Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer setzte lange auf den Dialog. Doch in der Corona-Krise hat er damit keinen Erfolg. Über einen Regierungschef, der sich neu erfinden muss.
Leipzig. Michael Kretschmer sieht mitgenommen aus, als er am Freitagabend mit den Granden der schwarz-grün-roten Koalition vor die Presse tritt. Der Ministerpräsident hat tiefe Ränder unter den Augen, er wirkt übermüdet, angegriffen, noch blasser als sonst. Kretschmer spricht in dramatischen Worten über die Corona-Pandemie, die im Freistaat derart stark wütet, dass seine Koalition sich zu einem wochenlangen Teil-Lockdown durchgerungen hat. Minutenlang rechtfertigt er sich, bevor er oder die anderen Kabinettsmitglieder überhaupt auf Konkretes zu sprechen kommen.
Kretschmer stockt, er ringt um Worte. Wenn er betont, wie notwendig die Maßnahmen sind, wird er laut. Als wollte er am liebsten den Skeptikern, den Verweigerern und den Schwurblern zwischen Auerbach und Görlitz, zwischen Leipzig und Pirna Verständnis ins Hirn hämmern. Denn Kretschmer kann sich nicht mehr sicher sein, dass seine Worte und seine Appelle auch verfangen. Er ist in der größten Krise seiner Amtszeit.