Diplomatische Affäre mit den USA

Abgeschossener Spionageballon: Chinas Behauptung auf dem Prüfstand

Ein Beobachtungsballon ist am Himmel zu sehen. Chinas Regierung geht nach eigenen Angaben den Berichten über einen chinesischen Spionageballon über den USA nach und warnt vor voreiligen Spekulationen.

Ein Beobachtungsballon ist am Himmel zu sehen. Chinas Regierung geht nach eigenen Angaben den Berichten über einen chinesischen Spionageballon über den USA nach und warnt vor voreiligen Spekulationen.

Peking. Die Ballonaffäre nimmt kein Ende: Nur zwei Tage, nachdem die USA den mutmaßlichen Spionageballon aus China abgeschossen hatten, hat nun auch Costa Rica ein ebensolches Flugobjekt gesichtet. Die Haltung der Volksrepublik China bleibt inhaltlich dieselbe: Es handele sich ebenfalls um einen „zivilen“ Ballon, der durch starke Winde von seiner ursprünglich geplanten Route abgekommen war.

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Schon bald wird die Behauptung der chinesischen Staatsführung mit harten Fakten auf den Prüfstand gestellt. Denn in den USA werden derzeit die geborgenen Ballonteile auf ihre Funktion hin ausgewertet. Doch schon jetzt verdichten sich zunehmend die Hinweise, dass Chinas Hypothese auf dünnem Eis steht.

Auch über Taiwan flogen chinesische Ballons

Dafür reicht ein Blick ins Archiv. Wie die „Financial Times“ herausgefunden hat, sendete der chinesische Staatssender CCTV, der einen eigenen Fernsehkanal zu Militärthemen betreibt, vor fünf Jahren einen Beitrag über einen Stratosphärenballon, der während seines Fluges eine Hyperschallrakete getestet habe. Das Prekäre: Der Ballon soll nach einer ersten Auswertung exakt genauso ausgeschaut haben wie jener Ballon, der von den USA abgeschossen wurde. Der Beitrag ist mittlerweile gelöscht worden.

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In den letzten drei Jahren wurden in Asien immer mal wieder chinesische Ballons gesichtet – über Japan, Indien und mehrfach Taiwan. Dort zeigt man sich ebenfalls wenig von Chinas Theorie überzeugt, dass es sich um einen sogenannten meteorologischen Forschungsballon handelt: Die „FT“ zitiert Cheng Ming-dean, Leiter der nationalen Wetterbehörde, dass sich der chinesische Ballon sowohl in seiner Flughöhe als auch -größe von herkömmlichen Wetterballons unterscheiden würde.

Stratosphärenballons haben als Technologie in den letzten Jahren wieder ein erhöhtes Interesse erfahren, vor allem auch in China. Mehrere Universitäten, einige von ihnen mit Nähe zur Rüstungsindustrie, haben in unzähligen Studien zu den Nutzungsmöglichkeiten der Flugobjekte geforscht. Dabei ist die Unterscheidung zwischen „zivil“ und „militärisch“ immer schwieriger zu treffen. Die Regierung verfolgt nämlich für ihre Volksbefreiungsarmee eine systematische Fusionsstrategie der beiden Bereiche: Demnach sollen die Streitkräfte auf Forschungsergebnisse der Wissenschaft und der Privatwirtschaft zugreifen können, wenn es um die nationale Sicherheit geht. Und die meisten Technologien sind im sogenannten „dual use“-Bereich: Sie lassen sich sowohl für zivile als auch militärische Zwecke verwenden.

dpatopbilder - 04.02.2023, USA, Hagerstown: Präsident Joe Biden geht nach dem Aussteigen aus der Air Force One auf dem Hagerstown Regional Airport in Hagerstown, Md, zu einem Gespräch mit der Presse. Foto: Patrick Semansky/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Ballonkrise: Wie die USA und China mit dem Abschuss umgehen

Nach dem Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionage­ballons durch die USA erhebt Peking schwere Vorwürfe. Die USA hätten völlig überreagiert. Die Verschlechterung der Beziehungen kommt zur Unzeit: Schon durch den Ukraine-Krieg und die Spannungen um Taiwan ist die Anspannung hoch. Annäherungs­suche könnte es demnächst in Deutschland geben.

China hält den USA eine Standpauke

In China reden die meisten Kommentatoren den Vorfall klein. Sie argumentieren, dass die Ereignisse der letzten Tage vor allem offenlegen, welch tiefes Misstrauen die US-Seite gegenüber der Volksrepublik hegen würde. Washington bausche eine scheinbar triviale Angelegenheit zu einem handfesten diplomatischen Streitfall auf, heißt es.

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Nur: Wenn es sich tatsächlich um einen harmlosen Wetterballon handeln würde, wieso haben die Chinesen dann nicht dessen Eindringen in den amerikanischen Luftraum gemeldet?

Ohnehin wirkt die Argumentation der Chinesen zunehmend scheinheilig. Den US-Abschuss des mutmaßlichen Spionageballons nannte Peking erbost einen „Verstoß gegen internationale Praxis“ und rief sogar den Geschäftsträger der US-Botschaft zur Standpauke ins Außenministerium. Dort hieß es von Vizeminister Xie Fang, dass man sich „das Recht auf weitere Reaktionen“ herausnehme, ohne jedoch konkrete Drohungen zu machen. Besonders prekär: Xie gilt als wahrscheinlicher Kandidat für den Botschafterposten in Washington.

Nach Ballonabschuss: USA werten Trümmerteile aus

Vor der Küste South Carolinas bergen die USA Trümmer eines mutmaßlichen Spionageballons aus China aus dem Wasser.

Das Zeitfenster schließt sich

Auf der anderen Seite legt China für sich selbst andere Maßstäbe an: So hatte erst kürzlich das Staatsfernsehen eine Dokumentation ausgestrahlt, in der chinesische Armeepiloten in den höchsten Tönen dafür gelobt wurden, dass sie einen ausländischen Überwachungsballon abgeschossen hatten: „Die chinesische Luftwaffe hat wieder einmal den Feind in einem heroischen Zug niedergeschmettert.“

Bei der Frage nach der Wahrheit geht es schlussendlich um mehr als moralische Rechthaberei. Denn sollte sich herausstellen, dass die chinesische Seite die Öffentlichkeit getäuscht hat, dürfte der – bislang lediglich „verschobene“ – Besuch von US-Außenminister Antony Blinken zunehmend unwahrscheinlich werden.

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Das zuletzt günstige Zeitfenster schließt sich ohnehin bald: In weniger als einem Monat wird in Peking bereits der nationale Volkskongress tagen, und im Frühsommer könnte bereits Kevin McCarthy, Sprecher des US-Repräsentantenhauses, nach Taiwan fliegen.

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