Wird Putin gedoubelt? Doppelgänger als Schutzschilde der Mächtigen
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Der Videobildausschnitt, zur Verfügung gestellt durch das Presse- und Informationsamt des russischen Präsidenten, soll Wladimir Putin am 18. April 2023 beim Besuch des russischen Militärhauptquartiers in Cherson zeigen.
© Quelle: IMAGO/ITAR-TASS
Berlin. Olexij Danilow ist sich ganz sicher. „Das war nicht der echte Putin“, behauptete am Mittwoch der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates der Ukraine nach dem Frontbesuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in den besetzten Gebieten der Ukraine. Der in Cherson gesichtete Putin sei „ein gewöhnliches Double gewesen, von denen es bekanntlich mehrere gibt“.
Beweise hat Danilow nicht. Nach Angaben des Kreml vom Dienstag hatte Putin sowohl die besetzten Gebiete der Region Cherson im Süden als auch Luhansk im Osten der Ukraine besucht und sich mit führenden Militärs getroffen. Der genaue Zeitpunkt des angeblichen Besuchs wurde vom Kreml allerdings nicht genannt. Angaben aus dem Kriegsgebiet lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Allerdings halten sich schon länger hartnäckig die Gerüchte, dass Putin eher als einsamer Wolf im Kreml hause, nur wenige Menschen in seiner Nähe dulde und sich auf notwendigen Terminen von Doppelgängern vertreten lasse.
Ex-Geheimdienstler packt aus
Der frühere russische Geheimdienstler Igor Girkin, der wegen seiner Beteiligung am Abschuss des Passagierflugs MH17 im vergangenen Jahr in den Niederlanden in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, galt lange als Vertrauter Putins. Jetzt, wo er in Moskau in Ungnade gefallen ist, sagt er, es sei relativ einfach herauszufinden, welcher Putin echt sei. Wenn niemand in seiner Nähe stehe, sei das der echte. Und wenn er sich nahe anderer Menschen aufhalte, dann sei das der Doppelgänger.
Putin besucht Cherson und Luhansk
Laut dem Kreml nahmen an den Gesprächen Luftlandetruppen sowie hochrangige Offiziere der Regionen Cherson und Saporischschja teil.
© Quelle: Reuters
Ein Blick in die Geschichte zeigt: Unwahrscheinlich ist das nicht. Viele Mächtige – vornehmlich Diktatoren – standen im Verdacht, häufiger Doppelgänger auszustellen als sich selbst zu zeigen. So entstanden Legenden und Verschwörungstheorien.
Die Anti-Hitler-Allianz im Zweiten Weltkrieg fürchtete beispielsweise, dass sich der echte NS-Führer lange vor Kriegsende absetzt und einem Double die Niederlage überlassen wird. Der US-Geheimdienst OSS hatte deshalb einen Maskenbildner beauftragt, Gesichts- und Frisurvarianten von Hitler zu erstellen, um nach ihm öffentlich fahnden zu können. Tatsächlich wurde Hitler erst 1956 offiziell für tot erklärt.
Stalin-Double outet sich
Zu diesem Zeitpunkt war sein Kriegsgegner, der sowjetische Staats- und Parteichef Josef Stalin, schon drei Jahre tot. Einer seiner Doubles, der in Russland durchaus populäre Schauspieler und Ex-Geheimdienstausbilder Felix Dadajew, outete sich 2008 in der „Komsomolskaja Prawda“.
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Josef Stalin stammte aus Georgien und war von 1927 bis zu seinem Tod 1953 der Diktator der Sowjetunion.
© Quelle: dpa
Der Tschetschene war mit 19 im Krieg als Doppelgänger für den vier Jahrzehnte älteren Sowjetführer rekrutiert worden. Er verlas Reden, konnte dessen Stimme gut imitieren, ließ sich als falscher Stalin herumfahren und war bei Zeremonien zu sehen.
Stalin, der in Furcht vor Attentaten lebte, soll mindestens drei Doppelgänger gehabt haben, sagte Dadajew. Einer, dessen Identität immer nur mit Rashid angegeben wird, soll 1991 gestorben sein.
Roosevelt glaubte an Heß-Doppelgänger
Auch über Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß, der 1987 in der Festungshaft Suizid beging, wurde Jahrzehnte geraunt, dass nur ein Double einsitze. Der britische Arzt Hugh Thomas, der den Nazi in Spandau betreute, hatte behauptet, der Hitler-Vertraute sei vom britischen Geheimdienst durch einen Doppelgänger ersetzt worden. Sogar der ehemalige US-Präsident Roosevelt soll das geglaubt haben.
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Adolf Hitler und sein Stellvertreter Rudolf Heß (r.).
© Quelle: picture alliance / World History Archive
Genetiker konnten 2019 durch eine wiederentdeckte Blutprobe nachweisen, dass der Tote von Berlin-Spandau der Kriegsverbrecher Rudolf Heß gewesen war.
Auch der irakische Diktator Saddam Hussein soll sich aus Angst vor Anschlägen bei öffentlichen Auftritten von mindestens drei Doppelgängern vertreten lassen haben. Das berichtete 2002 das ZDF und berief sich auf den Homburger Rechtsmediziner Dieter Buhmann. Der hatte mehrere Hundert Archivbilder Saddams ausgewertet.
Udai-Doppelgänger floh
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Kombo undatierter Archivfotos zeigt Saddam Hussein.
© Quelle: picture-alliance / dpa
Der geflohene irakische Ex-Offizier Latif Yahia behauptete 2003 in einer Autobiografie, er sei der Doppelgänger von Saddams brutalem Sohn Udai gewesen und habe sich dafür einer Kieferoperation unterziehen müssen. Einige Expertinnen und Experten bezweifeln jedoch Yahias Darstellungen.
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Latif Yahia 2003 in Köln. Er soll durch Folter gezwungen worden sein, von 1987 bis 1991 als „Fidai“ (Doppelgänger, Leibwächter und Leibeigener) von Udai Hussein, dem ältesten Sohn des irakischen Diktators Saddam Hussein, zu leben.
© Quelle: picture-alliance / dpa
Auch Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un wird nachgesagt, ihn würden Doppelgänger immer wieder medienträchtig in Szene setzen. Zuletzt wurde 2020, als er tagelang verschwunden schien und plötzlich wieder auftauchte, über den Einsatz von Doubles für Kim spekuliert.
2017 waren Videos aufgetaucht, wie sich der Diktator am Rande eines Raketentests mit Doppelgängern unterhält. Sein Vater Kim Jong Il soll ebenfalls auf Doppelgänger gesetzt haben, zum Beispiel 2009 beim Besuch von US-Präsident Bill Clinton in Pjöngjang.
Einer, der sich mit der Materie auskennt, ist Jochen Florstedt aus Mülheim an der Ruhr. Doppelgänger zu finden ist sein Job. Florstedt ist Geschäftsführer einer Double-Agentur. Zum Thema Putin sagt er nur: „Mal hängt das Kinn, mal sieht es normal aus – das kann nicht immer der gleiche sein.“
Merkel-Imitatorin spricht Russisch
Seine Stars sind Ursula Wanecki als Angela Merkel und Christian Matala als Barack Obama. Die treten bei Festen auf, werden von TV-Sendern eingekauft, agieren in Werbespots oder sind Hingucker bei Preisverleihungen. Von Politikern und Politikerinnen aus dem In- oder Ausland hatte der Mülheimer noch keine Anfragen für Doppelgänger. „Als Gag kann ich mir das vorstellen, aber nicht, wenn es gefährlich werden könnte“, sagt Florstedt. „Das würde ich meinen Künstlern nie antun.“
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Ursula Wanecki, Doppelgängerin der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel.
© Quelle: -/Dieter Menne/dpa
Worauf kommt es denn an bei guten Doppelgängern? Das A und O seien die biometrischen Ähnlichkeiten, meint der Agenturchef. „Gesichts- und Kopfform, Augen, Nase, Mund und Ohren sollten schon nahe am Original sein. Wenn dann noch die Größe stimmt, wird es perfekt.“
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Christian Matala stellt den früheren US-Präsidenten Barack Obama dar.
© Quelle: Florstedt
Florstedt sagt, es gehe ja zumeist nur darum, sich zu zeigen und so für Verblüffung zu sorgen. Fürs Reden benötigte man oft noch Stimmenimitierende. Ein russischer Milliardär, erzählt er, bestand vor ein paar Jahren trotz aller Einwände darauf, dass die Merkel-Imitatorin Wanecki auch eine kleine Ansprache auf seiner Geburtstagsparty hält. „Das hat sie dann auch getan – mit ihrer Stimme und in russischer Sprache, die sie beherrscht. Die Gäste lagen flach.“
Ansonsten, seufzt Florstedt vernehmlich, ist der Doppelgängermarkt ziemlich schwierig. „Ich suche Scholz, Habeck, Baerbock, Lauterbach und Lindner. Kennen Sie da jemanden?“