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Briefe vom Mond

Warum sich Herr P. von seinen wertvollen Umschlägen trennt

Einer von offizell lediglich 300 Mondbriefen der Apollo-15-Mission. Er trägt die Unterschriften der Astronauten Worden, Scott und Irwin sowie die Stempel vorm Start und nach der Landung. Einer von nur 300 existierenden Belegen dieser Apollo-Mission, hier Nummer 246.

Einer von offizell lediglich 300 Mondbriefen der Apollo-15-Mission. Er trägt die Unterschriften der Astronauten Worden, Scott und Irwin sowie die Stempel vorm Start und nach der Landung. Einer von nur 300 existierenden Belegen dieser Apollo-Mission, hier Nummer 246.

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Berlin. Herr P. kann sich gar nicht mehr so recht erinnern, wann er sich entschlossen hatte, die beiden Briefumschläge zu erwerben. Der Mann aus einem kleinen Dorf im Hochtaunus ist schon seit Ewigkeiten Sammler, wie er sagt. Vor allem die Raumfahrt, die hatte es ihm bei den Motiven angetan.

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Herr P. blätterte damals „vielleicht 4000 oder 5000 D-Mark für jeden“ bei einem großen Briefmarkenhändler hin, erzählt er. „Es war eine Stange Geld, aber diese Briefe, die waren es mir wert. Es ranken sich ja so viele Geschichten um sie.“

Der ältere Herr, der – „weil ich in einem kleinen Ort lebe“ – lieber anonym bleiben will, untertreibt. Die sogenannten Mondbriefe der Apollo-15-Mission sind Teile eines handfesten Skandals um die Astronauten David Scott, James Irwin und Alfred Worden.

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Deutsche im Spiel

Medien schrieben später von der „Briefmarkenaffäre von Apollo 15″. Verwickelt darin waren auch ein Amerikaner deutscher Herkunft und ein deutscher Briefmarkenhändler.

Es war nicht ungewöhnlich, dass Nasa-Astronauten persönliche Gegenstände mit auf ihre Raumflüge nahmen. Sie sollten nur hinterher nicht als kommerzielle Souvenirs verkauft werden. Allerdings war es nicht unüblich, Sonderumschläge und Ähnliches im staatlichen Auftrag auf solche Missionen mitzuschicken.

Ein Sohn des deutschen Briefmarkenhändlers Hermann Sieger hatte die Idee für den Deal. Er kannte einen Deutsch-Amerikaner, der als Zulieferer für das Kennedy Space Center arbeitete und viele Astronauten zu seinen Bekannten zählte. Er sollte den lohnenden Vorschlag vermitteln: Briefumschläge und Briefmarken zum Mond zu bringen und danach zu verkaufen.

7000 Dollar als Sparbuch

Die Mannschaft von Apollo 15 willigte unter Bedingungen ein. Diese Briefe, legten sie fest, sollten bis zum Ende des Apollo-Programms aufbewahrt und anschließend nur privat angeboten werden. Im Gegenzug sollte jeder der drei Astronauten 7000 Dollar in Form von Sparbüchern angelegt bekommen. Sie beschlossen für sich, weitere Umschläge mit zum Mond zu nehmen.

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Sämtliche Gegenstände mussten jedoch vorher in einer Liste aufgeführt und genehmigt werden. Commander Scott trug jedoch auch 398 ungenehmigte Umschläge in einer Tasche seines Raumanzugs. Sie trugen eine Apollo-11-Sondermarke von 10 Cent, die am Abflugtag im Kennedy Space Center abgestempelt worden war.

Das ist der sogenannte Mondphasenbrief. Er ist nicht so wertvoll wie der andere, denn er kreiste nur um den Mond und war nicht mit den Astronauten auf dem Erdtrabanten.

Das ist der sogenannte Mondphasenbrief. Er ist nicht so wertvoll wie der andere, denn er kreiste nur um den Mond und war nicht mit den Astronauten auf dem Erdtrabanten.

Als Apollo 15 am 26. Juli 1971 startete, führten die Astronauten 243 genehmigte Briefumschläge bei sich, darunter auch einen, der auf dem Mond von Scott abgestempelt wurde. Weitere, ebenfalls genehmigte 144 Umschläge wurden von Worden transportiert.

Unterschrift auf dem Weg nach Houston

Das Prozedere lief dabei so ab: Nach der Landung von Apollo 15 am 7. August 1971 im Pazifik wurden die Astronauten an Bord der USS „Okinawa“ gebracht. Dort klebten sie auf alle mitgenommenen Umschläge zwei 8-Cent-Marken, die vom Postamt des Schiffes noch am selben Tag abgestempelt wurden. Somit trugen die Umschläge Datumsstempel von Start- und Landetag der Mission.

Scott, Worden und Irwin signierten die genehmigten Umschläge auf dem Flug von Hawaii nach Houston. Auf den ungenehmigten Umschlägen wurde später handschriftlich hinzugefügt „Gelandet bei Hadley, Mond, 30. Juli 1971, Dave Scott, Jim Irwin“.

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Zertifikat mit eidesstattlicher und notarieller Versicherung der drei Astronauten Worden, Scott und Irwin, dass der Brief auf dem Mond war. Einer von nur 300 offiziellen Belegen dieser Apollo-Mission, hier Nummer 246.

Zertifikat mit eidesstattlicher und notarieller Versicherung der drei Astronauten Worden, Scott und Irwin, dass der Brief auf dem Mond war. Einer von nur 300 offiziellen Belegen dieser Apollo-Mission, hier Nummer 246.

Die 100 Umschläge, die dem deutsch-amerikanischen Zulieferer für den Händler In Deutschland versprochen waren, bekamen noch ein maschinengeschriebenes Zertifikat, „Hiermit wird bestätigt, dass dieser Umschlag an Bord der Falcon war in den Hadley Apenninen, Mond, 30. Juli bis 2. August 1971″, das von einem Notar unterschrieben wurde.

Mondbriefe: Ärger für Astronauten

Doch letztlich ging vor allem für die Astronauten alles schief. Der Deutsche hatte bis November 1971 bereits 99 Umschläge zu einem Durchschnittspreis von 4850 D-Mark verkauft. Angeblich wusste er nichts von der Festlegung, bis zum Ende des Apollo-Programms mit dem Verkauf zu warten.

So nahm der Ärger seinen Lauf. Die Nasa leitete 1972 eine förmliche Untersuchung ein, danach mahnte die US-amerikanische Raumfahrbehörde die drei Astronauten ab und bescheinigte ihnen „mangelndes Urteilsvermögen“.

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Die aktive Raumfahrtkarriere für Scott, Worden und Irwin war damit beendet. Bis dahin waren sie noch als Ersatzteam für den letzten Mondflug Apollo 17 vorgesehen gewesen. Übrigens: Sie sollen am Ende doch kein Geld von den Deutschen angenommen haben.

Die Apollo-15-Mannschaft (von links): Commander David R. Scott, Alfred M. Worden und James B. Irwin.

Die Apollo-15-Mannschaft (von links): Commander David R. Scott, Alfred M. Worden und James B. Irwin.

Von nun an waren jedenfalls pro Astronaut nur noch zwölf Gegenstände mit einem Gesamtgewicht von weniger als 230 Gramm erlaubt. Die Gegenstände mussten vom Nasa-Chef genehmigt werden und durften keinesfalls kommerziell verwendet werden. Die Liste der Gegenstände wurde nach dem Flug veröffentlicht.

Mondphasenbrief

Am 21. und 22. April 2023 kommen nun beim Briefmarken-Auktionshaus Rauhut & Kruschel in Mülheim an der Ruhr zwei der offiziell genehmigten Umschläge unter den Hammer. Ein Mondbrief wird für 5000 Euro Einstandsgebot aufgerufen, der andere für 2500. Es sind die beiden Mondbriefe von Herrn P.

Warum so unterschiedliche Preise? „Ja, wissen Sie, der teurere Umschlag, der war tatsächlich auf dem Mond“, erläutert P. sachkundig. „Der andere, mit den Mondphasen vorn drauf, der kreiste nur um den Mond und ist deshalb billiger. Er heißt Mondphasenbrief.“

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Der Inhaber des Auktionshauses, Harald Rauhut, preist seine Angebote als „ungewöhnlich und selten“. Tatsächlich kann er Mondbriefe das erste Mal in seiner Laufbahn als Auktionator anbieten. „Ich glaube, sie sind auch für Kundenkreise interessant, die über Briefmarkensammler hinausgehen“, sagt er.

11.000 Euro bei Auktion in Hamburg

Bislang ist noch niemand reich geworden an den Umschlägen. Derzeit werden sie für 5800 Euro bei Ebay gehandelt. Immerhin: 2019 wechselte ein Mondbrief bei einer Versteigerung in Hamburg für 11.000 Euro den Besitzer. Der anonyme Bieter stammte aus Asien. Das Einstiegsgebot lag bei 7500 Euro.

Im selben Jahr jedoch blieb bei einer Auktion in Stuttgart ein Mondbrief liegen. Das Einstiegsgebot hatte bei astronomischen 22.000 Euro gelegen.

Doch warum eigentlich lässt Herr P. seine „wertvollsten Stücke“, wie er selbst sagt, nun versteigern? Ganz einfach, meint er. „Im Juni werde ich 82 Jahre alt, und nun ordne ich meine Dinge. Ich hatte meine Freude an den Briefen. Sollen sie doch anderen auch noch Freude machen.“

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