Zu Unrecht öffentlich angeprangert

Land Berlin muss nach Razzia mehr als 100.000 Euro Schadensersatz an Bordellbetreiber zahlen

Akten liegen vor einem Prozess in einem Landgericht auf dem Tisch.

Akten liegen vor einem Prozess in einem Landgericht auf dem Tisch (Archivbild).

Berlin. Nach einer Razzia im Berliner Großbordell „Artemis“ muss das Land Berlin mehr als 100.000 Euro Schadensersatz an die beiden Betreiber bezahlen. Das hat das Berliner Kammergericht am Dienstag im Berufungsprozess entschieden. Es sprach den Klägern jeweils 50.000 Euro nebst Zinsen zu. Hintergrund sind Äußerungen der Staatsanwaltschaft bei einer Pressekonferenz im April 2016. Diese seien zum Teil „schuldhaft amtspflichtwidrig“ und vorverurteilend, überzogen und reißerisch formuliert gewesen, begründete die Vorsitzende Richterin Cornelia Holldorf. Die Behörde hatte unter anderem von Verbindungen zur organisierten Kriminalität gesprochen.

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Doch die Vorwürfe fielen nach und nach in sich zusammen. Ende 2018 ließ dann das Berliner Landgericht die Anklage der Staatsanwaltschaft nicht zu. Die Betreiber des Bordells klagten danach auf Schadensersatz von mindestens 200.000 Euro. Sie seien zu Unrecht öffentlich angeprangert worden und hätten materielle Schäden erlitten. Zudem saßen sie vorübergehend in Untersuchungshaft.

Anwalt der Kläger: „Rechtliche Situation eklatant falsch eingeschätzt“

Das Landgericht Berlin hatte jedoch im Januar 2021 keine Amtspflichtverletzung erkannt und die Klage abgewiesen. Die Betreiber akzeptierten das Urteil nicht und zogen vor das Kammergericht. Der zuständige 9. Zivilsenat hatte früh deutlich gemacht, dass das Land aus seiner Sicht Fehler gemacht hat - und dass eine Entschuldigung samt Entschädigung angebracht sei. Das Gericht schlug vor, 25.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen - statt Schadensersatz an die Bordellbetreiber zu leisten. Ein entsprechender Vergleich kam jedoch nicht zustande.

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„Die Vertreter des Landes Berlin haben die rechtliche Situation in diesem Verfahren von Beginn an eklatant falsch eingeschätzt“, meinte der Anwalt der Kläger, Ben M. Irle. Das Land Berlin habe die Chance verpasst, im Rahmen eines Vergleichs „die offensichtlichen und schweren Fehler der Staatsanwaltschaft einzugestehen“. Seine Mandanten erklärten, sie wollten das ihnen zugesprochene Geld spenden zur Behandlung von an Krebs erkrankten Kindern in Berlin. „Uns ging es nie um Geld, sondern immer um unser Recht“, hieß es in einer Erklärung.

Von der Justizverwaltung hieß es: „Wir halten das Urteil des Landgerichts Berlin in erster Instanz weiterhin für zutreffend.“ Im Rahmen der Verhandlung seien lediglich Vergleichsverhandlungen „um des Rechtsfriedens willen geführt worden“. Berlin könne nicht jeden Geldbetrag anerkennen, da es an haushälterische Grundsätze gebunden sei. Das Ressort von Senatorin Lena Kreck (Linke) will prüfen, ob Rechtsmittel dagegen beim Bundesgerichtshof eingelegt werden sollen. Damit sich die Karlsruher Richter mit dem Fall befassen, müssen allerdings rechtliche Hürden überwunden werden.

RND/dpa

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