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Nach über 200 Jahren

Australien will Ureinwohnern eine „Stimme“ geben

Australia Day

Australia Day: Dieser Mann kommt in Sydney mit Mitgliedern der australischen Aborigine-Gemeinschaft zu einer Rauchzeremonie.

Um in Australien die Verfassung zu ändern, braucht es ein Referendum. 1967 war die Verfassung auf diese Weise schon einmal geändert worden – damals ging es darum, die indigene Bevölkerung bei Volkszählungen mitzuzählen. Zuvor galten die Ureinwohner nicht als offizielle Bürger Australiens und das, obwohl sie ohne Zweifel die ersten Bewohner des Kontinents waren.

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55 Jahre später will die derzeitige australische Regierung nun erneut positiven Wandel bringen. Es soll eine „indigene Stimme“ etabliert werden, die dem Parlament künftig Vorschläge unterbreiten kann, in denen es um indigene Themen geht. Das Parlament kann dann – unter Berücksichtigung der Verfassung – entscheiden, ob neue Gesetze notwendig sind. Drei neue Sätze sollen dafür in der Verfassung verankert werden.

Um die Verfassung dementsprechend zu ändern, braucht es einen Volksentscheid – etwas, das frühere Regierungen über Jahrzehnte hinaus­gezögert hatten, vielleicht auch, weil seit 1901 nur acht von 44 Volks­entscheiden Erfolg hatten. Ein Scheitern des neuen Referendums wäre nicht zuletzt für Australiens internationalen Ruf katastrophal.

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„Einfache und klare Worte“

Australiens im Mai neu gewählte sozial­demokratische Regierung unter Premierminister Anthony Albanese will ein Referendum nun aber trotz dieses Risikos vorantreiben. Am Samstag verkündete Albanese erstmals den Wortlaut der Referendums­frage, auch wenn er noch kein konkretes Datum für die Abstimmung selbst nannte. So sollen die Australier gefragt werden: „Unterstützen Sie eine Verfassungs­änderung, die eine Stimme der Aborigines und der Torres-Strait-Insulaner etabliert?“ Albanese betonte, er wolle „einfache und klare Worte“ – der jetzige Vorschlag könne aber noch überarbeitet werden. Er stelle nur eine „Grundlage für den Dialog“ dar.

Menschen bei einem Protest von australischen Aborigines nach umstrittenen Aussagen des ehemaligen australischen Premiers Tony Abbot.

Menschen bei einem Protest von australischen Aborigines nach umstrittenen Aussagen des ehemaligen australischen Premiers Tony Abbot.

Die Rede, die in die australischen Geschichts­bücher eingehen wird, hielt der Sozialdemokrat während des berühmten indigenen Garma-Festivals im Arnhem Land im Norden Australiens. Das Arnhem Land ist eine der letzten unberührten Gegenden des Landes, die rein für die dort ansässigen Aborigine-Stämme reserviert sind. Wer die entlegene Region besuchen will, muss vorab eine Genehmigung beantragen. Aufgrund der Pandemie hatte das Garma-Festival in den vergangenen zwei Jahren pausiert. Albanese war der erste Premier­minister seit fünf Jahren, der es wieder besuchte.

Chance mit „Demut und Hoffnung“ angehen

Während seiner Rede ging Albanese auch auf Kritiker des Referendums ein, die warnen, dass eine „indigene Stimme“ nur „ein nettes Stück Symbolik“ wäre, wobei in Wirklichkeit praktische Reformen überfällig seien. Albanese betonte, dass er davon überzeugt sei, dass Australien beides tun könne. „Australien muss sich nicht zwischen der Verbesserung des Lebens der Menschen und der Änderung der Verfassung entscheiden“, sagte er. Er würde „die Risiken eines Scheiterns“ anerkennen, und sehe das Referendum trotzdem als „eine großartige Gelegenheit“ an.

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Albanese sprach weiter davon, dass das Land diese Chance für bedeutsame Veränderungen mit „Demut und Hoffnung“ angehen solle. Die vergangenen 200 Jahre seien „voller gebrochener Versprechen, Verrat, Fehlschläge und Fehlstarts“ gewesen. Allzu oft wäre die Kluft zwischen den Versprechen der Weißen und den wirklichen Taten der jeweiligen Regierungen „so groß wie dieser Kontinent“ gewesen. Doch jetzt verpüre er Hoffnung, da in seinen Augen der richtige Moment gekommen sei.

„Die Worte stimmen mich positiv“

Diese Hoffnung brachte dann auch Djaawa Yunupingu, ein Vorstands­mitglied der lokalen Yothu Yindi Foundation, zum Ausdruck. Yunupingu sprach in seiner Rede zwar auch von den zahlreichen gebrochenen Versprechen, doch er brachte ebenso seinen Optimismus zum Ausdruck, dass sich etwas ändern werde. „Jetzt sind wir im Jahr 2022“, sagte er. „Wir hören die Worte von einem Premierminister, der weiß, wie ernst die Sache ist, und ich gebe ehrlich zu, die Worte stimmen mich positiv.“

Dass den Worten aber auch Taten folgen müssen, zeigte erst in der vergangenen Woche der neueste Closing-the-Gap-Report, der einmal im Jahr über die Fortschritte der indigenen Bevölkerung berichtet. So sind nur vier der insgesamt 17 Ziele auf Kurs: Mehr indigene Babys werden inzwischen mit einem gesunden Geburts­gewicht geboren. Fortschritte konnten auch bei der frühkindlichen Bildung erzielt werden und bei den indigenen Land- und Seerechten. Auch bei den Jugendhaftraten hat sich die Tendenz verbessert.

Doch wenig Erfolg hatte man bisher, die Selbstmordrate in der indigenen Bevölkerung zu reduzieren. Nach wie vor sitzen auch unverhältnis­mäßig viele erwachsene Indigene Haftstrafen im Gefängnis ab und zu viele „First Nations“-Kinder sind in Fremdbetreuung und nicht bei ihren Familien.

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