Lützerather Tunnelaktivisten: „Wir haben sehr sorgfältig und sehr durchdacht gebaut“
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/HVKACQ5E7MLYIB7LML5GWE3WQ4.jpg)
Rettungskräfte stehen vor eine Gebäude, in dem sich zwei Personen in einem Tunnel verschanzt haben.
© Quelle: David Young/dpa
Erkelenz. In einem Tunnel unter dem Braunkohleort Lützerath befinden sich zwei Menschen. Die beiden seien entschlossen, sich anzuketten, sobald versucht werde, sie herauszuholen, sagte eine Sprecherin der Initiative „Lützerath lebt“ am Freitagmorgen. Die Polizei hatte am Donnerstag nach eigenen Angaben unterirdische Gänge in Lützerath entdeckt. In einem seien Menschen, hieß es. Ein Sprecher bestätigte am Freitagmorgen, dass es nach Erkenntnissen der Polizei zwei seien.
Am Donnerstag wurde ein Video auf Youtube veröffentlicht, dass die beiden mutmaßlichen Tunnelaktivisten zeigt. Die beiden vermummten Männer nennen sich in dem achtminütigen Clip „Pinky“ und „Brain“ – ihre Stimmen wurden verzerrt. „Wir haben Hinweise, dass das Video authentisch ist“, bestätigte die Polizei.
Aktivist: „Das hier wird wahrscheinlich eine ganze Weile dauern“
Auf die Frage des Filmenden, wieso die beiden den Tunnel als Protestform gewählt hätten, antwortet einer der beiden: „Der Tunnel ist eine sehr effektive Verteidigungsform gegen eine Räumung.“ Es sei viel schwieriger, einen Tunnel zu räumen als ein Baumhaus. „Die Polizei an der Oberfläche weiß nicht, wo sich die Menschen im Tunnel befinden“, erklärt er.
Zudem seien die Gänge verbarrikadiert, sodass es nicht einfach sei, zu ihnen durchzudringen. „Wir hoffen darauf, dass sie noch nicht wissen, wie sie vorgehen sollen und sich Konzepte überlegen müssen. Aber so oder so wird das hier wahrscheinlich eine ganze Weile dauern“, sagt er. „Es geht darum, die Räumung so lange, wie es geht, hinauszuzögern, damit es noch die Möglichkeit gibt, dass Leute mobilisiert werden können, sodass diese Räumung vielleicht noch gestoppt werden kann. Aber dafür braucht es viel Zeit und die hoffen wir mit diesem Projekt gewinnen zu können.“
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Enge, mit Holzpfosten gestützte Gänge
Zwischen den Interviewteilen sind auch immer wieder Sequenzen eingeblendet, die ein ausgeklügeltes Tunnelsystem zeigen – so ist auch eine Art Lastenzug zu sehen. In dem System ist es teilweise aber auch so eng, dass die Aktivisten selbst kaum durch die Gänge passen und sich hindurchzwängen müssen. Gestützt sind die Gänge mit Holzpfosten.
„Wir haben sehr sorgfältig und sehr durchdacht gebaut“, sagt einer der Aktivisten. Gefährlich sei es deshalb erst einmal nicht, meint er. „Gefährlich werden könnte es, wenn das Räumungskommando mit Zeitdruck schnelle Entscheidungen trifft, die nicht optimal sind“, führt er weiter aus. Damit meint er vermutlich, wenn die Einsatzkräfte mit schwerem Gerät über das Tunnelsystem fahren würden.
Betontüren und Handfesseln sollen Räumung verzögern
Den Einsatzkräften werde der Weg durch den Tunnel beispielsweise durch Betontüren versperrt. Sollten die Kräfte zu ihnen in die Kammer vorstoßen, so erklärten die Aktivisten, würden sie sich an einen Block aus einem Beton-Stahl-Gemisch festketten, der die Decke stützt. In diesen Block führt ein Rohr, wo die Aktivisten einen ihrer Arme hineinstecken und sich festketten würden. Zur Befreiung müsste dann zuerst die Decke abgestützt und anschließend der Betonblock aufgeschnitten und entfernt werden. „Das kann die Räumung um Stunden oder noch länger verzögern“, sagte einer der beiden Männer.
Auch zu ihren Beweggründen äußerten sich die beiden Aktivisten: „Der Tunnel ist ein Mittel zum Zweck. Wir denken, dass der Protest hier an diesem Ort sehr wichtig ist.“ Der Tagebau sei eine negative Konsequenz des Kapitalismus. „Die Welt steht vor einer Klimakatastrophe.“
In gut vier Metern Tiefe
Das Technische Hilfswerk hatte in der Nacht zu Donnerstag versucht, die Aktivisten herauszuholen, den Einsatz aber später beendet. Wann ein neuer Versuch unternommen wird, blieb zunächst unklar. Nach Angaben von „Lützerath lebt“ sind die Personen in gut vier Metern Tiefe. Es gebe ein „Belüftungssystem“.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/3NOYFYVVVBAQ7AB3DPE6VMH6PQ.jpg)
Klima-Check
Erhalten Sie die wichtigsten News und Hintergründe rund um den Klimawandel – jeden Freitag neu.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Aachener Polizeipräsident: Konstruktion nicht sicher
Um die Aktivisten aus dem Tunnel zu holen, sind nach Angaben der Polizei Spezialkräfte von Feuerwehr und THW nötig. „Ich finde es einfach schlimm, welche Gefahren diese Menschen auf sich nehmen, für sich“, sagte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach am Freitag, nachdem er ein Stück weit in den Tunnelschacht hineingestiegen war.
Die Konstruktion sei nicht sicher, die Sauerstoffversorgung sei auf Dauer nicht sichergestellt, sagte Weinspach. Er gehe allerdings davon aus, dass derzeit keine akute Gefahr für die beiden Personen bestehe. Ob sie festgekettet seien, wisse er nicht. „Kontaktbeamte versuchen gerade, Kontakt aufzunehmen und mit den Betreffenden zu sprechen“, sagte er. Deren Kommunikation mit Telefon funktioniere nicht mehr, man versuche es jetzt mit Funkgeräten.
Die Polizei hatte am Mittwoch mit der Räumung von Lützerath begonnen. Die Tunnelaktion ist eine von vielen Protestformen, mit denen Klimaaktivisten den Einsatz behindern wollen.
Mit dpa-Material