Waldbrände im Mittelmeerraum: Wie gefährdet sind Tiere und Pflanzen?
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Bedroht sind auch Tier- und Pflanzenarten: Feuerwehrleute versuchen, die Waldbrände in dem Badeort an der Adriaküste einzudämmen.
© Quelle: Vigili del Fuoco/dpa
Dass die verheerenden Großfeuer auf der ganzen Welt gravierende Auswirkungen auf die Tierwelt haben, zeigte sich nirgends deutlicher und erschütternder als in Australien. Die Bilder toter oder sich mit schweren Brandwunden über die Straßen schleppender Koalabären, Kängurus und Gürteltiere gingen um die Welt. Die Schicksale einiger Pelzwesen, die in Tierstationen gepflegt und geheilt wurden, waren Lichtblicke der Hoffnung in den infernalischen Weltuntergängen, die von August 2019 bis März 2020 über den fünften Kontinent zogen. Drei Milliarden Tiere starben in den Flammen oder wurden aus ihrer angestammten Heimat vertrieben, so war es im Juli des Vorjahres einem Zwischenbericht des World Wildlife Fund (WWF) zu entnehmen: 2,46 Milliarden Reptilien, 180 Millionen Vögel, 143 Millionen Säugetiere und 51 Millionen Frösche.
Besonders durch die Feuer gefährdet: endemische Tierarten
Wie es um die Verluste der Fauna in den Feuerstürmen des Mittelmeerraums steht? Noch sei es für Schätzungen viel zu früh, meint Arnulf Köhncke, Artenschutzexperte und Leiter des Fachbereichs Artenschutz des WWF Deutschland im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Aber schon jetzt ließe sich eine Bedrohung vor allem endemischer Arten konstatieren, also von Tierarten, die nur in einem begrenzten Verbreitungsgebiet, etwa auf einer der griechischen Inseln, existierten. „Wenn dort jetzt ein Feuer durchgehen würde, müsste man sich um die jeweilige Art Sorgen machen.“
98 gefährdete Arten gibt es laut Köhncke in den drei von den Großfeuern betroffenen Ländern Italien, Griechenland und der Türkei, die schon vor den Bränden auf der Roten Liste der International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN) standen, zum Teil bedroht durch die Klimakrise. Unklar sei allerdings, wie viele davon speziell von den derzeitigen Feuern betroffen sind. „Gewisse Kategorien sind gefährdet – die Bewohner von Wald, Buschland, Savanne, Grasland“, sagt Köhncke. „Wenn ich dagegen in einer unterirdischen Höhle vorkomme, bin ich vermutlich sicher.“
Größere Arten sind schneller – und können den Flammen ausweichen
In jedem Fall seien Tiere von den katastrophalen Bränden betroffen. Prinzipiell sei die Gefährdung auch ähnlich wie in Australien, nur sei die Naturzusammensetzung anders. In den betroffenen Gebieten in Europa existierten vornehmlich kleinere Tiere, die – Köhncke nennt als Beispiele Grille oder Wildkaninchen – bei sehr großen Feuern zu langsam seien, um ausweichen zu können und die auch schwer zu retten seien. „Wie will man eine Grille retten?“
Rotwild könne kleine Brandstellen überspringen, auch bei anderen, schnelleren Spezies, Wölfe, Luchse oder Bären, ist Köhncke etwas hoffnungsvoller. „Die können erst mal fliehen, die Frage ist aber, wohin dann? Nach dem Feuer ist ihr Lebensraum stark kompromittiert.“ Es käme darauf an, ob die Tiere in einen neuen, nicht von den Feuern betroffenen Raum übersiedeln könnten.
Pflanzen überleben nur, wenn sie ans Feuer angepasst sind
Auch die Flora sei bedroht. Köhncke verweist auf die „alten Wälder“, naturbelassene Gehölze, von denen es wegen menschlicher Modifizierungen nicht mehr allzu viele im Mittelmeerraum gebe. Von den Pflanzen in den Feuerzonen werde kaum gesprochen, erinnert er. „Es gibt dort viele endemische Pflanzenarten, die vernichtet werden.“ Sie könnten nur dann neu aus der Asche entstehen, wenn sie an Feuersbrünste angepasst seien. Und nicht einmal für Australien habe man das bei den letzten Bränden sicher sagen können, denn: „Die Feuer waren viel heißer als sonst.“
Zu den Waldbränden in Sibirien, deren Rauch bis zum Nordpol gedrungen ist, sagt Köhncke, dass in einem großen borealen Nadelwaldgebiet weniger endemische Arten zu finden seien als auf abgezirkelten kleinen Inseln. Dennoch macht er sich „Sorgen um die großen Ökosysteme, die verloren gehen“. Und er betont die Funktion des Waldes als Kohlenstoffspeicher.
Viele deutsche Wälder sind in schlechtem Zustand
Für Deutschland sieht Köhncke keine ähnlichen Flammenmeere, sei aber auch, wie er einräumt, kein Waldexperte. Viele hiesige Wälder seien durch anhaltende Trockenheit in einem schlechten Zustand und er erinnert an größere Waldbrände in Brandenburg vor zwei Jahren. Vor allem aber hätten die dramatischen Überschwemmungen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gezeigt, dass die Folgen der Klimakrise auch hierzulande zu spüren seien.
Wie Australien 2020 zu der Schätzung von drei Milliarden toter oder vertriebener Tiere kam? „Die Australier haben einen Atlas, wo welche Tiere in welcher Dichte leben. Und dann haben sie die Daten der Waldbrandgebiete darüber gelegt. Sicher weiß man, dass alle Tiere in diesen Gebieten betroffen waren – man weiß nur nicht, ob tot oder vertrieben.“ Gefürchtet wurde etwa, dass die endemische Känguru-Insel-Schmalfußbeutelmaus durch die Feuer ausgerottet wurde. 93 Prozent ihres Lebensraums wurden zerstört.
Dann kam das Aufatmen, so Köhncke. „Kamerabilder zeigen inzwischen, dass es davon noch Exemplare gibt.“