, damit in einigen Parteikreisen aber eher dafür gesorgt, dass sich die Reihen hinter dem Parteichef schlossen. „Mit Tino Chrupalla endet die Erfolgsgeschichte der AfD“, sagte sie am Tag nach dem enttäuschenden Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen.
Harder-Kühnel hingegen gilt als Unterstützerin der radikalen Kräfte in der AfD, was sie zurückweist: Sie gehöre „keiner Strömung an“ und sei „AfD pur“.
Bleibt er im Hintergrund? Björn Höcke
Der Thüringer Landes- und Fraktionschef Björn Höcke ist im Vorfeld dieses Parteitags fast schon hyperaktiv. Fast täglich verschickt er Einschätzungen und Mitteilungen, eine ganze Reihe von Anträgen tragen seinen Namen. Darunter auch der Satzungsantrag, eine Einzelspitze zu ermöglichen. Ein weiterer Höcke-Antrag verlangt die Einsetzung einer „Kommission Parteistrukturreform“. Diese soll das Wahlverfahren auf Parteitagen straffen und Sanktionsmöglichkeiten gegen Vorstandsmitglieder schaffen, die Parteibeschlüsse missachten. Auch die Schulung von Nachwuchskadern wäre Aufgabe der Kommission.
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Björn Höcke, rechtsextremes Aushängeschild.
© Quelle: IMAGO/Jacob Schröter
Der Antrag wird von Chrupalla und dem Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland unterstützt. Höcke selbst könnte Mitglied oder Vorsitzender dieser zehnköpfigen Kommission werden – und damit die Partei als „Chefideologe“ entscheidend prägen, ohne selbst im Bundesvorstand vertreten zu sein.
Der Alte: Alexander Gauland
Der AfD-Gründer und Ehrenvorsitzende Alexander Gauland (81) strebt keine aktive Beteiligung an der Parteispitze mehr an. Er unterstützt das Duo Chrupalla/Weidel. Im dpa-Interview sagte er: „Ich glaube, dass Tino Chrupalla und Alice Weidel, die ja nicht Vorsitzende war, sondern nur Stellvertreterin, das gut gemacht haben, und wäre persönlich dafür, dass sie jedenfalls auch auf diesem Parteitag eine Chance bekommen.“ Die Partei sei „immer noch ein gäriger Haufen“, meinte Gauland. „Wir werden sehen, wie der Parteitag läuft, aber ich glaube, da hat sich gar nichts geändert.“
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Alexander Gauland, Ehrenvorsitzender der AfD, bei einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur in seinem Büro im Jakob-Kaiser-Haus.
© Quelle: Carsten Koall/dpa
Die AfD müsse auch nicht „erwachsen“ oder regierungsfähiger werden, sagte Gauland. Sie sei „eine sehr von der Basis bestimmte Partei“ und bekäme „von der Basis immer neue Impulse, die dann ausführlicher verarbeitet werden müssen. Von daher wird das ein Dauerzustand sein. Ich glaube nicht, dass die Partei in dem Sinne erwachsen werden soll, müsste, kann.“
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