Jugendlichen in die Unterhose geleuchtet? Polizeisprecher: „Nicht vorstellbar“
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Die Folgen der Gewalt: Ein Demonstrationsteil der angemeldeten Versammlung „Die Versammlungsfreiheit gilt auch in Leipzig“ wurde über zehn Stunden lang umschlossen, die Personen wurden registriert. Im Internet wurde Kritik über den Umgang mit Minderjährigen laut.
© Quelle: IMAGO/Moritz Schlenk
„Un-fucking-fassbar. Minderjährige werden in die Gesa gebracht, obwohl die Eltern da sind. Und die Aussage ist: Sie werden auch nicht gehen gelassen“, das twitterte das Leipziger Stadtratsmitglied Jürgen Kasek (Bündnis 90/Die Grünen) am Sonntag zu angeblichen Vorgängen im Verlauf der Demonstration „Die Versammlungsfreiheit gilt auch in Leipzig“, die am Samstag (3. Juni) stattfand. Und fügte hinzu: „Mit rechtsstaatlichem Vorgehen hat hier gar nichts mehr zu tun.“ Mit Gesa ist eine Gefangenensammelstelle der Polizei gemeint.
Antifa-Aktionswerk twittert angebliche „Unterhosen“-Aussagen Minderjähriger
Und das antifaschistische Aktionswerk „Leipzig nimmt Platz“ versandte einen Tweet, in dem zu lesen stand: „Minderjährige haben berichtet, dass ihnen sogar in die Unterhose geschaut und geleuchtet wurde!“ In einigen Retweets fand sich Unverständnis für die Polizei, der Tenor bei anderen Antworten war, dass derlei eben passiere, wenn Eltern ihre Kinder mit auf solche Veranstaltungen nähmen.
Die von Kasek angemeldete Demo am Samstag war eine Protestveranstaltung gegen die ursprünglich geplante, indes verbotene sogenannte „Tag X“-Demo in Leipzig gewesen. Letztgenannte war als Solidaritätsaktion für Lina E. gedacht gewesen. Die 28-jährige Studentin war am Mittwoch für gewaltsame Überfälle mit ihrer Gruppe auf mutmaßliche Neonazis zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden.
Im Internet hatten sich Ankündigungen gefunden, für jedes Jahr des Urteils solle ein Schaden in Höhe von einer Million Euro angerichtet werden. Wie schon am Freitag sei auch am folgenden Tag bei der „Versammlungsfreiheit“-Demo die Lage ab dem Nachmittag eskaliert.
Polizeisprecher: „Vorgabe war, alle unter 18-Jährigen priorisiert abzuarbeiten“
„Es war eine Vorgabe der Einsatzleitung, alle unter 18-Jährigen priorisiert abzuarbeiten und sie danach an die Eltern zu übergeben“, sagt Olaf Hoppe, Pressesprecher der Polizeidirektion Leipzig im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Minderjährigen saßen in der Gefangenensammelstelle nicht etwa in einer Zelle, sondern sie wurden registriert, es wurden etwaige Unklarheiten beseitigt, und dann die Eltern angerufen. Das kann eine Weile dauern.“
Soweit Hoppe es nach Gesprächen mit Kollegen beurteilen könne, habe es sich bei den Minderjährigen nicht um Kinder, sondern um Jugendliche gehandelt.
„Es gab Wurfmaterial, Pyrotechnik, manche hatten noch Steine einstecken“
Er könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass jemandem in die Unterhose geleuchtet worden sei, sagt Hoppe. Allerdings suche die Polizei schon intensiv nach Beweismitteln. „Es gab Wurfmaterial, Pyrotechnik, manche hatten noch Steine einstecken.“
Hoppe erinnert in diesem Zusammenhang an die „Einweganzüge“ der Klimaaktivisten der DHL-Blockade am Flughafen Leipzig/Halle vom Juli 2021. „Die mussten sie aus Sicherungsgründen abgeben, standen dann tatsächlich kurz in Unterwäsche da, bekamen aber sofort eine Decke.“ Man habe damals die in Gewahrsam genommenen 50 Personen mit Fünf-Minuten-Terrinen versorgt, die manche nicht annahmen, „weil sie nicht vegan waren“.
Versorgung gab es auch in der Umschließung in der Leipziger Südvorstadt, der bis in die frühen Morgenstunden des Sonntags dauerte. „Wir haben ein Fahrzeug mit Wasser und Rettungsdecken hingeschickt, auch ein Toilettenfahrzeug.“
Die Zahl der Demoteilnehmer überstieg die geschätzten 1500 deutlich
Wie viele Jugendliche am Wochenende in der Gefangenensammelstelle waren, könne er zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen, räumt Hoppe ein. Die Listen lägen ihm noch nicht vor. Aufgrund der Einsatzgröße und der Menschenmenge könne die Auswertung noch ein, zwei Wochen dauern.
Man habe anfangs gedacht, man hätte etwa 300 Personen umschlossen, so der Polizeisprecher. Schlussendlich sind in der Umschließung aber über 1000 Menschen registriert worden. Dies lasse den Schluss zu, dass es sich insgesamt um mehr als die zunächst 1500 gemeldeten Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmer handeln musste.
Die fünf Personen, die am Freitag im Verlauf der ersten Krawallnacht in Leipzig festgenommen worden waren, sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. 20 der 30 im Verlauf der Demonstration vom Samstag festgenommenen Personen werden jetzt dem Haftrichter vorgeführt. 50 Personen wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen, am Sonntag um 12 Uhr wurde die letzte Ingewahrsamnahme beendet. 50 Polizeibeamte sind bei den Einsätzen verletzt worden, drei seien nicht mehr dienstfähig.
Der Demonstrationsorganisator Kasek hatte eine Veranstaltung von etwa 100 Personen angemeldet.