TV-Moderator vs. Influencer

Hat Jan Böhmermann mit seinen Vorwürfen gegen Fynn Kliemann überzogen?

Moderator Jan Böhmermann (links) und Influencer Fynn Kliemann.

Moderator Jan Böhmermann (links) und Influencer Fynn Kliemann.

Das Leben ist kein Ponyhof. Oder? Für Fynn Kliemann galt das lange Zeit nicht. Der heute 35-jährige Youtuber, Webgestalter und Musiker hatte sich im norddeutschen Rüspel mit dem Kliemannsland seinen Ponyhof geschaffen – gemütlich, kreativ und geschäftssinnig. Dann wurde er bekannt.

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Als Kliemann schon lange sechsstellige Abonnentenzahlen auf seinem ersten Youtube-Kanal hatte, entdeckten ihn endlich auch die Öffentlich-Rechtlichen und spannten ihn ein, um Boden bei jungen Menschen gutzumachen.

Kliemanns Erfolg wurde ihrer – und umgekehrt. Die Betriebskosten des Kreativprojekts Kliemannsland wurden bis 31. Juli 2020 durch Erlöse der für den NDR produzierten gleichnamigen Webserie von „Funk“ mitfinanziert.

Kliemann wurde – vielleicht ein bisschen widerwillig – zum Medienunternehmer. Ihn muss jedenfalls irgendwann das Gefühl der Unbesiegbarkeit beschlichen haben. Für die Pandemie war er optimal aufgestellt, da komplett online.

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Die Spots waren auf ihn gerichtet, was der junge Mann genoss. „Ich glaube, ich fand es einfach toll, im Rampenlicht zu stehen und von allen gelobt zu werden“, sagte er dem „Spiegel“ vergangenes Jahr.

Kliemann wollte es allen zeigen

Der Liebling der Webgemeinde wollte mehr sein als der chaotische Heimwerker vom Ponyhof. Kliemann wollte zeigen, dass er mehr drauf hat als ein Staat, der kaum imstande war, in der Pandemie Schutzmasken zu besorgen.

Ironie der Geschichte des Flirts mit ZDF und ARD: Jan Böhmermann und das „ZDF Magazin Royale“ legten Kliemannsland mit Betrugsvorwürfen beim Maskenhandel sinnbildlich in Schutt und Asche.

Der TV-Moderator warf dem Influencer vor genau einem Jahr vor, 2020 gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Tom Illbruck in Asien unter fragwürdigen Bedingungen produzierte und mit Kliemanns Namen gelabelte Masken als in Europa hergestellt deklariert zu haben.

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Böhmermanns Recherchierende wollen außerdem herausgefunden haben, dass irrereführende Angaben zu erwirtschafteten Gewinnen von Kliemann und Illbrucks Firma Global Tactics, an der der Webstar beteiligt war, gemacht worden seien.

Als moralisch fragwürdig wurde schließlich dargestellt, dass medienwirksam rund 100.000 Masken an Geflüchtete gespendet worden waren – ohne zu erwähnen, dass es sich um mangelhafte Ware mit verringertem Infektionsschutz handelte. Auch sei die Verwendung von Geldern durch Kliemann nicht korrekt angegeben worden.

Betrugsverdacht gegen Kliemann

Kliemann, der hoch gestiegen war, musste in der Folge verstehen lernen, wie fragil und kurzlebig Erfolg sein kann – und wie tief sein Fall. Seine Fans wandten sich von seinen Kanälen im Netz ab und schrieben hässliche Kommentare. Der Ehrenpreis, den Kliemann 2020 für die Maskenproduktion im Rahmen des Deutschen Nachhaltigkeitspreises erhalten hatte, wurde ihm wieder aberkannt. Vorwurf: unlautere Methoden und Greenwashing. Im Sommer vergangenen Jahres wurde er schließlich als Geschäftsführer der Kliemannsland GmbH abberufen.

Schlimmer noch: Die Staatsanwaltschaft begann wegen Betrugs gegen Kliemann und Illbruck zu ermitteln. Spätestens jetzt war der Ruf des guten Menschen von Rüspel dahin. Kliemann stand für große Teile der Öffentlichkeit als gewissenloses Schlitzohr da.

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Doch ist dieses Bild nach folgenlosen Ermittlungen überhaupt richtig? Waren die Vorwürfe Böhmermanns überzogen? Hat sich Kliemanns Fangemeinde zu Unrecht von ihm abgewandt?

Verfahren eingestellt

So einfach ist das nicht. Fakt ist jedoch: Nach Prüfung der Justiz haben weder Kliemann noch Illbruck aus strafrechtlicher Sicht illegal gehandelt. Die Staatsanwaltschaft Stade hat das Ermittlungsverfahren gegen den Ex-Geschäftspartner Kliemanns ohne Auflage eingestellt.

Zuvor hatte die Behörde bereits im März das Verfahrenen gegen Kliemann im Zuge einer gemeinnützigen Zahlung von 20.000 Euro eingestellt. Rechtlich liegt also gegen beide Männer nichts mehr vor.

Letztlich wird aber bei früheren Kliemann-Fans das Gefühl bleiben, von einem Mann, dem sie eigentlich nur Gutes zutrauten, übertölpert worden zu sein. Vielleicht ist das genauso naiv wie Kliemanns Gebaren als Geschäftsmann.

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Ihm zumindest hätte jedoch klar sein müssen, dass mit seinem Erfolg auch seine Verantwortung gewachsen ist. Stattdessen hat er wie der Kindskopf gehandelt, als der er sich gern ausgibt.

Dabei muss Kliemann, das jedenfalls geht aus veröffentlichten Chatverläufen mit Geschäftspartnern hervor, häufig geahnt haben, dass er sich mit seinen Maskendeals gerade auf dünnem Eis bewegt. Er gab sich als Wohltäter und wusste gleichzeitig, dass er mit den unter seinem Namen verkauften Masken eine Menge Geld verdienen wird.

Kliemann im Chat: „Krise kann auch geil sein“

„Krise kann auch geil sein“, hat Kliemann einem Partner geschrieben. Genau mit diesem Denken hat sich Kliemann letztlich selbst an den Pranger gestellt – übrigens ähnlich wie manche Politiker und andere Unternehmer, die zu dieser Zeit in ihrer Geldgeilheit ebenfalls völlig ihren ethischen Kompass verloren hatten.

Kliemann muss also begreifen, dass es nicht nur Recht und Unrecht im juristischen Sinne gibt, sondern auch richtige und falsche Entscheidungen im Leben. Sein Publikum lernt vielleicht daraus, niemandem mehr bedingungslos zu folgen. Insofern waren Böhmermanns Veröffentlichungen richtig und wichtig.

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Das Leben ist eben doch kein Ponyhof.




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