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CDU-Programmparteitag in Chemnitz

Kretschmer: „Wir können glücklich sein, dass wir Leipzig, Dresden und Chemnitz haben“

Ministerpräsident Michael Kretschmer  und Sozialministerin Barbara Klepsch auf dem CDU-Parteitag in Chemnitz.

Ministerpräsident Michael Kretschmer und Sozialministerin Barbara Klepsch auf dem CDU-Parteitag in Chemnitz.

Chemnitz. Der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, erlaubt sich zum Auftakt der Ökumenischen Morgenandacht in der Eventhalle des Chemnitzer Kraftverkehrs einen Witz. Er steht auf der erhöhten Bühne inmitten der Delegierten. „Man weiß hier oben nicht, ob einem einer den Rücken stärkt oder ob er einem in den Rücken gefallen ist.“

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Alle wissen, das CDU-Chef Michael Kretschmer später dort reden wird. Das verblüffte Raunen auf dem 34. CDU-Landesparteitag zeigt, dass sich manch einer der Delegierten von Timmerevers auf dem falschen Fuß erwischt sieht. Die Diskussion um den Spitzenkandidaten und die richtige Strategie gegenüber der AfD haben Spuren hinterlassen. Dann aber folgt doch befreites Gelächter. Der Bischof der evangelisch-lutherischen Amtskirche, Carsten Rentzing, fügt hinzu: Das, was getan werden müsse, solle nicht aus einem Geist der Sorge, sondern der Freude erfolgen.

Bekenntnis zur Landarztquote

Für die sorgt Michael Kretschmer, der Popstar der sächsischen CDU, der danach auf eben dieser Bühne steht und früh viel Applaus bekommt. "Sicherheit, Zusammenhalt und gute Arbeit" nennt er als wichtige Voraussetzungen für die Zukunft in Sachsen. "Das, was wir sagen, muss gelten. Wir versprechen nur Dinge, die wir auch halten können." Er redet über Innere Sicherheit, über die 1000 neuen Polizisten. Eine Zahl, die notfalls auch erhöht werde. Über das neue Polizeigesetz, das sich sehen lassen könne.

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Dann macht er sich für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land stark. „Wir wollen alle wieder anhängen“, gelobt Kretschmer. Und bekennt sich dabei auch zur Dienstag im Kabinett beschlossenen Landarztquote. Mit Blick auf die Großstädte unterstreicht er: „Wir können glücklich sein, dass wir Leipzig, Dresden und Chemnitz haben.“ Im günstigsten Fall kämen junge Leute hierher, heirateten und blieben. Kretschmer verspricht für seine Partei, diese Metropolen zu stützen, die Bildungsinfrastruktur auszubauen und in den sozialen Wohnungsbau zu investieren.

„Miesmacher, die es im Grunde nicht können“

Doch der CDU-Chef räumt auch Fehler in der Vergangenheit ein. Ohne ein einziges Mal den Konkurrenten AfD zu erwähnen, beschwört er die Delegierten: „Lasst uns diesem Zeitgeist entgegengehen, der alles nur zerstören will.“ Dafür spenden diese mehr als höflichen Beifall. Kretschmer spricht von „Miesmachern, die es im Grunde nicht können“. Später wird er sagen: „Der Rechtsextremismus ist eine der größten Gefahren für die Zukunft dieses Landes.“

Mittlerweile hat die Nachricht von der Gewehrattrappe, die SPD-Chef Martin Dulig und Kretschmers Stellvertreter im Ministerpräsidentenamt zugesendet bekommen hat und von LVZ.de veröffentlicht wurde, die Runde gemacht. Kretschmer wird sehr emotional: "Es ist eine Riesensauerei, dass dem Martin Dulig jetzt ein Spielzeuggewehr, eine Maschinenpistole nach Hause geschickt worden ist." Dem trete die CDU entgegen. So etwas dürfe es nicht geben, sagt der Partei-Chef. Langer Applaus der 187 Delegierten. Landeskriminalamt, Verfassungsschutz und Justiz seien eingeschaltet. Und es müsse allen Sächsinnen und Sachsen klar sein: "Es geht immer um Minderheiten. Mal sind es Politiker, mal sind es Juden, mal sind es Muslime. Das endet immer tödlich", ruft Kretschmer. Alles, was irgendwie gehe, müsse dagegen getan werden. Das, was Dulig und dessen Familie widerfahre, sei keine Sache, die nur für ein schlechtes Image Sachsens sorge. Kretschmer: "Sie ist für uns alle auch lebensgefährlich."

Das will die CDU

Das Wahlprogramm der CDU konzentriert sich auf fünf Schwerpunktthemen:

Wirtschaft: Die CDU will Sachsen bis 2024 zum mittelstandsfreundlichsten Bundesland machen. Dazu sollen Handwerk und Mittelstand mit Investitionsförderungen und Fachkräfteprogrammen unterstützt werden. Das beinhaltet auch ein Fachkräftezuwanderungsgesetz. Der Freistaat soll sich im Bundesrat für die Wiedereinführung der Meisterpflicht und die Erhöhung des Meisterbonus einsetzen. Investitionen für schnelles Internet, Beseitigung von Funklöchern und Aufbau des neuen Mobilfunkstandards 5G sind ebenfalls vorgesehen wie auch der Ausbau von Verkehrswegen. Das Luftdrehkreuz Leipzig/Halle beispielsweise soll in den Genuss weiterer Investitionen kommen. Ein zentraler Punkt ist der Strukturwandel im Zuge des Braunkohleausstiegs.

Innere Sicherheit: Erneuert wird das Versprechen, insgesamt 1000 zusätzliche Polizisten auszubilden, um auch mehr Streifendienste zu ermöglichen. Nachdem die Union im ersten Versuch am Koalitionspartner SPD scheiterte, will sie nun einen neuen Anlauf beim Polizeigesetz nehmen, um Onlinedurchsuchungen oder die Quellen-TKÜ (das Überwachen von Telefongesprächen, die über das Internet geführt werden) zu ermöglichen. Die Verfahren, in denen Straftäter durch beschleunigte Verfahren verurteilt werden, sollen steigen. Schließlich will die CDU auch den Verfassungsschutz stärken und Gefährder stärker kontrollieren.

Bildung: Eine bessere Betreuungssituation in den Kitas soll durch ein neues Investitionsprogramm erreicht werden. Für die Schulen verspricht die Union bis 2024 das „Digitale Klassenzimmer“, was bedeutet, das bis dahin alle Einrichtungen mit schnellem Internet aufgerüstet werden. Neben Dresden und Leipzig wird nach den Plänen künftig auch Chemnitz im Verbund mit Zwickau Lehrer für Grund-, Oberschule- und Berufsschule ausbilden. Die Kopfnoten auf den Zeugnissen sollen beibehalten und die Inklusion „mit Augenmaß“ betrieben werden. Beim Thema Spitzenforschung gibt es die Ankündigung, die „exzellente Krebsforschung in Dresden und Leipzig“ weiter zu stärken.

Daseinsfürsorge: Die Union will sich nach einem - ebenfalls am Koalitionspartner - gescheiterten Anlauf erneut für eine Landarztquote beim Medizinstudium einsetzen. Für Allgemeinmediziner, die dann auf dem Lande ihre praktische Ausbildung absolvieren, soll ein Modellstudiengang an der TU Dresden installiert werden. Beim Landeserziehungsgeld heißt es: „Wir wollen die jährliche Anpassung der Einkommensgrenzen und die Leistungen nach der Geburt des zweiten Kindes erhöhen.“ Außerdem soll es möglich werden, die Anträge dafür auch digital zu stellen. Die Union verspricht weiterhin, die Pflegeberufe attraktiver zu machen. Einmal im Monat, an einem „Familiensonntag“ will die Partei günstigere Eintritte in Freizeiteinrichtungen erreichen.

Heimat: Kretschmers CDU bekennt sich dazu, besonders den ländlichen Raum zu fördern: „Wir treiben die Investitionen in dorfgerechte Straßen, Brücken und Breitband weiter voran und nehmen dabei Rücksicht auf die örtlichen Gegebenheiten.“ Ein Schwerpunkt dabei - der Öffentliche Personennahverkehr und der Ausbau des Schienennetzes. Den Kommunen soll künftig mehr Eigenverantwortung übertragen werden. Umgekehrt dringt die Partei auch auf bezahlbares Wohnen in den Großstädten. Der Bau von Sozialwohnungen soll dabei verstetigt werden. Neben dem Bekenntnis zum Umweltschutz, zum Ehrenamt und zur Integration von Zuwanderern, dürften vor allem Theater und Orchester aufhorchen: Um Kulturschaffende angemessen zu bezahlen, werde man „die derzeit zeitlich befristete zusätzliche Förderung von Personalkosten in Theatern und Orchestern in eine dauerhafte Förderung im Rahmen des Kulturraumgesetzes überführen“, heißt es.

„Grünes Gold“ für Sachsen

Dass er den Braunkohlekompromiss und die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone in der Lausitz eine einmalige Geschichte nennt („Noch nie hat die Lausitz so eine große Chance gehabt.“), tritt da fast ein wenig in den Hintergrund. Sachsen müsse ein modernes Land bleiben, und weiter in die Lehrerbildung investieren. Der Gemeinschaftsschule erteilt er erneut eine klare Absage.

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Auch auf den Klimawandel geht Kretschmer ein. Es sei richtig, sich in dieser Frage zu engagieren. Es gebe aber auch politische Kräfte, die immer mehr Hysterie und Panik draufsattelten, warnt der CDU-Spitzenkandidat - auch hier, ohne eine Partei direkt zu nennen. Veränderungen im Bereich der Energiepolitik müssten aber auch für die Krankenschwester und den Mitarbeiter bei Amazon bezahlbar bleiben, mahnt er. Seine Partei wolle 50 Millionen Bäume - „Grünes Gold“ - in den kommenden zehn Jahren pflanzen, verspricht Kretschmer.

Er verteidigt auch noch einmal sein Auftreten beim russischen Präsidenten Wladimir Putin und wiederholt die Forderung nach Abbau der Wirtschaftssanktionen. Als Wahlziel definiert er schließlich eine „stabile Regierung“ für Sachsen. Er wünsche sich sehr, „dass wir eine Koalition hinbekommen mit den Nichtwählern“.

Akustische Rückendeckung

Nach 43 Minuten ist Kretschmer mit seiner Rede am Ende. Die Delegierten stehen nun und klatschen mehrere Minuten lang Beifall - quasi die akustische Rückendeckung für den Parteichef. Demonstrativ umarmen Sozialministerin Barbara Klepsch, Generalsekretär Alexander Dierks, Fraktionschef Christian Hartmann und viele andere den Spitzenkandidaten. Die Kritiker halten die Füße still.

Ralph Brinkhaus, Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erinnert anschließend noch langatmig daran, dass in Sachsen die Wiedervereinigung begann und würdigt den Weg des Freistaats. Sachsen-Anhalts CDU-Chef Holger Stahlknecht verspricht mit breitem Grinsen, dass sein ältester Sohn, der in Leipzig Jura studiert, mit seiner Stimme die sächsische Union bei der Wahl unterstützen werde. Alt-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und seine Gattin Ingrid lauschen aufmerksam. Auch bemerkenswert, dass einer nicht da ist: Mike Mohring, Thüringens CDU-Spitzenkandidat, der in wenigen Wochen ebenfalls um das Ministerpräsidentenamt kämpfen will.

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„Damit beginnt der Wahlkampf richtig“

Nach und nach arbeitet der Parteitag alle Änderungsvorschläge ab. CDU-Generalsekretär Alexander Dierks kündigt an, dass Kretschmer seinen Dauer-Marathon fortsetzen wird und in allen 60 Wahlkreisen auftreten will. 13.30 Uhr ertönt die Nationalhymne: „Damit beginnt jetzt der Wahlkampf richtig“, sagt Kretschmer. Nun komme es auf jeden an. Dann geht er wie immer vor dem Abschied noch einmal durch die Reihen, schüttelt Hände und verbreitet gute Laune.

Von Roland Herold

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