Pariser Stadtzentrum: Kampf den Autos
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/BRJZO7IYFFHEVKWZY7ZIU5JLXA.jpg)
Noch vor knapp zwei Jahr drängten in der Rue de Rivoli im Zentrum von Paris drängelten Autos auf zwei Spuren über die Straße. Nun können sich hier Fahrradfahrer regelrecht austoben.
© Quelle: legna69/Istockphoto
Paris. Wer schon etwas länger nicht mehr in der Pariser Rue de Rivoli war, der wird sie kaum wiedererkennen. Jene Straße, die vom Bastille-Platz vorbei am Louvre bis zum Concorde-Platz verläuft, gehörte zu den meistbefahrenen der Stadt, es lärmte und ratterte nur so den ganzen Tag. Heute nutzen überwiegend Räder und Elektroroller die Fahrspuren. Und ein paar Taxis und Busse fahren noch. Doch es ist so still, dass man manchmal sogar die Vögel zwitschern hört.
Was eigentlich zunächst nur für die Zeit der Coronavirus-Pandemie gelten sollte, hat sich dauerhaft etabliert. Seit einigen Jahren schon sind zudem die unteren Seine-Ufer für den Autoverkehr gesperrt und für Flaneure, Rad- und Rollerfahrer reserviert. Schrittweise greifen Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge. Der Streit mit Automobilverbänden und der konservativen Opposition über diese Maßnahmen prägte die erste Amtszeit von Bürgermeisterin Anne Hidalgo.
Zentrum soll für den „Transitverkehr“ gesperrt werden
Vor einem Jahr wurde die Sozialistin wiedergewählt – und will nun noch weiter gehen mit der Schaffung einer „verkehrsberuhigten Zone Paris-Zentrum und Saint-Germain“. Sie plant, die ersten vier Arrondissements (Stadtbezirke) – sie umfassen das Marais, die beiden Seine-Inseln und reichen fast bis zur Alten Oper – sowie einen Bereich unterhalb des Boulevard Saint-Germain auf der anderen Seite der Seine für den „Transitverkehr“ zu sperren. Rund die Hälfte der 180.000 Autos, die täglich durch die betroffene Zone rauschen, wären betroffen.
Vom Fahrverbot ausgeschlossen bleiben Anwohner, Taxis, Kranken-, Polizei- und Feuerwehrwagen, aber auch Handwerker, Händler und Lieferanten. Es stehe nicht zur Debatte, „den Verkehr ganz abzuschaffen“, beschwichtigt David Belliard, der Chef der Grünen im Stadtrat, mit denen Hidalgos Sozialisten eine Koalition bilden. Das Zentrum sei besonders gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden und nur ein Drittel der dortigen Einwohner besitzen ein eigenes Auto – gegenüber zwei Drittel im Großraum Paris. Einer Studie der Zeitschrift „The Lancet Planetary Health“ zufolge gehört Paris zu den vier europäischen Städten, in denen am meisten Menschen an den Folgen der hohen Luftverschmutzung sterben. Die Stadt grüner und sauberer zu machen, ist Hidalgos Hauptthema.
Wurde der 61-Jährigen bislang oft vorgeworfen, ihre Ziele ohne Absprache durchzudrücken, so bemüht sie sich nun um mehr Dialog. Im Internet können Bürger noch bis Oktober ihre Meinung etwa zu den genauen Konturen der betroffenen Zone oder zum Umgang mit Touristenbussen abgeben – grundsätzlich wird die Frage nach Für und Wider der Sperrungen allerdings nicht gestellt.
Sorge vor weiter steigenden Immobilienpreisen
Die Pläne bringen die Opposition in Rage. So warnt die bürgerliche Stadtteilbürgermeisterin Florence Berthoud vor Verkehrsproblemen an anderer Stelle: „Dafür bezahlen werden diejenigen, die sich an der Peripherie befinden.“ Berthouds Parteifreundin Nelly Garnier verweist auf die 900.000 Menschen, die in Normalzeiten täglich in die französische Hauptstadt pendeln, um zu arbeiten: „Eine Hauptstadt lebt von Tausenden Verbindungen, von Strömen, die nicht gekappt werden können.“ Durch eine Sperrung drohe das Zentrum noch touristischer zu werden, während die Außenbezirke mehr und mehr das Nachsehen hätten.
Es könnte auch Auswirkungen auf die ohnehin hohen Immobilienpreise im Stadtzentrum geben, glaubt Delphine Herman, Gründerin der Immobilienplattform Homelyoo: „Das wird die Zahl der Touristen erhöhen und damit das Interesse von Investoren, sich auf kleine Wohnungen zu stürzen, um diese an Urlauber zu vermieten.“ Die Stadtverwaltung argumentiert, es gehe um eine umfassende Umgestaltung des öffentlichen Raums und die dauerhafte Senkung des Autoaufkommens: Der Verkehr gehe um 5 Prozent pro Jahr zurück.
Ob Anne Hidalgo ihre zweite Amtszeit im Pariser Rathaus zu Ende bringt, erscheint derweil unklar: Im Herbst will sie entscheiden, ob sie bei der Präsidentschaftswahl 2022 antritt. In diesem Fall braucht sie eine gute Bilanz.