Eine Rechnung für die Klimakleber? Wie Sachsen mit Protestaktionen umgehen will
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Polizisten lösen die festgeklebte Hand eines Protestlers der Umweltgruppe „Letzte Generation“ von der Fahrbahn. Auch in Sachsen haben die Klimaproteste die Polizei beschäftigt? Sollte man den Protestler die Kosten dafür in Rechnung stellen?
© Quelle: Ann-Marie Utz/dpa
Dresden. Das Verkehrschaos war vorherzusehen – und auch gewollt: Anfang Februar blockierten radikale Klimaschützer der „Letzten Generation“ die Bundesstraße 2 in Leipzig. Lange Staus waren die Folge. Nach einer Stunde hatte die Polizei die Aktion beendet, bei der sich vier Teilnehmer auf der Fahrbahn festgeklebt hatten. Ähnlich lief es bei anderen Gelegenheiten in Leipzig oder in Dresden. Die Protestler erschienen, der Verkehr ruhte, die Polizei rückte aus. Die „Letzte Generation“ hat angekündigt, dass sie künftig auch abseits der großen Städten zuschlagen wolle.
In der Landespolitik wird mittlerweile die Frage gestellt, ob die Protestler nicht die Kosten für die von ihnen verursachten Polizeieinsätze tragen sollten: AfD-Abgeordnete haben entsprechende Anfragen ans Innenressort formuliert. Das Ministerium äußert sich bisher zurückhaltend. Aber: Man hält es prinzipiell für denkbar, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine Rechnung an die Protestler geschickt wird.
28 Euro für jeden eingesetzten Polizisten alle halbe Stunde
Allgemein gilt: Kosten, die bei der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung anfallen, können nicht umgelegt werden – soweit sie die Ausgaben für die Polizei bei der Verfolgung von Straftaten betreffen. Im Rahmen der Gefahrenabwehr beziehungsweise der Störungsbeseitigung sei dies aber anders, teilt das Ministerium mit. Dann könnten dem Verursacher „Kosten auferlegt werden“.
Die Gebührensätze dafür sind im Zehnten Sächsischen Kostenverzeichnis geregelt. Für den Einsatz von Polizeifahrzeugen fallen beispielsweise 73 Euro je angefangene halbe Stunde und für jedes eingesetzte Fahrzeug an – einschließlich der Besatzung bis zu zwei Bediensteten. Für jeden eingesetzten Polizeibeamten sind 28 Euro je angefangene halbe Stunde zu zahlen. „Bei Auslagen, wie sie durch die notwendige Hinzuziehung eines Unternehmens entstehen können, sind die an Dritte gezahlten Kosten in tatsächlicher Höhe zu erheben“, betont das Innenministerium zudem.
Rechnung an Klimaprotestler: Polizei vor Ort entscheidet
Im Detail überlässt das Haus von Innenminister Armin Schuster (CDU) die Kostenfrage aber den Polizeidirektionen vor Ort. „Die Frage der Kostenerhebung wird in den Direktionen jeweils geprüft“, erklärt eine Sprecherin. „Was berücksichtigt werden muss, sind Fragen der Erheblichkeit des verursachten Mehraufwandes. Die Entscheidung erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen im Einzelfall.“ In einigen Fällen ist sie sogar schon gefallen.
13 Einsätze wegen der Klimaprotestler hat die sächsische Polizei im vergangenen Jahr gezählt. Der überwiegende Teil davon geschah in Leipzig, vier Aktionen fanden in Dresden statt. Für sieben Einsätze wird die Polizei keine Rechnung stellen, wie sie auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Thomas Kirste (AfD) antwortete. Bei den übrigen läuft demnach die Prüfung noch. Dabei geht es beispielsweise um den Protest am 2. Dezember, als sich Mitglieder der „Letzten Generation“ auf dem Leipziger Georgiring in Höhe der Oper festklebten: 95 Einsatzstunden vermerkt die Polizeistatistik hierfür.
Fallen Sitzblockaden unters Versammlungsrecht?
In Bayern geht man offensiver mit der Kostenfrage um. Die Münchener Polizei stellte im Dezember 2022 klar, dass sie die Klimakleber zur Kasse bitten werde. Bis zu 1500 Euro könnten anfallen. Zuvor hatte die Stadt per Allgemeinverfügung sämtliche Versammlungen in Zusammenhang mit Klimaprotesten in Form von Straßenblockaden verboten, „bei denen sich Teilnehmende fest mit der Fahrbahn verbinden, sofern die versammlungsrechtliche Anzeigepflicht nicht eingehalten“ ist. Mittlerweile ist diese Verfügung ausgelaufen.
Rein juristisch sind die Aktionen ohnehin ein schwieriges Feld. Denn Sitzblockaden fallen unter bestimmten Umständen laut Bundesverfassungsgericht unter das Versammlungsrecht. Dann dürfen dafür aber keine polizeilichen Einsatzkosten eingefordert werden. Wo aber eine Sitzblockade noch friedlich verläuft und wo sie eher Störungscharakter hat, ist vom Einzelfall abhängig. Es gibt kein allgemein gültiges Urteil.
Innenpolitiker sind zögerlich
Deswegen sind Innenpolitiker der Koalition auch zögerlich, wenn es um dieses Thema geht. „Solange dem Protest ein Versammlungscharakter innewohnt, verbietet sich verfassungsrechtlich die Kostenauferlegung“, sagt Valentin Lippmann (Grüne). „In allen anderen Fällen gibt es erhebliche rechtliche und tatsächliche Fallstricke, die mir das doch eher eine theoretische Diskussion erscheinen lassen.“