Leipziger Demo gegen Corona-Maßnahmen: Hunderte Verfahren wegen Straftaten
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Teilnehmer einer Kundgebung von Kritikern der Corona-Maßnahmen der Bundesregierung werden von der Polizei festgesetzt.
© Quelle: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbil
Leipzig. Ein Jahr nach der Eskalation bei einer Demonstration der „Querdenker“-Szene in Leipzig haben in der sächsischen Stadt wieder einige tausend Menschen gegen Corona-Maßnahmen protestiert. Dabei kam es am Samstag immer wieder zu Rangeleien, als Demonstranten versuchten, Polizeiketten zu durchbrechen. „Vereinzelt wurden Einsatzkräfte mit Gegenständen beworfen und mit Reizstoff besprüht“, informierte Polizeisprecher Olaf Hoppe. Anders als vor einem Jahr gelang es aber, den nicht genehmigten Demonstrationszug über den geschichtsträchtigen Leipziger Ring zu verhindern. Dennoch wurden Hunderte Verfahren wegen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten aufgenommen.
„Das Ziel, einen nicht genehmigten Aufzug zu verhindern, wurde konsequent umgesetzt“, bilanzierte die Polizeidirektion Leipzig. Sie wurde dabei von Kollegen aus sieben anderen Bundesländern und der Bundespolizei unterstützt. Auch waren drei Wasserwerferstaffeln vor Ort.
Leipzigs Oberbürgermeister verurteilt die Proteste scharf
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) hat die Proteste scharf verurteilt. „Spätestens seit gestern muss allen klar sein, dass die sogenannte Querdenker-Bewegung nicht nur die Begleitung von rechtsextremistischen Kreisen in Kauf nimmt, sondern sich kalkuliert gewalttätig unterstützen lässt“, erklärte er am Sonntag. Es gebe keinerlei Berührungsängste zur radikalen Rechten und man verbünde sich sogar offen mit Neonazis. „Diese unsäglichen Proteste sind antidemokratisch unterwandert, verletzen bewusst die Regeln und Gesetze und sind Ausdruck einer egoistischen, unsolidarischen Haltung.“
Für die Demonstration war überregional mobilisiert worden. Beobachter sprachen von einer angespannten Stimmung. Teilnehmer versuchten wie vor einem Jahr den Gang über den geschichtsträchtigen Ring zu erzwingen. Etliche Teilnehmer hatten Kerzen in den Händen. Die Polizei hatte jedoch die Straße abgesperrt und wurde von den Demonstranten ausgebuht. Zeitweise zogen einige hundert Teilnehmer durch die Innenstadt. Sie wurden von der Polizei gestoppt beziehungsweise eingekesselt.
„Bewegung Leipzig“ hatte zur Demo aufgerufen
Die „Bewegung Leipzig“ hatte zur Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen aufgerufen. Ursprünglich war sie für 3000 Teilnehmer angemeldet samt Zug über den Leipziger Ring. Wegen der verschärften Corona-Lage in Sachsen sind aber nur noch stationäre Kundgebungen mit maximal 1000 Teilnehmern zulässig. Schon am frühen Nachmittag wurde der Versammlungsort abgeriegelt, weil diese Zahl erreicht war. Jedoch hielten sich außerhalb noch viele weitere Anhänger auf. Die Polizei versuchte daraufhin weitere Demonstranten auf eine alternative Fläche umzuleiten.
Am 7. November 2020 hatte es eine „Querdenken“-Demonstration mit mindestens 20.000 Teilnehmern in Leipzig gegeben. Auch damals war ein Zug über den Leipziger Ring nicht gestattet. Nachdem die Kundgebung wegen zahlreicher Verstöße gegen Auflagen aufgelöst worden war, hatten jedoch Tausende den Gang über den Ring erzwungen. Der Ring war der Ort der Montagsdemonstrationen während der friedlichen Revolution 1989, die zum Ende der DDR geführt hat.
Mehr als 600 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten aufgenommen
Am Rande der Demonstrationen wurden nach einer vorläufigen Bilanz 48 Straftaten und mehr als 600 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten aufgenommen. Gegen 43 Beschuldigte werde etwa wegen Beleidigung, Körperverletzung, Angriffs auf Polizisten, Landfriedensbruchs oder Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt, informierte Polizeisprecher Hoppe am Sonntag. Ein Unbekannter habe einem Polizisten Reizgas unter das Visier seines Helmes gesprüht. Der Beamte erlitt Augenverletzungen und wurde ins Krankenhaus gebracht. Fünf weitere Polizisten wurden bei dem Einsatz verletzt, waren aber weiter dienstfähig. In einem Fall wird wegen Körperverletzung im Amt ermittelt.
Den Angaben nach wurden zudem am Samstag mehr als 300 Platzverweise ausgesprochen. 24 Personen der rechten Szene seien in Gewahrsam genommen worden. Weil sich zahlreiche Demonstranten an mehreren Stellen zu Aufzügen formiert hätten und gegen die Corona-Verordnung verstießen, wurden laut Polizei zeitweise mehr als 500 Menschen festgesetzt und kontrolliert.
Zunehmend aggressive Stimmung
Eine zunehmend aggressive Stimmung beobachten Ermittlungsbehörden unterdessen auch gegen Impf-Ärzte. Das Bundeskriminalamt schätzt „Impfgegner oder Corona-Leugner“ als „relevantes Risiko“ im Zusammenhang mit Angriffen auf Impfzentren oder Arztpraxen ein. Für das „dort tätige Personal besteht die Gefahr, zumindest verbalen Anfeindungen bis hin zu Straftaten“ wie etwa Körperverletzung ausgesetzt zu sein, teilte das Bundeskriminalamt der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ mit. Genaue Zahlen gibt es zwar noch nicht. In vielen Fällen ermittelt aber der Staatsschutz.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, bestätigte der Zeitung die Bedrohungslage. Er erklärte, die Entwicklung sei Teil einer „Hysterisierung der Gesellschaft“, unter der nun das medizinische Personal in den Arztpraxen leiden müsse. Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, monierte, dass insbesondere impfkritische Menschen Arztpraxen zunehmend als „Instrument der Politik“ wahrnähmen.
RND/dpa