Ärztepräsident Reinhardt: Gesetzgeber muss Ärzte besser vor Abtreibungsgegnern schützen
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„Es entsteht ein Klima der Bedrohung, das wir nicht einfach hinnehmen können“, sagt Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer.
© Quelle: Gregor Fischer/dpa
Berlin. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hat einen besseren Schutz von Ärztinnen und Ärzten vor Anfeindungen durch Abtreibungsgegner gefordert. Gewalt und Drohungen gegen Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, nähmen zu, sagte Reinhardt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„Das Spektrum reicht von anonymen Beschimpfungen und Hasspostings in den sozialen Netzwerken bis hin zu selbst ernannten Lebensschützern, die persönlich vor den Praxen auftauchen“, sagte Reinhardt. Dies führe dazu, dass Frauen diese Praxen nicht mehr in Ruhe aufsuchen könnten und der Praxisablauf gestört werde.
„Zwar gibt es keine exakten Zahlen dazu, wie häufig das passiert. Aber es entsteht ein Klima der Bedrohung, das wir nicht einfach hinnehmen können – gerade bei einem hochsensiblen Thema wie dem Schwangerschaftsabbruch“, sagte der Ärztepräsident.
„Hier ist der Gesetzgeber gefordert. Er muss Ärztinnen und Ärzte besser vor Anfeindungen durch aggressive Abtreibungsgegner schützen“, sagte Reinhardt. Vorbild dafür könnten die jüngsten gesetzgeberischen Maßnahmen gegen Hasskriminalität sein.
Bundeskabinett beschließt Streichung des Werbeverbots
„Es ist absolut unerträglich, wenn Ärztinnen und Ärzte diffamiert und möglicherweise von ihrer Arbeit abgehalten werden“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Mittwoch nach einer Sitzung des Bundeskabinetts. „Falls es hier Regelungslücken geben sollte, kann man offen darüber sprechen, die zu schließen“, sagte Buschmann. Allerdings stehe dazu bereits ein großes rechtliches Instrumentarium zur Verfügung.
Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem der Paragraf 219a im Strafgesetzbuch gestrichen werden soll. Der Paragraf stellt bislang die „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe – umfasst dabei auch sachliche Informationen etwa auf Internetseiten von Ärztinnen und Ärzten.
Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden hätten, müssten auch real die Möglichkeiten haben, diesen durchführen lassen zu können, sagte Buschmann. „Wir haben in der Tat in Deutschland echte Versorgungsengpässe“, erklärte er. Die Bundesregierung wolle deshalb Maßnahmen ergreifen, um die Versorgungssituation zu verbessern.
Ärztepräsident fordert intensive Begleitung und Beratung
Reinhardt sagte dem RND, die Bundesärztekammer und die Landesärztekammern setzten sich im Bereich der ärztlichen Weiter- und Fortbildung für eine gute Versorgungssituation ein. „Frauen müssen darauf vertrauen können, dass der Schwangerschaftsabbruch nach dem aktuell verfügbaren medizinischen Wissensstands vorgenommen wird.“ Dazu gehöre neben dem Beherrschen der verschiedenen Therapieoptionen auch die intensive Begleitung und Beratung vor und nach dem Eingriff.
„Die Bundesärztekammer hat gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit ein Konzept zur Fortentwicklung der Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, erstellt. Dieses enthält verschiedene Maßnahmen, um die bereits qualitativ gute Versorgung der betroffenen Frauen noch weiter fortzuentwickeln“, so Reinhardt. „Dazu zählen unter anderem Verbesserungen bei der Patienten-Arzt-Kommunikation oder die Entwicklung einer nationalen Leitlinie zum sicheren Schwangerschaftsabbruch.“
„Welche Einrichtungen Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, können Frauen in Notlagen unter anderem auf einer von der Bundesärztekammer im gesetzlichen Auftrag geführten Liste einsehen“, erklärte der Ärztepräsident.
„Die Bundesärztekammer erhebt diese Daten und aktualisiert die Adressliste monatlich. Der Eintrag in die Liste ist freiwillig, deshalb kann sie keinen vollständigen Überblick aller Einrichtungen bieten“, sagte Reinhardt. Frauen könnten sich mit Fragen nach Kontaktadressen für einen Schwangerschaftsabbruch aber auch direkt an die Beratungsstellen oder an ihren Hausarzt wenden.