Warum Sachsens Grüne plötzlich über Migration und Asyl diskutieren
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Eine Gruppe von Personen steht in einer Flüchtlingsunterkunft hinter einem Zaun. Ein neues Memorandum zum Thema Migration von grünen Realpolitikern findet auch im sächsischen Landesverband Anklang.
© Quelle: Daniel Bockwoldt/dpa
Dresden. In Sachsens CDU sind manche überrascht, welche Töne aktuell aus den Reihen der Grünen an ihr Ohr dringen. Bei der Union hat man sich eigentlich daran gewöhnt, dass es innerhalb der schwarz-grün-roten Koalition bei keinem Thema so oft unterschiedliche Ansichten gibt wie beim Thema Migration. Erst unlängst war das gut zu beobachten, als sich die Partner zum Votum der Härtefallkommission und der drohenden Abschiebung des Vietnamesen Pham Phi Son aus Chemnitz positionierten. Da fällt es in der CDU natürlich auf, wenn von den Grünen nun auch die Probleme der Migrationspolitik thematisiert werden.
Auslöser dafür ist ein Papier, das vor einigen Tagen lanciert wurde. Eine Gruppe grüner Realpolitiker mit dem Namen „Vert Realos“ hatte ein Memorandum veröffentlicht, das seine Grundgedanken auf diese Weise zusammenfasste: „Einwanderung steuern! Zusammenhalt in der Gesellschaft sichern!“ Die Realos treibt eine Sorge um: Auch in Deutschland sei ein Rechtsruck zu befürchten, falls Bürgerinnen und Bürger weiter ihr Sicherheitsgefühl einbüßten.
Grüne Realpolitiker fordern Entlastung für die Kommunen
Es geht im Kern des Manifestes um eine neue Ausrichtung der deutschen Einwanderungspolitik: Kommunen müssten von immer neuen Zuweisungen an Asylbewerbern entlasten werden, Asylempfänger sich einordnen in die „geschichtlich gewachsene gesellschaftliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland“. Die Gewährung von Asyl setze zudem voraus, dass Asylbewerber beim Aufnahmeverfahren mitwirken und nicht straffällig werden. „Integration ist eine beidseitige Aufgabe“, heißt es in dem Papier.
Prominente grüne Unterzeichner aus Sachsen finden sich unter dem Papier nicht, einige Kommunalpolitiker haben immerhin unterschrieben. Doch das bedeutet nicht, dass nicht auch im Freistaat die Thesen beim grünen Führungspersonal Anklang finden. Die Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen hat sich entsprechend zitieren lassen.
Franziska Schubert: „Es steht uns gut zu Gesicht“
„Es steht uns Bündnisgrünen, die wir im Bund und in der Mehrzahl der Bundesländer in Regierungsverantwortung sind sowie in zahlreichen Kommunen Verantwortung tragen, gut zu Gesicht, die Realitäten und auch praktischen Probleme anzuerkennen“, sagte Franziska Schubert der „Sächsischen Zeitung“. Beim Thema Rückführung sehe sie ebenso Handlungsbedarf. Es erschwere die Situation vor Ort, wenn Staaten wie Georgien, Marokko oder Algerien ihre Staatsbürger trotz Abkommen nicht zurücknehmen würden. „Man darf sich nicht vor dem Thema scheuen, nur, weil es Rechtsaußen für ihre politische Stimmungsmache benutzen.“
Schuberts Einlassungen fallen deswegen auf, weil aus der Grünen-Landtagsfraktion bislang andere Stimmen zum Thema Migration zu vernehmen waren. Fachpolitikerin Petra Čagalj Sejdi stellt eher die Interessen der Migranten in den Fokus. „Migration muss nicht ,gesteuert‘ werden, Fluchtursachen müssen bekämpft werden. Es geht hier um Menschen, nicht um Straßenverkehr“, twitterte sie beispielsweise am Montag. Einen expliziten Verweis auf die „Vert Realos“ und deren Papier sparte sich Čagalj Sejdi – es dürfte auch so klar gewesen sein, worauf sie anspielte.
Landesverband mit Kritik und Zustimmung
Der grüne Landesverband versuchte sich als Reaktion auf das Papier an einem Sowohl-als-auch: „Humanität statt Abschottung!“, begann er eine Reihe von Tweets zum Thema. Man sehe die Vorschläge „in Teilen“ kritisch. „Vielen Punkten mangelt es an Umsetzbarkeit und konstruktive Ansätze werden vernachlässigt. Dies drängt die so notwendige Sachdebatte an den Rand.“ Dennoch negierte der Landesverband die Probleme vor Ort nicht: „Die akuten Überlastungsanzeigen aus den Kommunen sehen wir & nehmen wir ernst.“ Es brauche eine „bessere Finanzierung, mehr Unterkünfte und mehr Beratungsangebote“.https://twitter.com/gruene_sachsen/status/1628414603464933377?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7Ctwgr%5Etweet
Fürs Erste dürfte die Debatte bei Sachsens Grünen damit eingehegt sein. Zumal auch die derzeitigen Ferien ihren Beitrag dazu leisten, dass die Diskussion nicht allzu hoch kocht. Die Landtagsfraktion hat momentan keine Sitzungen. Ein Anlass, sich in Sachen Migration zu positionieren, dürfte für die Grünen aber rasch zukommen.
Sächsische Kommunen klagen über Belastung
Die sächsischen Kommunen klagen sehr laut über die Belastungen durch hohe Asylbewerberzahlen – und die CDU nimmt das gerne und routiniert auf. In der Union wird man dann genau verfolgen, wie die Grünen sich bei nächster Gelegenheit dazu verhalten.