Neues Polizeigesetz in Sachsen – das sind die Konfliktfelder
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Bis zum Herbst 2019 soll es ein neues Polizeigesetz geben.
© Quelle: dpa/Friso Gentsch
Dresden. Es ist momentan das größte Gesetzesprojekt in Sachsen – und gleichzeitig auch das umstrittenste: Bis zum Herbst 2019 soll es ein neues Polizeigesetz geben. Damit werden die Paragrafen nach 20 Jahren grundlegend überarbeitet. Aktuell liegt der Regierungsentwurf vor, der am Montag erstmals im Landtag diskutiert wurde. Insgesamt 15 Gutachter wurden im Innenausschuss angehört und befragt. Eine Annäherung erfolgte allerdings nicht. Hier die drei größten Streitpunkte.
Konflikt I: Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchungen
Konkret geht es um die Überwachung von verschlüsselter Kommunikation (Quellen-TKÜ), wie es beispielsweise bei Anbietern wie WhatsApp der Fall ist, und das Installieren von sogenannten Staatstrojanern. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat diese Möglichkeiten bereits zur Terrorbekämpfung, in Sachsen wollen nun das Innenministerium und die CDU nachziehen, die mitregierende SPD ist dagegen. Die Polizei fordert seit Langem eine solche Erlaubnis. Kritiker wie der Staatsrechtsprofessor Clemens Arzt warnen bei der Anhörung im Landtag: Der Einsatz sei verfassungsrechtlich bedenklich – auch unter dem Mantel der Terrorbekämpfung dürften Grundrechte nicht geopfert werden. „Die Ausnahme sollte nicht die Regel werden“, so Arzt.
Bundesweit haben nur Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und der Bund ähnlich weitreichende Befugnisse. Sachsen bleibt allerdings das einzige der 16 Bundesländer, in dem die Bodycams nicht verwendet werden dürfen.
Konflikt II: Meldeauflagen, Aufenthaltseinschränkungen und Kontaktverbote
Für Diskussionen sorgt auch, dass die Polizei bereits „im Vorfeld einer konkreten Gefahr“ eingreifen soll – die Formulierungen sind dazu allerdings schwammig, wie Kritiker anmerken. Aufenthalts- und Kontaktverbote sowie Meldeauflagen sollen bis zu drei Monate von der Polizei angeordnet werden können, erst danach braucht es einen Richterbeschluss. Daneben soll die Bewegungsüberwachung mit dem Einsatz von elektronischen Fußfesseln ausgeweitet werden. Ein Rechtsmittel gegen die polizeiliche Einstufung als Gefährder, also als potenzieller Straftäter, existiert momentan nicht.
Der Sachverständige Arzt nennt dies „eine Verfolgungsvorsorge gegenüber Menschen, die nichts verbrochen haben“. Selbst Julia Pohlmeier, die im BKA für islamistischen Terror zuständig ist, spricht im Landtag von einer Verschiebung zu einem „personenbezogenen Ansatz“. Der Linke-Innenexperte Enrico Stange sagt: Das neue Gesetz unterstelle, dass „überall Gefährder“ lauerten. Dem hält Cathleen Martin, Landeschefin der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, entgegen: „Es wird kein Gesetz der Willkür geschaffen.“
Konflikt III: Videoüberwachung und Gesichtserkennung Beides sind neue technische Möglichkeiten, die das Polizeigesetz – im Gegensatz zur Quellen-TKÜ – ausdehnen soll. So ist vorgesehen, eine Videographie mit einer Gesichtserkennungssoftware "im Grenzgebiet zur Republik Polen und zur Tschechischen Republik bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern" einzusetzen. Auch automatisierte Kennzeichenerkennungen sollen an sächsischen Straßen verstärkt eingesetzt werden. Außerdem dürfen Städte und Gemeinden selbst über Videoüberwachung entscheiden. Juristen haben mit Blick auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts Bedenken, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu weit beschränkt wird. So bemängelt der bayerische Richter Markus Löffelmann während der Anhörung im Landtag die Eingriffe im Privatbereich und nennt die Datenerhebung "verbesserungswürdig".
Neu ist diesbezüglich auch die Abfrage von Daten bei Internetanbietern wie Facebook, Amazon oder Ebay. Gleichzeitig sollen die Schranken für die Überwachung unverschlüsselter Kommunikation – etwa bei Telefonen – sowie den Einsatz von Störsendern und IMSI-Catchern zur Standortermittlung deutlich gesenkt werden.
Von Andreas Debski