Eklat im Kühlregal: Edeka schickt AfD-Smoothies an True Fruits zurück
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Abgefüllte Flaschen des Bonner Herstellers True Fruits.
© Quelle: dpa
Hamburg/Bonn. Für die Bundestagswahl im September hat sich der Bonner Smoothiehersteller True Fruits eine besondere Kampagne unter dem Motto „Die Qual der Wahl“ überlegt. Die Glasflaschen sind mit den sechs Bundestagsparteien und einem Auszug aus deren Wahlprogramm bedruckt – auch die Alternative für Deutschland (AfD) ist dabei.
Das gefällt der Supermarktkette Edeka gar nicht. „Danke für eure Lieferung. Die AfD-Flaschen haben wir aber nicht bestellt, die gehen wieder zurück”, schreibt das Unternehmen am Donnerstag bei Facebook. Dazu postet Edeka ein Bild mit der AfD-Flasche und der Botschaft: „Rechts ist bei uns kein Platz im Regal.”
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Auf Anfrage des RedaktionsNetzwerkes Deutschland (RND) erklärt das Unternehmen: „Edeka distanziert sich von den AfD-Flaschen, die ohne unser Wissen vom Hersteller True Fruits in einige Märkte geliefert wurden.” Das Unternehmen werde diese Flaschen an den Hersteller zurücksenden. „Der Edeka-Verbund steht für Vielfalt, Toleranz und die Förderung einer offenen Gesellschaft”, heißt es.
True Fruits kritisiert Edeka
True Fruits reagierte kurze Zeit nach dem Facebook-Post via Instagram. Der Smoothiehersteller kritisiert das Vorhaben der Supermarktkette scharf und schreibt hämisch in einem nachgestellten Edeka-Werbebild: „Für politische Aufklärung ist bei uns kein Platz im Regal!” Dazu heißt es: „Liebe Edeka, ja, wir finden die AfD auch scheiße. Aber Aufklärung ist wichtiger als peinliches Social Signaling, wie ihr es hier versucht. Deswegen haben wir mit unserem Parteiprogrammrätsel auch bewusst alle sechs großen Parteien des Deutschen Bundestags dargestellt, um jedem die Chance zu bieten, zu erkennen, wofür die Parteien stehen. Aber das wusstet ihr ja. Ein Schelm, wer bei eurer Aktion an Populismus denkt! Wir hoffen, dass euer unüberlegter Angriff jetzt wenigstens dazu führt, dass möglichst viele Leute sich mit den Parteien auseinandersetzen und eine überlegte Wahl treffen.” Auf RND-Anfrage verwies True Fruits auf den Instagram-Post als offizielles Statement des Unternehmens.
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True-Fruits-Kunden dürfen rätseln
Auf den Flaschen stehen nicht nur einfach einige Punkte aus dem Wahlprogramm der Parteien. True Fruits hat daraus ein „True-or-false-Spielchen” (Wahr-oder-falsch-Spielchen) gemacht. Insgesamt neun Punkte stehen auf der Flasche, davon sind sieben tatsächlich aus dem Wahlprogramm der jeweiligen Parteien zitiert, zwei hat sich das Unternehmen ausgedacht. Es gilt, die beiden unwahren Punkte herauszufinden. Die Auflösung des Rätsels gibt es gleich unten auf der Flasche. Auf seiner Website geht True Fruits näher auf die Punkte aus den Wahlprogrammen der Parteien, die auf den Flaschen stehen, ein und zeigt die Quellen.
Auf der AfD-Flasche von True Fruits stehen folgende Punkte:
- Deutschland tritt aus der Europäischen Union aus und führt eine nationale Währung ein.
- Die Wehrpflicht für deutsche Staatsbürger wird wieder eingeführt.
- Kinder sind ab zwölf Jahren strafmündig und fallen ab 18 Jahren unter das Erwachsenenstrafrecht.
- Die Einbürgerungsgrenze pro Jahr wird auf 1.500 Migranten festgelegt.
- Die Umsatzsteuer für Medikamente wird von 19% auf 7% gesenkt.
- Die Genderideologie wird abgeschafft, unter anderem durch die Verhinderung von Pädagogik der Gendervielfalt im Kindergarten.
- Im Scheidungsfall wird das Trennungsjahr auf zwei Jahre erweitert, um mehr Ehen erhalten zu können.
- Der Bau neuer Kernkraftwerke wird gefördert und die aktuelle Kernenergieforschung ausgebaut.
- Zur Verbrechensbekämpfung wird eine Gesichtserkennungssoftware eingesetzt.
Die Punkte vier und sieben hat sich True Fruits ausgedacht. Die restlichen sieben Punkte stehen so im Wahlprogramm der AfD. „Die Zitate sind dem jeweiligen Parteiprogramm entnommen (Stand: 30.07.21)”, heißt es auf der Unternehmenswebsite.
Experte ordnet die Strategie von True Fruits ein
Prof. Dr. Jörg Matthes ist Vorstandsmitglied am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften der Universität Wien und besitzt eine Professur für Werbeforschung. Der Experte hat sich den Fall für das RND angeschaut. Ihn überrascht diese Kampagne nicht. „Sie entspricht dem klassischen Muster von True Fruits. Es geht schlicht um Aufmerksamkeit durchgezielte Provokation und wie wir sehen, funktioniert das ziemlich gut. Die potentiellen Kunden von True Fruits werden daran erinnert, wofür die Marke steht: für Provokation und Rebellion”, erklärt Matthes.
Der Experte glaubt, dass die Kampagne die Menschen kurzfristig abschrecken könnte, aber langfristig die Marke True Fruits dadurch eben im Gedächtnis kleben bleibe. „Das ist bei einem Low-Involvement-Produkt (Lebensmittel und Massenprodukte, bei denen keine großen Qualitätsunterschiede feststellbar sind, Anm. d. Red) wie Smoothies sehr wichtig, denn das sind keine Produkte, die den Menschen besonders am Herzen liegen”, erklärt der Werbeforscher. Emotionen seien kurzlebig und verblassen wieder. Matthes: „Wenn man Menschen jedoch nach einem Smoothie fragen würde, würden sicher einige True Fruits nennen. Daher kann sich eine Provokationsstrategie in diesem Segment auf lange Sicht auszahlen.”
Prof. Dr. Matthes: „True Fruits macht das geschickt“
Allerdings gebe es zwei Bedingungen: Laut dem Experten dürften keine extremen emotionalen Reaktionen hervorgerufen werden, wie beispielsweise Ekel. „Das heißt, auch die Provokation hat Grenzen”, sagt er. Zweitens müsse es immer eine gewisse Abkühlungszeit geben, in der die Emotionen wieder verblassen. Wird die negative Emotion permanent aufrechterhalten, dann kann sie der Marke schaden. „True Fruits macht das geschickt. Es ist eine wohl dosierte Provokation, die immer mal wieder kommt, aber nie ständig da ist”, meint Matthes.
Die Reaktion von Edeka sei laut dem Experten selbst eine gezielte Marketingkampagne. „Edeka spielt das Spiel mit und ist dadurch selbst in aller Munde. Das ist auch die Absicht. Für beide Marken ist es daher eine gewisse Win-win-Situation.” Edeka könne sich als moralisch überlegen positionieren, was generell für eine Supermarktkette schwierig sei. True Fruits habe den gewünschten Aufmerksamkeitseffekt, der ohne die Reaktion von Edeka nur halb so groß wäre. „Und über beide wird gesprochen, beide reiben sich die Hände”, betont Matthes.
Debatte in den sozialen Netzwerken
In den sozialen Netzwerken entfacht der Fall hitzige Diskussionen. Kommentare finden sich in beide Richtungen. „Das Marketing von True Fruits überschreitet nun schon wieder den Guten Geschmack... Sie ist unangemessen, wenig zeitgemäß und rassistisch! Edeka tut gut daran, die AfD-Flaschen aus dem Sortiment zu nehmen... Und meine ganze Hochachtung hätte das Unternehmen, wenn man True Fruits komplett auslisten würde”, schreibt ein Facebook-User. „Cancel Culture in Reinform. Lassen Sie mich raten, ‚Die Linken‘ haben Sie wahrscheinlich im Regal? Sehr inkonsequent und lächerlich”, meint ein anderer Nutzer.
True Fruits eckt immer wieder an
Es ist nicht das erste Mal, dass True Fruits mit seiner Marketingstrategie aneckt. Der Fruchtsafthersteller ist für seine provokanten Werbungen bekannt. Im August 2019 entzündete sich ein Konflikt an einer Onlinewerbung, bei der ein Penis aus Sonnenmilch auf der Schulter einer Frau zu sehen ist. True Fruits hatte damals ein Produkt vertrieben, das zwar ein Fruchtsmoothie war, aber aussah wie Sonnenmilch und in einer entsprechenden Flasche verkauft wurde. Das Unternehmen warf seinen Kritikern Hysterie vor und erklärte, es werde an seiner Werbung festhalten.
Schon 2017 hatte True Fruits einige seiner Smoothies bei einer Plakatkampagne in Österreich mit Slogans wie „Noch mehr Flaschen aus dem Ausland” beworben. Das Bild von einer schwarzen Flasche der Sorte „Smoothie White“ betitelte man damals mit „Schafft es selten über die Grenze“.
True Fruits bezeichnet Kritiker als „Pissnelken“
In einer Stellungnahme bezeichnete True Fruits diejenigen, die daran Anstoß nahmen, als dumm: „Wenn nun genau diese Gruppe von dummen Menschen (ganz egal ob weiß, schwarz, weiblich, männlich, hetero- oder homosexuell, mit Holzbein oder Sprachfehler) meint, ohne mal kurz nachzudenken mit brennender Mistgabel auf die digitalen Barrikaden gehen zu müssen und wie ein pöbelnder Mob Hetze gegen uns zu betreiben, ja dann senden wir ihnen eben ein kräftiges ‚Fuck you!’“. Niemand zwinge die „Zwangsempörten”, den „Kram zu kaufen oder unseren Unterhaltungskanälen zu folgen. Euer Puls wird es euch danken und wir haben unsere Ruhe. Karma tut ihr übriges und alles wird gut. Namaste, ihr süßen Pissnelken“, heißt es damals in dem Statement.