Schachweltmeisterin will nicht mitspielen
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Anna Musytschuk verliert wegen der Absage ihre Weltmeistertitel.
© Quelle: NN
Riad. Anna Musytschuk wird in den nächsten Tagen ihre beiden Weltmeistertitel verlieren. Dazu noch die Chance auf jede Menge Geld. All das aus Protest. Die ukrainische Profispielerin im Schach hat sich entschieden, nicht zur derzeit laufenden Weltmeisterschaft im Schnellschach nach Saudi-Arabien zu reisen. „Ich will keine Abaya tragen oder nicht alleine nach draußen gehen dürfen oder mich generell wie eine Kreatur zweiter Klasse fühlen“, erklärte die Doppel-Weltmeisterin auf ihrer Facebookseite. Für ihren persönlichen Boykott bekam die 27-Jährige viel Zuspruch und mehr als 15.000 Likes.
„Ich bin bereit, für meine Prinzipien einzustehen“
Vor einem Jahr, bei der letzten Weltmeisterschaft im Schnellschach, hatte Musytschuk den Titel in den „Rapid“- und „Blitz“-Kategorien gewonnen. Nun wird sie beide nicht verteidigen. „Ich bin bereit, für meine Prinzipien einzustehen und das Event auszulassen“, so Musytschuk. „Dort hätte ich in fünf Tagen mehr verdient als in einem Dutzend anderer Veranstaltungen zusammengenommen.“ Immerhin stellt Saudi-Arabien ein Preisgeld von zwei Millionen US-Dollar zur Verfügung.
Auch ein kleines Zugeständnis der Veranstalter in Riad konnte die Noch-Weltmeisterin offenbar nicht umstimmen. Für die Frauen, die parallel zur WM noch in einem eigenen Turnier spielen, wurden die ansonsten rigiden Kleidungsvorschriften etwas angepasst. Statt der Abayas, lange, locker sitzende Kleider, die in Saudi-Arabien meist mit einem Gesichtsschleier getragen werden, dürfen die Teilnehmerinnen auch dunkelblaue oder schwarze Anzughosen und hochgeschlossene Blusen tragen.
Für israelische Spieler wurden keine Visa ausgestellt
Musytschuk Absage ist nicht das einzige Problem. Das hochkarätige Turnier – Saudi-Arabien ist erstmals Gastgeben – schlingerte schon vor der Eröffnung auf ein Schach-Matt zu. So spielen Talente aus Israel und Katar ebenfalls nicht mit. Für Israelis wurden keine Visa ausgestellt, und auch Kataris nahmen nicht teil. Sie bekamen Einreisgenehmigungen, obwohl Saudi-Arabien eine Blockade über ihr Land verhängt hat, hätten aber nach katarischer Darstellung bei dem Turnier nicht ihre eigene Flagge zur Schau stellen dürfen und reisten deshalb nicht an. Mit dabei sind dagegen Topspieler wie Magnus Carlsen, Levon Aronian oder Sergej Karjakin.
Das Spiel wurde zur Sünde erklärt
Schach hat in dem erzkonservativen Golfstaat ohnehin einen schwierigen Stand, seit Großmufti Abdelasis Al-Scheich das Spiel zur Sünde erklärt hatte. Der höchste Geistliche des Landes hatte dieses Urteil Anfang 2016 damit begründet, dass Schach Zeitverschwendung sei und zu Rivalität zwischen den Spielern führen könne. Auch iranische Rechtsgelehrte verurteilten Schach, weil es Menschen zum Glücksspiel treiben könne, das im Islam verboten ist. Dass trotz allem bis zum Sonnabend gespielt wird, liegt maßgeblich an dem saudische Kronprinzen Mohammed, der zuletzt auch Konzerte und Kinofilme in seinem Land zuließ und das Fahrverbot für Frauen mit kommendem Jahr aufhob. Und es geht darüber hinaus um viel Geld. Nahost-Experte James Dorsey von der University of Singapore sagte, Saudi-Arabien sei als Gastgeberland ausgewählt worden, nachdem es dem Weltschachverband einen Scheck über 1,5 Millionen Dollar ausgestellt habe – vier mal so viel wie die normale Jahresgebühr. In den kommenden zwei Jahren wird die Weltmeisterschaft übrigens erneut in Riad ausgetragen.
Von hma/RND