Trotz Öffnungen in der Pandemiezeit: Showdown bei den großen Zirkussen und Varietés
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Manege leer! Derzeit wird das große Roncalli-Zelt nicht aufgebaut.
© Quelle: picture alliance / dpa
Die Kultur- und Veranstaltungsbranche freut sich über Lichtblicke in düsteren Zeiten. Ins Theater, ins Kino oder auch auf Konzerte gehen – all das ist in Deutschland bei der derzeitigen Corona-Lage wieder eingeschränkt möglich. Doch trotz aller Erleichterungen geht die Show nicht überall weiter, zu groß ist der finanzielle Aufwand, zu unsicher sind die Zeiten. Ganz besonders hart trifft es dabei die großen Zirkusse, die durchs Land touren.
Der Circus Roncalli setzt auf Österreich
So sind beim Circus Roncalli alle Veranstaltungen bis auf Weiteres abgesagt. Der Spielbetrieb ist eingestellt und das schon seit Anfang 2020. „Wir hoffen nun auf eine Tour im Herbst in Österreich“, sagt Sprecher Markus Strobl dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Im Nachbarland seien die Auflagen andere als in Deutschland. Doch auch in Österreich könnte alles noch anders als erwartet kommen, noch wird keine Show beworben, kein Plakat geklebt. Einzig Roncallis Varieté in Düsseldorf öffnet am 5. August seine Türen. Das große Roncalli-Zelt bleibt weiterhin eingelagert.
„In jeder Stadt entscheidet das jeweilige Ordnungsamt, ob wir spielen dürfen oder nicht. Das macht eine Planung unglaublich schwierig“, sagt Strobl. Dazu komme, dass sich Verordnungen ständig ändern, weil sie ans Corona-Geschehen angepasst werden müssten. Eine Planungssicherheit geschweige denn eine endgültige Entscheidung wird es in absehbarer Zeit also nicht geben. „Deshalb werden wir in den nächsten zwei Wochen für uns eine Entscheidung treffen müssen, ob wir im Herbst überhaupt wieder spielen“, sagt Strobl.
Statt auf Kunst auf Kuchen gesetzt
Roncalli hat 150 festangestellte Mitarbeiter, war nach eigenen Angaben vor der Corona-Pandemie ein „gesundes Unternehmen“. Durch Kurzarbeit und Corona-Hilfen konnten finanzielle Verluste und Belastungen teilweise aufgefangen werden, aber eben nur teilweise. Wenn wegen der Pandemie nun in nur mäßig gefüllter Manege gespielt werden darf, stellt sich ohnehin die Frage, ob sich die aufwendige Show überhaupt lohnt. Ganz zu schweigen von Einschränkungen bei der Gastronomie, die auch für Roncalli eine wichtige Einnahmequelle ist.
Und was ist mit den Künstlern? Viele von ihnen sind derzeit ohne Engagement wieder zurück in ihren Heimatländern. „Wir müssen uns auch fragen, wie fit sie sind, wie hoch ihr Verletzungsrisiko ist und ob sie überhaupt trainieren konnten“, sagt Strobl und erzählt von einem Paar aus Spanien, das nun statt auf Kunst auf Kuchen setzt und in der Corona-Pandemie einen Tortenservice eröffnet hat.
Die Fans blieben Flic Flac treu
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© Quelle: picture alliance / dpa
Der Zirkus Flic Flac, der mit einer Show aus Elementen aus Akrobatik, Stunts und Slapstick durch die Lande zieht, ist seit dem 13. März 2020 nicht mehr auf Tour gewesen. Hier hoffen die Macher, dass zumindest die Weihnachtsshows wieder möglich sein werden. Zumindest die Fans sind Flic Flac treu geblieben. „Als die Vorstellungen abgesagt werden mussten, haben 95 Prozent der Besucher ihre Tickets behalten, um sie später einzulösen“, sagt Barbara Rott von der Pressestelle.
Geht Flic Flac auf Tour, reisen mehr als 100 Mitarbeiter mit. Die Artisten aus allen Teilen der Welt sind selbstständig, sie haben derzeit kein Engagement. Und wenn, dann nur eines, das aus der Not heraus geboren ist.
So weilte von März bis September 2000 eine kolumbianische Artistengruppe in Deutschland, weil sie coronabedingt nicht mehr nach Hause reisen durften. „Wir haben uns um sie gekümmert und ihnen andere Arbeiten angeboten“, sagt Rott. Es sei derzeit nicht so einfach, die Künstler jetzt wieder ins Land zu holen. Dafür sei eigens ein Spezialist, der sich nur um Visaverträge kümmere, eingestellt worden.
Kein Risiko beim „Zirkus Charles Knie“
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Geschäftsführer Sascha Melnjak (v. l.), Tiertrainer Marek Jama und Schauspielerin Rebecca Siemoneit-Barum stehen neben Zebras im "Circus Land", einem Freizeitpark von Zirkus Charles Knie.
© Quelle: Julian Stratenschulte/dpa
Auch beim „Zirkus Charles Knie“ lief alles anders als geplant. Nachdem die Premiere im letzten Jahr auf den Tag des ersten Corona-Lockdowns fiel und auch das geplante Winterwunderland im letzten Moment abgesagt werden musste, will Zirkusdirektor Sascha Melnjak kein Risiko eingehen und lässt die diesjährige Tournee ausfallen. Zu groß sei die Gefahr, dass Monate an Vorbereitungen und große Investitionen am Ende einem erneuten Lockdown zum Opfer fallen.
90 Prozent aller Mitarbeiter kommen aus dem Ausland. Dies bedürfe enormer Vorbereitungen, um diese überhaupt einreisen zu lassen, sagt auch Melnjak. Darüber hinaus seien die Corona-Verordnungen der Bundesländer so unterschiedlich, dass eine schnelle Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten kaum möglich sei. Schließlich touren er und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen quer durch Deutschland – „von Füssen im Allgäu bis nach Flensburg an die Ostsee“. Aktuell sind 17 feste Mitarbeiter, darunter Tierpfleger und vier Mitarbeiter im Büro.
Ideen in der Not geboren
Ohne Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen hätten sie es nicht bis hierher geschafft, da ist sich der Zirkusdirektor sicher. Statt deutschlandweiter Vorstellungen heißt es deshalb „Circus-Land“ und „Sommer-Varieté“ im südniedersächsischen Einbeck. „Aus der Not heraus ist das kleine Circus-Land mit Biergarten und Vorstellungen schon im letzten Sommer entstanden“, sagt Sascha Melnjak.
Ob die zwei Traditionsveranstaltungen im Winter stattfinden können, sei noch unklar. Bis spätestens Ende August müssen er und seine Mitarbeiter allerdings Bescheid wissen, um vernünftig planen zu können. Knapp 40.000 Euro an Kosten fallen allein an einem einzigen Tag an. Melnjak blickt jedoch hoffnungsvoll auf den nächsten März, da soll die Premiere in knapp 40 Spielstätten nachgeholt werden.
RND