Zinn und Lithium aus Sachsen – Steht der Bergbau vor einem Comeback?
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Arbeiten für eine Tiefbohrung zur Erkundung einer Zinn-Lagerstätte laufen im Wald bei Tellerhäuser. Das Freiberger Unternehmen Saxore plant im Erzgebirge bei Rittersgrün ein neues Zinn-Bergwerk aufzufahren.
© Quelle: Hendrik Schmidt/dpa
Rittersgrün. Ob Smartphone, E-Auto oder Flachbildschirm – das Metall Zinn wird in der Elektrotechnik gebraucht, aber auch für die Produktion von Bronze und Weißblech. Entsprechend groß ist der Hunger danach in der deutschen Industrie. Und er wird nach Ansicht von Experten global weiter wachsen. Als viertgrößter Verbraucher weltweit hängt Deutschland allerdings an Minen in anderen Ländern. Die größten Zinn-Produzenten waren zuletzt China, Indonesien und Myanmar. Um unabhängiger zu werden, suchen Geologen in Deutschland nach Lagerstätten. Fündig sind sie im Erzgebirge geworden.
Nahe Rittersgrün unweit der Grenze zu Tschechien führt eine rissige Asphaltstraße durch den Fichtenwald. Thomas Bünger, Chef des Freiberger Unternehmens Saxore, zeigt nach rechts: „Die Rampe wird auf dieser Seite sein, das Baustoffdepot dort drüben.“
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Ein Mitarbeiter des Freiberger Unternehmens Saxore zeigt auf seinem Smartphone den virtuellen Eingang in ein neues Bergwerk bei Rittersgrün. Exakt an dieser Stelle soll das reale Mundloch für das neuen Zinn Bergwerk enstehen.
© Quelle: Hendrik Schmidt/dpa
Er spricht von einem Bergwerk, das hier entstehen soll. Um sich das Ganze besser vorstellen zu können, hat das Unternehmen eine Animation ins Internet gestellt. „Wir wollen 2026 die erste Tonne Zinn fördern.“
Im Ergebirge gibt es Silber und Zinn, Kobalt, Arsen, Eisen, Blei, Nickel...
Seit mehr als 850 Jahren wird das Erzgebirge auf der Suche nach Bodenschätzen durchlöchert – der Rohstoffreichtum gab dem Gebirge seinen heutigen Namen. Silber und Zinn wurden hier schon dem Berg abgetrotzt, Kobalt, Arsen, Eisen, Blei, Nickel, Wismut und Wolfram bis hin zu Uran. Seit einigen Jahren rückt die Region erneut in den Fokus von Geologen. Denn gestiegene Rohstoffpreise, der neue Hunger nach Materialien für E-Autos, Solarzellen und Energiespeicher und der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit in der Rohstoffversorgung machen hiesige Lagerstätten wieder attraktiv. Von einem neuen „Berggeschrey“ ist gar die Rede.
Dass viele Hundert Meter unter der Erdoberfläche bei Rittersgrün Zinn lagert, ist länger bekannt. Denn als Geologen nach dem Zweiten Weltkrieg die Region fieberhaft auf Uran für das Atomprogramm der Sowjetunion absuchten, stießen sie auch auf dieses Schwermetall. In der DDR habe es Pläne gegeben, das Vorkommen in den 90er Jahren mit einem Bergwerk zu erschließen, erläutert Bünger. Wegen der Wiedervereinigung und damals niedriger Weltmarktpreise sei dieser Plan dann aber nicht umgesetzt worden.
Bergbauprojekte in Zinnwald, Pöhla, Bergsegen sowie Schleife in der Lausitz
Saxore ist nicht das einzige Unternehmen, das in Sachsen den Erzbergbau wieder aufleben lassen will. Aktuell gebe es gut 20 Erkundungsvorhaben hierzu im Freistaat, sagt Oberberghauptmann Bernhard Cramer. Weitere fünf Vorhaben seien so weit gediehen, dass dort das Recht zu Planung und Betrieb eines Bergwerks vorliege. Dazu gehören neben Rittersgrün Bergbauprojekte in Zinnwald, Pöhla, Bergsegen sowie Schleife in der Lausitz. Neben Zinn geht es dabei hauptsächlich um Lithium und Kupfer aber auch zahlreiche weitere Metalle wie Indium, Silber, Zink, Mangan, Wismut, Wolfram, quasi als Beifang.
Etliche davon werden von der EU als kritisch oder strategisch bewertet. Das heißt, es wird eine stark steigende Nachfrage erwartet, und sie sind für neue Technologien besonders wichtig. Zugleich ist Europa hier besonders abhängig von Importen. Ziel der EU-Kommission ist es, robuste Lieferketten zu etablieren und solche Rohstoffe stärker selbst abzubauen und zu verarbeiten. Dazu werden innerhalb der EU Kapazitäten von 10 Prozent beim Abbau und 40 Prozent in der Verarbeitung angestrebt. Das sieht eine neue Verordnung vor.
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In Deutschland gibt es jedoch nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) seit Anfang der 90er Jahre keinen nennenswerten Abbau von metallischen Rohstoffen mehr. Projekte zur Lithiumgewinnung gebe es hierzulande aktuell auch am Oberrheingraben, berichtet BGR-Fachmann Sören Henning. Dabei gehe es darum, das Lithium aus Wasser der Tiefengeothermie abzuscheiden. Vorhaben zur Förderung von Kupfer würden darüber hinaus auch in Brandenburg, Hessen und Thüringen verfolgt. Und jenseits von Metallen verfüge Deutschland auch über reiche Vorkommen an Fluss- und Schwerspat, die ebenfalls für die Industrie wichtig seien.
Land: „Sachsen ist Bergbauland und soll es auch zukünftig sein.“
Im regionalen Vergleich nimmt das Erzgebirge laut Henning bundesweit eine besondere Rolle ein. Nicht nur wegen seiner nach wie vor großen Vielfalt an Erzen. „Aufgrund der langen Bergbautradition ist die Bevölkerung hier nach wie vor aufgeschlossen gegenüber dem Bergbau und auch das Know-how ist noch da.“ Und Sachsen hat eine eigene Rohstoffstrategie, die die Landesregierung erst voriges Jahr aktualisiert hat. Ziel sei es, die Rohstoffversorgung langfristig zu sichern, heißt es darin und: „Sachsen ist Bergbauland und soll es auch zukünftig sein.“
Die Erkundung einer Lagerstätte kostet aber viel Geld. Global komme auf 100 Erkundungsprojekte am Ende ein Bergwerk, erläutert Oberberghauptmann Cramer. Und bis dahin vergehen oft viele Jahre. Forciert wird dieser Schritt auch in Zinnwald im Osterzgebirge. „Wir machen derzeit noch einmal eine große Bohrkampagne zur detaillierten Erkundung der Lagerstätte und für die Bergwerksplanung“, sagte Torsten Bachmann von der Deutschen Lithium GmbH zum aktuellen Stand. Die Bohrungen dauern bis August. Nach jetzigen Plänen soll ab Ende 2026 das begehrte Lithium gefördert und in der Region aufbereitet werden. Von bis zu 12 000 Tonnen Lithium-Hydroxid ist die Rede, die hier jährlich produziert werden sollen.
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Arbeiten für eine Tiefbohrung zur Erkundung einer Zinn-Lagerstätte laufen im Wald bei Tellerhäuser.
© Quelle: Hendrik Schmidt/dpa
Anders als Lithium wird Zinn von der EU nicht als kritischer Rohstoff eingestuft. Die BGR bewertet die Versorgung als gesichert, verweist aber auf erhebliche Preissprünge. Eigene Lagerstätten zu erschließen, sei immer Importen vorzuziehen, so die Experten. Demnach wurden in Deutschland zuletzt gut 16 000 Tonnen Zinn jährlich benötigt – ein Anteil von 4,3 Prozent weltweit. Die Internationale Zinn-Vereinigung mit Sitz im Vereinigten Königreich geht von steigender Nachfrage aus. Den zusätzlichen Bedarf schätzt sie aufgrund des technologischen Fortschritts bis 2030 weltweit auf mindestens 50 000 Tonnen im Jahr.
Saxore-Chef Bünger: „Zinn wird ein rares Gut bleiben“
„Zinn wird ein rares Gut bleiben“, gibt sich daher Saxore-Chef Bünger überzeugt. Derzeit würden weitere Details zum künftigen Abbau im Rahmen einer Machbarkeitsstudie erarbeitet. „Wir planen damit, circa eine halbe Million Tonnen Erz pro Jahr zu fördern.“ Daraus könnten etwa 3000 Tonnen Zinn gewonnen werden. Geplant sei, das Erz unter Tage zu brechen und zu sortieren; übriges Gestein solle als Baustoff vermarktet oder wieder unterirdisch eingelagert werden, damit keine Halden entstehen. „Unser Anspruch ist, den Fußabdruck über Tage möglichst klein zu halten.“
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Thomas Bünger, Chef des Freiberger Unternehmens Saxore, steht am Ort einer Tiefbohrung zur Erkundung einer Zinn-Lagerstätte im Wald bei Tellerhäuser. Das Freiberger Unternehmen Saxore plant im Erzgebirge bei Rittersgrün ein neues Zinn-Bergwerk aufzufahren. Die erste Tonne Zinn soll 2026 gefördert werden.
© Quelle: Hendrik Schmidt/dpa
Deutschland verbrauche sehr viele Rohstoffe und habe daher auch Verantwortung für den Bergbau und seine Folgen, erklärt Cramer. „Er ist immer eine Narbe, die wir in die Erde schlagen. Aber in Deutschland sind wir in der Lage, mit unseren sehr strengen Umweltgesetzen weltweit den nachhaltigsten Bergbau zu betreiben.“
Doch neben Nachhaltigkeit und dem Wunsch nach Versorgungssicherheit durch heimischen Bergbau: Wird sich der Erzabbau angesichts hoher Umwelt- und Sozialstandards hierzulande überhaupt rechnen? Bünger geht von etwa 100 Arbeitsplätzen im künftigen Bergwerk in Rittersgrün aus. Zuletzt lag der Börsenpreis für Zinn bei 24 000 bis 25 000 US-Dollar je Tonne. Zu diesen Preisen sei ein profitabler Abbau nachweisbar, sagt er. Die Gewinnschwelle kalkuliert er für das Bergwerk bei einem Preis von etwa 20 000 Dollar pro Tonne. Doch der Börsenpreis hat sich in den vergangenen Jahren sehr wankelmütig gezeigt: Wurden für die Tonne Ende Januar 2020 weniger als 15 000 US-Dollar gezahlt, waren es Ende Februar 2022 fast 50 000.
DNN