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Porträt

Pflegerin aus Leipzig kämpft mit Long-Covid: „Ich möchte mein altes Leben zurück!“

Nach zwei Coronavirus-Infektionen innerhalb weniger Monate versuchte Marion Ackermann eine Wiedereingliederung im September. Drei Wochen ging es gut, dann musste sie dies wieder abbrechen.  Mitte November startet sie einen neuen Versuch.

Nach zwei Coronavirus-Infektionen innerhalb weniger Monate versuchte Marion Ackermann eine Wiedereingliederung im September. Drei Wochen ging es gut, dann musste sie dies wieder abbrechen.  Mitte November startet sie einen neuen Versuch.

Leipzig. Das erste Wochenende im Dezember 2020 ist der gelernten Altenpflegerin noch gut in Erinnerung: Auf dem Heimweg nach ihrer Schicht am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) fühlte sie sich schlapp. Doch dies war für sie kein Grund zur Sorge. Nach einer anstrengenden Arbeitswoche ist man halt müde, dachte sie. Sie ging früh schlafen und am nächsten Tag wieder zur Arbeit. Doch da es nicht besser wurde, riet ihr eine Kollegin dazu, vorsorglich einen COVID-19-Test zu machen. Kurze Zeit später lag das Ergebnis vor: Der Test war – trotz aller vorher getroffenen Schutzmaßnahmen – positiv.

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Die Nachricht nahm sie recht gelassen entgegen. „Was soll denn schon passieren? Ist halt wie bei einer normalen Erkältung, war mein Gedanke, und ich begab mich in eine zehntägige Quarantäne“, erzählt Marion Ackermann. Parallel unterstützten sie die Mitarbeiter des Instituts für Hygiene, Krankenhaushygiene und Umweltmedizin sowie der Zentralen Einrichtung für Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit (ZEAA) bei der Erfassung und Rückverfolgung ihrer Kontakte. Von den Kollegen war offenbar niemand positiv. Bei wem sie sich angesteckt hatte, blieb offen.

„Ich fühlte mich müde und abgeschlagen“

Während ihrer Quarantäne-Zeit blieben die Symptome dieselben: „Ich fühlte mich müde und abgeschlagen. Das Problem war, dass sich dieser Zustand einfach nicht änderte. So etwas hatte ich vorher noch nicht erlebt. Ich bin eigentlich ein sehr sportlicher Mensch und war zuvor selten krank“, so Ackermann.

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Nach einem Telefonat mit Pflegepool-Leiter Christopher Laßmann stand fest, dass sie weiter zu Hause bleiben sollte. „Für meinen Job muss ich zu 100 Prozent fit sein, gerade als sogenannter Springer.“

Mit der Zeit fühlte sich die Pflegepool-Mitarbeiterin immer schlechter: Beim Einkaufen fiel es ihr schwer, die Ware auf das Band zu legen. Am Auto angekommen, musste sie sich erst einmal davon erholen. Zu Hause waren die einfachsten Dinge beschwerlich. „Ich war kaum in der Lage die Betten zu machen, zehn Minuten mit dem Hund spazieren zu gehen oder ein wenig Unkraut zu ‚ruppen‘“, erklärt Marion Ackermann. „Zum Glück kümmerten sich mein Mann und meine Tochter rührend um mich und nahmen mir einige Aufgaben ab.“

Leider gesellte sich neben der Niedergeschlagenheit eine schwere Kehlkopfentzündung hinzu, sodass sie einen HNO-Arzt konsultierte. Und das Ergebnis beim Lungenspezialisten erstaunte selbst den Fachmann: Obwohl es ihr schlecht ging, war der Lungenfunktionstest nur leicht eingeschränkt und das Thorax-CT sogar ohne Befund.

Stationäre Reha-Maßnahme

Da sich ihr Zustand nicht besserte und ans Arbeiten nicht zu denken war, wurde ihr eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in einer Klinik in Bad Lausick verschrieben. Hier kam sie auf eine kardiologische Station und versuchte sich bei leichten Übungen auf einem Ergometer. „Doch schon nach geringer Anstrengung schnellte mein Puls bis auf 160 hoch und das immer wieder“, berichtet Ackermann.

Nach der stationären Reha ging es langsam bergauf. Mittlerweile war es Mai. Marion Ackermann war in der Lage, kurze Strecken mit ihrem Hund Gassi zu gehen oder mal ein Fenster zu putzen. Um den Alltag bald wieder komplett meistern zu können, stand nun eine ambulante Reha-Maßnahme an. „Ich war positiv gestimmt, überlegte mir auch schon, wann ich geimpft werden könnte und machte gedanklich ein Kreuz im Kalender.“

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Zweite Coronavirus-Erkrankung

Doch dann kam alles anders: Um Pfingsten herum ging es Marion Ackermann schlagartig sehr schlecht. „Ich hatte plötzlich Schüttelfrost, lag fast nur in der warmen Badewanne oder im Bett mit einer Wärmflasche, hatte Ganzkörperschmerzen. Es ging gar nichts mehr. Mein Mann, dem es glücklicherweise gut ging, erwies sich erneut als starke Stütze.“

Ein Test bestätigte die böse Vorahnung: Ackermann war erneut positiv – infiziert mit der brasilianischen Gamma-Variante des Coronavirus. „Ich traute meinen Augen nicht. Offenbar hatte ich nicht genügend Antikörper bilden können, was sehr selten vorkommt. Nach einigen Tagen verlor ich auch meinen Geschmacks- und Geruchssinn und hatte permanent starke Kopfschmerzen.“

Ganze drei Wochen vergingen erneut, erst dann konnte die achtwöchige ambulante Reha starten. Hier fühlte sie sich gut aufgehoben, die Therapeuten gingen auf ihre individuellen Bedürfnisse ein. „Der Schwerpunkt der Therapie lag in der Aktivierung und Mobilisierung – zum Beispiel dem gezielten Treppensteigen oder der Bearbeitung meiner verklebten Muskulatur. Der Austausch mit anderen Betroffenen während der ambulanten Reha tat gut. Was wir gemeinsam hatten, war die Tatsache, dass wir nicht mehr die Menschen waren, die wir vor unserer Erkrankung waren. Und wir hatten alle das Gefühl, als ob in unseren Köpfen etwas kaputtgegangen sei“, erklärt Marion Ackermann.

Vergesslichkeit, Konzentrationsmangel oder schnelle Reizüberflutung und Gereiztheit seien leider eine zusätzliche Begleiterscheinung von Long-Covid-Patienten. Daher sei ein weiterer Baustein der Reha eine Therapie gewesen, um die kognitiven Defizite zu verringern. Diese habe bisher gut angeschlagen, ergänzt sie.

Der Stationsalltag – im Foto der Tresen der F 3.1 – kann stressig werden. Mit Kognitionsübungen trainiert Marion Ackermann derzeit Körper und Geist, um wieder fit zu werden.

Der Stationsalltag – im Foto der Tresen der F 3.1 – kann stressig werden. Mit Kognitionsübungen trainiert Marion Ackermann derzeit Körper und Geist, um wieder fit zu werden.

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Wiedereingliederung am UKL

Erneut versuchte sie nun, optimistisch in die Zukunft zu blicken: Um auf Nummer sicherzugehen, hatte sie sich vorzeitig impfen lassen, und plante ihre Wiedereingliederung am UKL. „Ich freute mich, wieder zur Arbeit zu gehen und meine Kollegen zu sehen. Die ambulante Reha-Nachsorge ging parallel weiter und ich hoffte, bald wieder ‚durchstarten‘ zu können“, sagt sie. „Ich möchte einfach mein altes Leben zurück!“

Die Zeichen standen positiv: Der letzte Antikörpertest bescheinigte ihr, dass sie nun gegen das Coronavirus immun ist. Ende August begann sie ihre Wiedereingliederung. Doch schon nach kurzer Zeit merkte sie, es funktioniert nicht. „Zu viel Stationsalltag.“ Nach drei Wochen war im September schon wieder Schluss. Seitdem war sie noch nicht wieder am UKL. „In einer Reha-Nachsorge mache ich derzeit ganz viele Kognitionsübungen, um Körper und Geist wieder so hinzubekommen, dass es funktionieren könnte.“

Am 15. November wird Marion Ackermann eine neue Wiedereingliederung beginnen.

„Ich kann nur allen raten, sich impfen zu lassen“

„Das, was ich erlebt habe, wünscht man nicht seinem ärgsten Feind. Ich kann nur allen raten, sich impfen zu lassen und sich damit vor schweren Verläufen zu schützen. Ich war anfangs auch skeptisch, aber das hat sich geändert. Doch es sollte immer freiwillig sein, alles andere wäre nicht richtig.“ Sie hofft nun, dass so viel wie möglich geforscht werde und bald wirkungsvolle Therapiemaßnahmen für alle unterschiedlichen Ausprägungen von COVID-19-Erkrankungen zur Verfügung stehen.

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Von Verena Kämpgen / Markus Bien

DNN

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