Ehe für Alle in den USA: Gleichgeschlechtliche Ehepaare sorgen sich um künftige Rechte
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/YS2YHE7D7FETLLIIOMIX4SVEMA.jpeg)
Konservativer Richter Clarence Thomas gab zu verstehen, dass er das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehen überprüfen will (Symbolbild).
© Quelle: Ina Fassbender/dpa
New York. Mary und Sharon Bishop-Baldwin jubelten, als sie ihren Kampf für das Recht zum Heiraten im US-Staat Oklahoma gewannen. Sie gaben sich noch am selben Tag das Ja-Wort, an dem ihre gerichtliche Klage gegen ein staatliches Verbot von gleichgeschlechtlichen Eheschließungen Erfolg hatte. Aber acht Jahre danach und sieben Jahre, nachdem das höchste US-Gericht das Verfassungsrecht auf Same-Sex-Heirat bestätigt hatte, fühlen sie sich nicht mehr so sicher wie einst.
Auslöser sind Äußerungen des konservativen Richters Clarence Thomas am höchsten US-Gericht. Als dieses im Juni das Verfassungsrecht auf Abtreibung kippte, gab Thomas im selben Atemzug zu verstehen, dass aus seiner Sicht auch das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehen überprüft werden sollte.
US-Kongress beschließt Gesetzentwurf für Ehe für alle
Der Gesetzentwurf zur gleichgeschlechtlichen Ehe muss nun noch von US-Präsident Joe Biden in Kraft gesetzt werden.
© Quelle: Reuters
Die Gesetzeslage
Zwar entschlossen sich die Demokraten zum raschen Handeln, solange sie noch die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses haben. Sie brachten im Senat ein Gesetz durch, nach dem US-Staaten, die nach einer etwaigen künftigen Abschaffung des Verfassungsrechts gleichgechlechtliche Ehen verbieten, in anderen Bundesstaaten legal erfolgte Eheschließungen dieser Art anerkennen müssen. Es wird erwartet, dass auch das Abgeordnetenhaus der Vorlage - dem sogenannten Respect for Marriage Act (Respekt-von-Ehe-Gesetz) - zustimmt. Aber die Eheleute Bishop-Baldwin und andere gleichgeschlechtliche Paare sind frustriert, dass so etwas nach so vielen Jahren überhaupt nötig ist - und sie fragen sich, ob das geplante Gesetz ausreicht.
„Ich finde allein die Tatsache, dass wir diese Gespräche haben, entmutigend“, sagt die 54-jährige Sharon Bishop-Baldwin. Dies umso mehr, da sich doch im vergangenen Jahrzehnt eine drastische Änderung in der öffentlichen Meinung vollzogen habe: Umfragen zufolge befürworten jetzt 70 Prozent der Erwachsenen im Land Same-Sex-Eheschließungen. Und es sei einfach „lächerlich“, überhaupt daran denken zu müssen, dass in einem Bundesstaat legal verheiratete Paare in einem anderen plötzlich „unverheiratet“ sein könnten, so Bishop-Baldwin.
„Das ist Spiel, Satz, Sieg, Heirat“
Als sie und ihre damalige Verlobte 2004 ihre Klage einreichten, hatten 76 Prozent der Wähler in Oklahoma just dafür gestimmt, ein Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen in der Staatsverfassung zu verankern. Zehn Jahre später bestätigte der Supreme Court das Urteil eines Bundesberufungsgerichtes, nach der das Verbot verfassungswidrig sei. Wiederum ein Jahr später entschied das höchste US-Gericht in einem anderen Rechtsstreit, dass alle Bundesstaaten schwulen und lesbischen Paaren Heiratsgenehmigungen erteilen müssten.
„Als wir gewonnen haben, hat einer unserer Anwälte gesagt, "das ist Spiel, Satz, Sieg, Heirat" ... und das haben wir auch gedacht, dass die Sache jetzt erledigt ist“, sagt Bishop-Baldwin. Es bekümmert sie und andere, dass der Respect for Marriage Act nicht die Entscheidung des Supreme Courts beinhaltet, dass Bundesstaaten Same-Sex-Heiraten zulassen müssen.
Das heißt, würde das Gericht diese verfassungsrechtliche Vorschrift eines Tages kippen, könnten Bundesstaaten gleichgeschlechtliche Ehen wieder verbieten, wie eine Reihe von ihnen in der Abtreibungsfrage verfahren sind. Das neue Gesetz stellt lediglich sicher, dass legal in US-Staaten geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen in jedem Fall landesweit anerkannt werden. Sie könne sich nicht vorstelle, dass der Supreme Court das Verfassungsrecht aufhebe, meint die 61-jährige Mary Bishop-Baldwin zwar. „Aber wir müssen vorbereitet sein.“
„Einen Zustand extremer Besorgnis und Stress“
Allein die Möglichkeit habe bei gleichgeschlechtlichen Paaren „einen Zustand extremer Besorgnis und Stress“ ausgelöst, sagt Jenny Pizer von Lambda Legal, einer LGBTQ-Bürgerrechtsgruppe. Das gelte besonders für jene mit Kindern. Derzeit gelten beide Partner als legale Elternteile, was besonders wichtig ist, wenn einer von ihnen stirbt oder es zu einer Scheidung kommt. Vor diesem Hintergrund habe der Respect for Marriage Act „wirklich Bedeutung“, so Pizer. LGBTQ ist das englische Kürzel für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und queer.
Aber manche fürchten auch, dass ein künftiger Kongress das kommende neue Gesetz wieder aufheben könnte. Jedes Mal, wenn die Mehrheitsverhältnisse im Abgeordnetenhaus und Senat umgeworfen würden, frage man sich, „was diesmal passiert. Es ist in Händen von wen immer wir wählen, und das ist beängstigend“, sagt die 43-jährige Dawn Betts-Green, die mit ihrer Frau Anna in Alabama lebt. Geheiratet haben die Beiden 2016 in Florida.
Respect for Marriage Act gibt etwas Sicherheit
Die Eheleute haben sich nach dem Supreme-Court-Urteil zur Abtreibung rasch um wichtige Dokumente wie Testamente und Handlungsvollmachten gekümmert, „um rechtlich alles in Reih und Glied zu bringen, denn sie haben es klar auf uns abgesehen“, so Dawn Betts-Green. Sie erinnert sich noch gut an die Zeit vor ihrer Hochzeit, als Anna in Florida im Krankenhaus lag und man ihr, Dawn, sagte, dass es ihr nicht erlaubt sei, Entscheidungen in Sachen Behandlung zu treffen.
Betts-Green fühlt sich durch den Respect for Marriage Act ein bisschen sicherer, aber findet es „absolut lachhaft, dass wir im Jahr 2022 durch diese Art von Dingen gehen müssen“. Man habe wirklich das Gefühl, „in der Zeit zurück zu gehen“. Und nichts, so sagt sie, würde sie überraschen: „Du kannst dich niemals wirklich entspannt fühlen.“
RND/AP