Worüber sich Hendrik Streeck mitten in der Nacht mit Jan Böhmermann streitet

Ein Twitter-Clinch bei Nacht: Satiriker Jan Böhmermann und Virologe Hendrik Streeck diskutieren in der Öffentlichkeit über Aussagen des Experten.

Ein Twitter-Clinch bei Nacht: Satiriker Jan Böhmermann und Virologe Hendrik Streeck diskutieren in der Öffentlichkeit über Aussagen des Experten.

Köln. Hendrik Streeck ist ein gefragter Mann. Seit inzwischen einem Jahr tingelt der Virologe der Uni Bonn durch die deutschen Talkshows und steht dabei fachlichen Kollegen wie Karl Lauterbach, Christian Drosten und Alexander Kekulé in nichts nach. Bekannt geworden mit der Heinsberg-Studie, ist Streeck heute eins der bekanntesten Expertengesichter der Pandemie. Er schrieb ein Buch, bekam einen RTL-Podcast und ist am Dienstagabend Gesicht der ZDF-Doku „Corona – Pandemie ohne Ende? Fakten mit Hendrik Streeck“.

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Eines jedoch wird für Streeck zunehmend zum Problem – und zwar das, was er sagt. Das medienkritische Portal Übermedien.de hatte Streeck kürzlich als den Mann bezeichnet, der zwar „dauernd falsch“ liege, „aber immer wieder als Corona-Experte gebucht“ werde. Ihre These belegen die Wissenschaftsjournalisten Christian Schwägerl und Joachim Budde mit elf Beispielen, bei denen Streecks Prognosen mindestens widersprüchlich waren oder gehörig daneben lagen.

Auch in den Blasen der sozialen Netzwerke wird inzwischen eifrig über die Kompetenz des Corona-Experten gestritten. Selten jedoch erhalten diese Diskussionen eine so prominente Bühne wie in der Nacht von Montag auf Dienstag.

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Verbindungen für Pharmakonzern

Der Satiriker Jan Böhmermann nämlich hatte seinen 2,2 Millionen Followern einen Screenshot von Streecks anstehender ZDF-Sendung samt Beschreibungstext herübergereicht. Diesen kommentierte er mit den Worten „Ich kann nicht mehr“. Was genau Böhmermann damit meinte, ließ er zunächst offen – Grund genug für den Virologen, selbst auf den Post zu reagieren. „Sie sprechen uns allen aus dem Herzen!“, schrieb Streeck – wohl in der Annahme, Böhmermanns Posting beziehe sich auf die Pandemie selbst.

Doch genau das meinte Böhmermann augenscheinlich nicht. Er konfrontierte Streeck daraufhin mit einer Aussage, die er in der Talkshow von Maybrit Illner Anfang März getätigt hatte. „Herr Streeck! Bereits am 5.3. haben Sie bei Illner vom möglichen Rückruf von Astrazeneca geraunt. Sie sind im Beirat von Janssen Pharmaceutica, das zu Johnson & Johnson gehört und einen Impfstoff entwickelt hat, den Sie hingegen gestern bei @ntvde enthusiastisch anpriesen! Warum?“

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Zur näheren Erklärung verlinkte Böhmermann einen Post des Philosophen Michael Oberst. Dieser hatte zuerst auf die Verbindungen zwischen Streeck und dem Pharmaunternehmen hingewiesen. Streeck hatte seine Tätigkeit bei Janssen Pharmaceutica selbst bei einer Mitarbeit an Leitlinien der Deutschen Aids-Gesellschaft als möglichen Interessenkonflikt angegeben. Oberst verlinkte das entsprechende Dokument.

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„Wie ein Verkaufsberater“

Für Oberst, aber auch Böhmermann ist dieser Umstand Grund genug, selbst ein wenig zu „raunen“. „Aus dem Nichts“ habe Streeck in der Illner-Sendung die Möglichkeit ins Spiel gebracht, dass alle Astrazeneca-Impfstoffe zurückgerufen werden müssten – zu diesem Zeitpunkt war von möglichen Komplikationen noch nichts bekannt. „Das kann mal passieren so was – hoffentlich nicht“, so das Originalzitat von Streeck.

Bei N-TV habe Streeck dann ausgerechnet den Impfstoff von Johnson & Johnson über „den grünen Klee“ gelobt – „im Stil eines Verkaufsberaters“, wie Oberst schreibt. Dabei sei Streeck gar kein Impfstoffforscher. Streeck hatte in dem Interview mit dem Nachrichtensender gesagt, er würde sich mit allen vier Impfstoffen impfen lassen. Den von Johnson & Johnson hob er jedoch besonders hervor. In das Vakzin habe er „vollstes Vertrauen“. Er kenne die „Entwickler schon fast seit einem Jahrzehnt. Da sind wirklich ausgewiesene Experten dabei und die Daten des Impfstoffs einfach sehr gut“, so der Virologe weiter.

Streeck hatte in dem Interview auch darauf hingewiesen, dass das Vakzin von Johnson & Johnson nur einmal verabreicht werden müsse. „Mit einer einmaligen Spritze ist man nach ein paar Tagen geschützt. Zudem kann er sehr einfach gelagert werden.“ Es handele sich um einen Vektorimpfstoff mit dem humanen Adenovirus 26. Damit gebe es „sehr lange Erfahrungswerte“. Es werde „über Dekaden daran schon geforscht und daher ist das ein sehr sicherer Impfstoff“, so der Virologe.

Streeck wirft Böhmermann Verschwörungstheorien vor

Verwunderlich findet Oberst auch, dass Streeck nicht – wie andere Forscher – darauf hinweist, dass derzeit kein konkreter Anlass bestehe, einen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff von Astrazeneca und einem möglichen Todesfall herzustellen. Die Entscheidung Dänemarks, den Impfstoff zunächst zu stoppen, hatte Streeck in dem Interview als „richtig“ bezeichnet, ganz im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen. Seinen Post schließt Oberst mit den Worten, Streecks Verhalten habe „Geschmäckle“.

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Das sieht offenbar auch Böhmermann so: „Wir Nicht-Wissenschaftler nennen so was mindestens ‚merkwürdig‘. Und Sie?“, fragt er an Streeck gerichtet – und hat dann noch eine direkte Forderung an den Virologen: „Und wenn ich einmal wirklich ‚uns allen‘ aus dem Herzen sprechen darf: Sie vermischen seit Monaten Expertise mit Ihren persönlichen Interessen, PR und politischen Erwägungen Dritter und verkaufen das der Öffentlichkeit als ‚neutrale Wissenschaft‘. Das ist super unseriös! Aufhören!“

Auf die Diskussion will sich Streeck jedoch nicht einlassen. „Verschwörungstheorie ist doch nicht Ihr Niveau?“, wirft er Böhmermann vor. Den Post von Oberst bezeichnet der Virologe als „faktisch einfach falsch“. Und als direkte Antwort auf den Vorwurf der Unseriosität schreibt Streeck: „Ich glaube, die Lage ist zu ernst für solche Aussagen.“ Für Böhmermann wiederum ein gefundenes Fressen: „Sie versuchen nachts um halb eins an einem Werktag, mit Comedians bei Twitter rumzukumpeln. So ernst kann die Lage nicht sein“, antwortet er. Eine weitere Antwort Streecks bleibt aus.

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Gegenüber der „Frankfurter Rundschau“ widersprach der Virologe am Dienstag, dass er im wissenschaftlichen Beirat von Janssen Pharmaceuticals sitze. Er habe lediglich für HIV-Medikamente im „scientific advisory board“ beraten. Das habe er im Sinne der Transparenz öffentlich gemacht. „Ich berate jedoch nicht zum Johnson & Johnson Covid-19-Impfstoff, habe keine Aktien und auch keinen Einfluss bei J&J“, so Streeck gegenüber der Zeitung.

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Immer wieder falsche Prognosen

Die angekündigte ZDF-Sendung mit dem Bonner Virologen hatte bereits im Vorfeld für einige Diskussionen in den Netzwerken gesorgt. Häufig wurde dabei Streecks geringe Trefferquote bei seinen Prognosen als Kritik angeführt. Streeck sei schlicht „kein seriöser Wissenschaftler“, hieß es da etwa. Und eine Chemikerin fragte irritiert auf Twitter: „Es soll eine Sendung geben, die ‚Fakten‘ mit Hendrick Streeck heißt?“

Beispielsweise hatte Streeck in einer Sendung von Markus Lanz im Mai 2020 gesagt: „Ich gehe nicht davon aus, dass wir eine zweite Welle haben werden.“ Später musste er die Aussage revidieren. Zudem hatte der Virologe immer widersprüchliche Aussagen in den Medien vertreten.

Im Sommer 2020 beispielsweise hatte er gegenüber der dpa gefordert, „gezielt mehr Infektionen zuzulassen“ und ein „bisschen mehr Mut“ zu Lockerungen im Sommer zu zeigen. Im Dezember kritisierte er dann gegenüber dem „Merkur“, dass es über den Sommer keinen harten Lockdown gegeben habe. „Dadurch hätten wir es geschafft, die Infektionszahlen auf ein Minimum zu drücken und wieder jede Kontaktperson nachverfolgen zu können“, so Streeck.

Übertriebener „Streeck-Hass“

Auch den Lockdown im Herbst hatte Streeck zunächst in einem Positionspapier abgelehnt, im November dann aber bei Markus Lanz als „das einzige Mittel, das wir noch hatten“ bezeichnet, „Gerade, wenn man über … Krankenhausbelegung redet“. Bereits ganz zu Anfang der Pandemie stand Streeck in der Kritik, weil er bei der Heinsberg-Studie mit der umstrittenen PR-Agentur Storymachine zusammengearbeitet hatte.

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Die Theorie, Streecks Aussagen und Medienpräsenz hätten nun auch noch etwas mit dem Aussetzen des Astrazeneca-Impfstoffs zu tun, geht jedoch auch einigen Diskutanten zu weit. Der „Zeit“-Journalist Lars Weisbrod beispielsweise schrieb am Dienstag: „Euer Streeck-Hass ist inzwischen ein echtes Problem, ihr nährt irgendwelche Verschwörungstheorien, die ihr sonst immer bekämpfen wollt. Was hat Streecks angebliche Verbindung zu Johnson & Johnson mit dem Astrazeneca-Impfstopp zu tun?“

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