Inklusion queerer Menschen muss größer gedacht werden
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Menschen beim Christopher Street Day in Potsdam.
© Quelle: IMAGO/Martin Müller
In Berlin soll ein Wohnprojekt für lesbische und queere Frauen im Alter entstehen. Vom „inklusiven Frauen/Lesbenwohnprojekt“ sprechen die Initiatorinnen auf ihrer Website. So eine Wohnform kann einen guten Schutzraum bieten vor Diskriminierung, ja. Aber Inklusion ist das nicht.
Denn Inklusion ist, wenn alle mitmachen dürfen.
Jede lesbische oder queere Frau soll ebenso wie jeder andere Mensch selbst entscheiden dürfen, wie sie wohnt und lebt. Und gerade bei älteren Frauen, die in anderen Zeiten aufgewachsen sind und vielleicht schon viel Diskriminierung erlebt haben, ist es verständlich, wenn sie das Bedürfnis haben, „einfach mal einen Gin Tonic mit Leuten zu trinken, die einen verstehen und denen man nicht erklären muss, warum man keinen Ehemann hat“, wie Verena Diehl aus dem Vorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSDV) Berlin-Brandenburg es so schön im Gespräch mit dem RND formulierte. Wenn sie ihren Lebensabend also lieber mit Gleichgesinnten verbringen möchten, ist das absolut verständlich.
„Inklusion ist nicht Bullerbü“
Nur Inklusion ist es eben nicht. Inklusion wäre es, wenn Menschen, egal ob lesbisch, schwul, trans, non-binär, schwarz, weiß, behindert, nicht behindert (hier können Sie noch viele, viele weitere Eigenschaften einsetzen), zusammen in einem Wohnprojekt für ältere Menschen leben. Oder noch besser: Wenn es auch Menschen jedes Alters wären und nicht nur Ältere.
Einfach ist das natürlich nicht. „Inklusion ist nicht Bullerbü“, sagte Inklusionsaktivist Raúl Krauthausen vor einer Weile im Interview mit dem RND. Und er hat natürlich recht. Dabei ist es egal, ob es nun um die Inklusion behinderter oder queerer Menschen geht. Es gibt viele Hürden, und es ist manchmal weniger anstrengend, sie nicht zu überwinden.
Aber wir, und damit sind nicht nur queere Menschen und Verbände gemeint, sondern wir als Gesellschaft, und gerade auch wir, die selbst keine Diskriminierung erfahren, sollten es dennoch angehen. In diesem konkreten Fall sollten Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft etwa in Altersheime gehen und dort erklären, was LGBTIQ+ und Queersein eigentlich bedeutet, dass es absolut normal ist, als Frau eine Frau zu lieben und das auch offen zu zeigen. Bis wir hoffentlich irgendwann zu dem Punkt kommen, das gar nicht mehr erklären zu müssen.
Das Wohnprojekt ist eine gute Option, aber kein Zukunftsmodell
Aber wenn die Berliner Initiatorinnen von einem „europaweit wegweisenden Projekt“ sprechen, dann reicht eben jenes Wohnprojekt für lesbische Frauen nicht. Solche Wohnprojekte sind eine gute Option, einen Schutzraum für Diskriminierte zu schaffen, auch einen Ort der Begegnung für eine Minderheit, doch sie sind das einzige Zukunftsmodell dafür, wie lesbische und queere Frauen wohnen können.
Dafür müssen wir größer denken. Und daran arbeiten, dass jeder Wohnort zu „einer diskriminierungsfreien und nachbarschaftlichen Umgebung“ wird, nicht nur ein einzelnes Wohnprojekt in Berlin.