„Gravierende Fehler“: Rechnungshof rügt Leipziger Paulinum-Neubau
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Das Paulinum (Bildmitte) gehört seit 2017 zum Augustusplatz im Herzen von Leipzig. Der Sächsische Rechnungshof hat jetzt den Bau überprüft: Die Finanzkontrolleure sehen viele Millionen Euro verschwendet.
© Quelle: Daniel Köhler
Leipzig. Das Paulinum ist das Schmuckstück am Leipziger Augustusplatz. Doch der neue Prachtbau musste teuer erkauft werden. Zu diesem Fazit kommt jetzt der Sächsische Rechnungshof (SRH) in einem Sonderbericht. Darin heißt es: „Der Freistaat Sachsen lobte die Wettbewerbe zum Universitätskomplex Augustusplatz ohne Kostenvorgabe aus. Damit fehlte ein wesentliches Steuerungsinstrument zum wirtschaftlichen Bauen.“ Die Kostenermittlung anhand allgemeiner Kennwerte sei „dem Charakter als Experimentalbau nicht gerecht“ geworden, rügen die Finanzkontrolleure.
Rechnungshof: Keine Kostengrenzen vorgegeben
Die Planungen und der Bau hatten fast zwei Jahrzehnte nicht nur in Leipzig die Gemüter erhitzt. Aber hier besonders. Bei der Eröffnung im Herbst 2017 waren insgesamt acht Jahre Bauverzug zusammengekommen. Das lag unter anderem an einem zwischenzeitlichen Baustopp, aber auch an notwendigen Maßanfertigungen, um die gestalterischen Ideen umsetzen zu können. Kritiker hatten deshalb seit Langem eine Tiefenprüfung vom Landesrechnungshof angemahnt.
„Bei Architektenwettbewerben darf nicht allein die Optik des Entwurfs entscheiden. Wichtig sind auch Kostenobergrenzen“, kritisiert Stefan Rix, der Vizepräsident des Rechnungshofs, nun im Nachhinein. Die Jury habe einen „sehr auffälligen, aber auch sehr teuren Entwurf ausgewählt“.
Viele Teile hätten – ohne die Kosten gebührend zu berücksichtigen – als Unikate aufwendig hergestellt werden müssen. Damit sei, so wird in dem Bericht immer wieder moniert, erst der „Raum für sich später realisierende Kostensteigerungen geschaffen“ worden. Oder anders gesagt: Der Freistaat hatte quasi einen Blankoscheck ausgestellt.
Paulinum-Kosten mehr als verdoppelt
Die Preisexplosion war in der Vergangenheit immer wieder thematisiert worden. Die ursprünglich geplanten 52,5 Millionen Euro hatten sich im Laufe der Bauzeit mehr als verdoppelt. Am Ende standen 117,1 Millionen Euro zu Buche. Damit mussten 64,6 Millionen Euro zusätzlich vom Freistaat ausgegeben werden.
Als Grund sieht der Rechnungshof „unrealistische Kostenermittlungen“, die sich von der frühen Planung bis in die späteren Bauabschnitte durchgezogen hätten. Als Beispiel werden unter anderem die hängenden Glassäulen genannt.
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Die ehemalige Paulinerkirche hat bis zu ihrer Sprengung im Jahr 1968 am Leipziger Augustusplatz gestanden. Mittlerweile befindet sich dort das Paulinum der Universität.
© Quelle: LVZ-Archiv
Darüber hinaus sei nicht berücksichtigt worden, „dass man wegen des Urheberrechtes an den Gestaltungswillen des Architekten gebunden war“. In den Ausschreibungen und bei der Auftragsvergabe attestieren die Finanzkontrolleure zudem eine „unzureichende Qualität“.
So seien Leistungen weder eindeutig noch ausführlich beschrieben worden, wie es die Vorgaben eigentlich verlangten. Das habe zur Folge gehabt, dass eine Reihe unnötiger Arbeiten durchgeführt wurden – und der Freistaat teilweise bis zu 50 Prozent mehr für eine ausgeschriebene Leistung zahlen musste.
Diskussionen um Neubau unterschätzt
Unterm Strich steht: Die Auftragsvergaben haben häufig nicht den Vorschriften für die öffentliche Verwaltung entsprochen, sie waren zu lasch formuliert – und haben den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern auch deshalb sehr viel Geld gekostet. In einer Stellungnahme entgegnet das sächsische Finanzministerium wiederum: Eine Kostenvorgabe sei „nur bedingt für die Steuerung dieses herausragenden und einmaligen Projektes geeignet gewesen“.
Dagegen seien etwa Werte für Flächen frühzeitig eingepreist gewesen. Zudem habe es ein „außerordentlich hohes öffentliches Interesse“ und fortlaufende Änderungen an dem experimentellen Projekt gegeben, was zu Mehrkosten und Verzögerungen geführt habe.
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Im Paulinum Leipzig ist ein Andachtsbereich mit Epitaphien und Altar eingerichtet worden. Über viele Jahre hinweg ist in der Stadt über die Nutzung des Baus diskutiert worden.
© Quelle: Steffen Spitzner
Weitgehend Einigkeit herrscht, dass die sich über viele Jahre erstreckenden Diskussionen um das Paulinum hätten vermieden werden können. „Schwierig war der Umgang mit der Geschichte des Ortes. Sollte der Neubau an die gesprengte Paulinerkirche erinnern? Wenn ja, wie?“, fasst Rechnungshof-Vize Rix die damaligen Debatten zusammen.
Auch hier sind die Prüfer zu einem klaren Urteil gekommen: „Diese Frage zu Projektbeginn zu klären, hat der Freistaat leider nicht geschafft“, kritisiert Rix.
Sächsische Aufbaubank ebenfalls viel teurer
Im Fall des Pauliniums werden die Fehler jetzt zwar noch einmal in der Rückschau aufgerollt. Die Prüfer hatten im vergangenen Jahr aber bereits eine weitaus aktuellere Verschwendung angeprangert. Mit 165 Millionen Euro hat die in Leipzig neu errichtete Sächsische Aufbaubank (SAB) etwa 100 Millionen Euro mehr gekostet, als ursprünglich vorgesehen.
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Der Neubau der Sächsischen Aufbaubank in Leipzig ist mit vierjähriger Verzögerung im Jahr 2021 eröffnet worden. Die Kosten sind während der Errichtung um rund 100 Millionen Euro gestiegen.
© Quelle: Christian Modla
Das Fazit lautete: „Es hat von Anfang an Versäumnisse gegeben.“ Schon bei der Auswahl des Grundstücks sei ein entscheidender Fehler passiert: „Für den eigentlichen Zweck des Bankgebäudes ist es deutlich zu groß“, sagte SRH-Vizepräsident Rix damals. Der Neubau war 2021 mit vierjähriger Verspätung eröffnet worden.
Finanzministerium: Kostenbudgets sind einzuhalten
Der Rechnungshof mahnt den Freistaat nun abermals, bei Bauprojekten künftig besser auf das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu achten. Dafür sei etwa ein zügiger Ablauf von Ausschreibungen und Vergaben „die notwendige Voraussetzung“. Zudem müssten etwaige Probleme – beispielsweise Diskussionen um einen geplanten Bau und Architektenwettbewerbe – schon im Vorfeld ausgeräumt und nicht erst auf die lange Bank geschoben werden.
Das sieht auch das Finanzministerium so: „Für zukünftige Maßnahmen muss die Zielstellung sein, durch einen Redaktionsschluss ohne fortlaufende Änderungen einen zielgerichteten Projektverlauf zu gewährleisten“, räumt dessen Sprecher Jörg Herold in Dresden ein. Bei aktuellen Wettbewerben werden bereits „das Kostenbudget im Regelfall in der Auslobung bekannt gegeben“ und eine Erklärung zur Einhaltung der Kosten verlangt.