Antrag zum Parteitag

Grüne Jugend will Sachsens Verfassungsschutz abschaffen – doch geht das überhaupt?

In Sachsen wird darüber diskutiert, das Landesamt für Verfassungsschutz aufzulösen. Die Grüne Jugend hat einen entsprechenden Parteitagsantrag gestellt.

In Sachsen wird darüber diskutiert, das Landesamt für Verfassungsschutz aufzulösen. Die Grüne Jugend hat einen entsprechenden Parteitagsantrag gestellt.

Dresden. Eigentlich soll es beim nächsten Parteitag der sächsischen Grünen hauptsächlich um nachhaltige Wirtschaftspolitik und den Weg zur Landtagswahl 2024 gehen. So sieht es zumindest die Tagesordnung für den 24. und 25. März in Bautzen vor. Als letzter Punkt taucht auf der Liste allerdings ein Antrag der Grünen Jugend auf, der schon im Vorfeld für mehr Furore als der sozial-ökologische Umbau sorgt.

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„Für echte Sicherheit in Sachsen: Verfassungsschutz abschaffen, Polizei entmachten“ lautet die Forderung des Parteinachwuchses, der auf der jüngsten Vorstandssitzung beschlossen wurde. Die Landesversammlung – so heißen Parteitage bei den Grünen offiziell – möge sich diesem Ansinnen anschließen, heißt es. Der zentrale Vorwurf lautet: Der Nachrichtendienst übe seine „weitreichenden Befugnisse zur Überwachung ... überwiegend unkontrolliert“ aus und trage „massenweise Daten über Menschen zusammen“.

Länderdienste müssen per Gesetz mit Bund zusammenarbeiten

Doch lässt sich ein Nachrichtendienst überhaupt auflösen? Im Bundesverfassungsschutzgesetz ist unter Paragraf zwei zumindest festgeschrieben: „Für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund und der Länder untereinander unterhält jedes Land eine Behörde zur Bearbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes.“ Darüber hinaus sind Informationspflichten und auch die Art der gegenseitigen Unterstützung geregelt. Eine Komplettauflösung würde damit schwierig.

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Allerdings – und das ist in diesem Fall der entscheidende Punkt – wird gesetzlich nicht vorgeschrieben, wie die Landesbehörden aufgebaut sein sollen. Die jeweilige Struktur liegt in der Hand der Bundesländer. Der Verfassungsschutz muss keine eigene Behörde wie in Sachsen sein, sondern könnte beispielsweise auch als Abteilung im Innenministerium fungieren. Einen solchen Eingriff müsste der Landtag beschließen. Aktuell verfügt das sächsische Landesamt über gut 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Parteitagsantrag fordert auch Polizeireduzierung

Tatsächlich geht es der Grünen Jugend aber um mehr als eine plakative Forderung. „Wir setzen uns für eine Behörde ein, die dem sächsischen Landtag umfassend rechenschaftspflichtig ist und durch diesen kontrolliert wird“, führt der Antrag weiter aus und spricht von einer Ablehnung des Verfassungsschutzes in der „jetzigen Form“.Vorstandssprecherin Charlotte Henke, die Gymnasiallehramt in Leipzig studiert, konnte sich am Freitag gegenüber der LVZ „nicht spontan“ zu dem Antrag äußern.

Das zitierte Papier richtet sich außerdem gegen „eine fortschreitende Militarisierung der Polizei“ und fordert eine Verkleinerung des Apparates. Stattdessen müssten angehende Polizistinnen und Polizisten schon in der Ausbildung besser für deeskalierende Maßnahmen und die Demokratie insgesamt geschult werden. Durch Stellenstreichungen frei werdendes Geld solle in die Sozial-, Jugend- und Präventionsarbeit investiert werden, heißt es. Und schließlich: „Wir wollen Polizeiarbeit, die Grundrechte achtet und schützt, statt diese auszuhöhlen.“

Grüne wollen seit Langem neue Struktur des Verfassungsschutzes

Einiges von dem, was der grüne Nachwuchs jetzt in seinem zweiseitigen Antrag formuliert, ist von der großen Parteilinie durchaus gedeckt. So beobachten die sächsischen Grünen den Nachrichtendienst seit Jahren und verlangen eine stärkere Kontrolle. Für diese ist derzeit ein Referat im Innenministerium und insbesondere die Parlamentarische Kontrollkommission im Landtag (PKK) verantwortlich. „Ein grundlegender Strukturwechsel beim Verfassungsschutz ist seit Langem unsere Programmlage“, macht Valentin Lippmann, der innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, klar.

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Auch Linke fordert Abschaffung des Nachrichtendienstes

Mit diesem Anliegen sind die Grünen aber längst nicht allein. Die Linke hat bereits vor vier Jahren ein Sicherheitskonzept für den Freistaat vorgelegt, das auf einem Parteitagsbeschluss beruhte und unter anderem die Abschaffung der Bereitschaftspolizei wie auch des Verfassungsschutzes beinhaltete. Daran hat sich nichts Grundlegendes geändert. „Bei der Analysefähigkeit des Amtes gibt es offenbar noch immer Luft nach oben“, kommentierte die Linke-Innenpolitikerin Kerstin Köditz beispielsweise den aktuellen Verfassungsschutzbericht.

Ziel der Linken ist es allgemein, die Landesämter für Verfassungsschutz in Demokratie- beziehungsweise Bildungs- und Informationszentren umzuwandeln, deren Arbeitsgrundlage auf wissenschaftlichen Quellen und Materialien beruht. Köditz erhofft sich von der anstehenden Novelle des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes zumindest eine „effektive Kontrolle“. Eine parlamentarische Initiative der Linken, das Geld für den Nachrichtendienst zu kürzen, war im vergangenen Herbst während der Haushaltsverhandlungen gescheitert.

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CDU-Fraktion erteilt Auflösungsidee klare Absage

Die Grüne Jugend bringt das Thema nun wieder aufs Tapet. Das hat bereits dazu geführt, dass in der Partei derzeit – einmal mehr – über die Bereiche Polizei und Verfassungsschutz diskutiert wird. Obwohl die große Linie durchaus tangiert wird, werden dem Antrag aber kaum Chancen eingeräumt, auf dem Parteitag angenommen zu werden. Der Grund liegt nicht in der Auflösungsforderung, sondern vielmehr bei den Zuschreibungen beziehungsweise Vorstellungen von Polizeiarbeit.

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Doch selbst wenn die Delegierten der Grünen Jugend beispringen sollten, würde sich eine unüberwindliche Hürde auftürmen: In der schwarz-grün-roten Regierungskoalition wird es keine Mehrheit geben. „Das ist Quatsch“, sagt ein Sprecher der CDU-Landtagsfraktion über den Abschaffungsgedanken, „so einen Unsinn kommentieren wir nicht.“

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