Forstexperte zu Waldbränden: „Da gibt es keine Bekämpfungsmöglichkeiten mehr”
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Feuerwehrleute versuchen die Waldbrände im italienischen Porto Badisco Badeort an der Adriaküste einzudämmen.
© Quelle: Vigili del Fuoco/dpa
Freiburg. Wer Fragen zu Wäldern hat, ruft bei Jürgen Bauhus an. Als Forstwissenschaftler der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg kennt er sich mit der komplexen Beschaffenheit der Ökosysteme aus – und weiß, welche Folgen die aktuellen verheerenden Brände in Südeuropa für die Wälder haben. Im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland erklärt er, welche Schutzmechanismen Bäume selbst entwickelt haben – und warum diese bei Mega-Feuern aber nicht mehr greifen.
Heftige Brände in Algerien, der Türkei, in Italien und Griechenland geraten derzeit immer wieder außer Kontrolle. Was geschieht mit den Wäldern, wenn solch ein Feuer wütet?
Es gibt Wälder, die sich in ihrer Evolution durchaus an Feuer angepasst haben. Solche findet man im Mittelmeerraum, ebenso wie in Südamerika oder Australien. In temperierten Wäldern wie bei uns in Deutschland gibt es eine solche Co-Evolution mit dem Feuer nicht. Doch kommt es durch den Klimawandel und direkte menschliche Einflüsse häufiger zu intensiven Waldbränden, wie wir sie derzeit in der Türkei, Griechenland oder Italien erleben.
Die Intensität der Feuer hängt neben den Witterungsbedingungen auch von den Mengen brennbaren Materials, wie zum Beispiel Unterwuchs und tote Äste, ab. Wenn man in kühleren Jahreszeiten dieses Material kontrolliert abbrennt, wird die Brandgefahr insgesamt niedrig gehalten und trotzdem entstehende Feuer steigen nicht so schnell in die Baumkronen, was verheerend sein kann. Kronenfeuer erreichen nämlich schnell einen Zustand, in dem man sie nicht mehr bekämpfen kann.
Wovon hängt es ab, ob sich ein Feuer auf dem Boden oder in den Kronen ausbreitet?
Wenn Wind das Feuer anfacht, klettert es viel leichter in die Kronen. Wenn ich dazu viele tote Äste an einem Baum habe, oder eine Strauchschicht, klettert so ein Feuer noch schneller hoch. Im Mittelmeerraum sehen wir, dass vielerorts Wälder wieder dichter werden, weil die traditionelle Bewirtschaftung, auch wegen der Landflucht, dort aufgegeben wurde. Auf den von der Landwirtschaft aufgegebenen Flächen, haben sich leicht brennbare Wälder verjüngt. Das war bei den heftigen Bränden vor einigen Jahren in Portugal ein wichtiger Faktor.
Dazu kommt, dass es in vielen Ländern, anders als in Deutschland, keine strikte Trennung zwischen Wald und Siedlungsflächen gibt. Solche Häuser mitten im Wald sind viel schwieriger gegen Brände zu verteidigen. Die Verluste an Menschenleben, an Häusern und Infrastruktur sind dann schnell auch viel größer.
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Forstwissenschaftler Jürgen Bauhus.
© Quelle: Jürgen Bauhus
Wie lange dauert es, bis ein Wald sich von einem Brand erholt?
Das kommt sehr drauf an, welche Baumarten dort standen und inwieweit das Ökosystem im Nachgang noch beeinträchtigt ist. Kiefern beispielsweise gehören zu den Baumarten, die durch ein intensives Feuer abgetötet werden. Aber in den holzigen Zapfen der Kiefern sind die Samen vor der Hitze geschützt. Daraus können sich dann wieder neue Bäume verjüngen und es entsteht dann langsam ein neuer Wald.
Außerdem gibt es Baumarten, die ihre schlafenden Knospen unter der dicken Borke vor Feuer schützen können, zum Beispiel bei der Korkeiche. Selbst wenn bei einem Feuer die ganze Krone abbrennt, können viele dieser Bäume danach wieder austreiben. Mischwälder oder Eichenwälder können daher sehr schnell ihre ökologischen Funktionen wieder aufnehmen.
Machen Sie sich Sorgen um die Wälder?
Absolut. Wir haben in den vergangenen Jahren einige von diesen Mega-Feuern erlebt. Das sind eigentlich Jahrhundertereignisse, die aber innerhalb weniger Jahre in denselben Regionen immer wieder ausbrechen. Das ist sehr besorgniserregend. Wir erleben auch Temperaturextreme, die wir vorher so nicht gekannt haben. Die Feuer sind dann einfach völlig außer Kontrolle. Da gibt es kaum noch Bekämpfungsmöglichkeiten. Dann kann man nur noch versuchen, Menschenleben zu retten. Und das Problem wird in der Zukunft nur noch größer.
Gleichzeitig gibt es nur wenige Länder in der Welt, die technisch so ausgestattet sind, dass sie solche großen Feuer bekämpfen können. Einzelne Länder können zum Beispiel ausreichend große Flotten von Löschflugzeugen nicht dauerhaft vorhalten. Auf europäischer Ebene bräuchten wir daher ein großes mobiles Einsatzteam, um solche Waldbrände zu bekämpfen. Gleichzeitig leistet man durch Brandbekämpfung auch einen großen Beitrag für den Klimaschutz. Wälder, die normalerweise eine Senke für Kohlendioxid sind, werden, wenn sie verbrennen, zu einer enormen Quelle von CO₂, das in die Atmosphäre geht.
Kann eine Wiederaufforstung das in die Atmosphäre entlassene CO₂ wieder senken?
Wenn man wiederbewaldet, kann man dies wenigsten zum Teil wieder zurückdrehen. Aber dann sollte man den Wald mit Baumart-Mischungen aufforsten, die feuerresistenter sind. Gleichzeitig sollte man eine bessere Planung auf Landschaftsebene machen. Das ist, was vielen Orten fehlt, auch in Europa.
Man kann eigentlich nur auf Landschaftsebene verhindern, dass sich Waldbrände unkontrolliert ausbreiten. Breite Schneisen und waldfreie Streifen können zum Beispiel verhindern, dass sich Brände weiter ausbreiten und bieten Ansatzpunkte für ihre Bekämpfung. Auch Streifen mit Baumarten, die nur schwer entflammbar sind, werden verwendet, um eine Art grünen Brandschutzgürtel zu bilden. Auch Löschstellen mit Wasser für Einsatzfahrzeuge müssen auf Landschaftsebene etabliert werden.
Bäume brauchen lange Zeit zum wachsen – eine schnelle Lösung bei Wäldern ist also jahrzehnteweit entfernt. Ist das ein Grund, warum eine Planung auf Landschaftsebene auf wenig Gegenliebe stößt?
Wir sind in der Forstwirtschaft daran gewöhnt, dass wir immer in die Zukunft investieren. Da muss man einfach einen langen Atem haben. Beim Klimaschutz haben wir in letzter Zeit sehr viel über Generationengerechtigkeit gesprochen. Das ist bei der Klimaanpassung in den Wäldern genauso. Auch hier geht es um Generationengerechtigkeit. Wir müssen uns und unsere Ökosysteme so an den Klimawandel anpassen, dass zukünftige Generationen die gleichen Optionen haben, diese Systeme zu nutzen. Sei es für den Klimaschutz, Biodiversität oder die Nutzung von Holz. Das ist eine Diskussion, die wir so noch nicht geführt haben.
Und so verhindern, dass wir mehr Wald verlieren?
Genau, damit der Wald noch seine Funktionen ausüben kann, die wir uns wünschen oder brauchen – wie zum Beispiel beim Klimaschutz. Ein abgebrannter Wald kann das nicht.
Immer wieder kann man lesen, dass viele Feuer durch Brandstiftung oder zumindest fahrlässiges Verhalten gelegt werden. Sind Bürgerinnen und Bürger unachtsam geworden?
Es gibt da sehr viel Naivität, Unwissen und Unachtsamkeit. Viele Leute realisieren die Gefahr überhaupt nicht. Ich habe das selbst während der Extremsommer im Schwarzwald gesehen, wenn sich Leute trotz höchster Waldbrandwarnung mit ihrem tragbaren Grill in den Wald setzen oder ein Lagerfeuer am See machen. Die können sich überhaupt nicht vorstellen, wie schnell das außer Kontrolle geraten kann.