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Deutsch-österreichische Produktion

Wo die Dämonen tanzen: Das Finale der Erfolgsserie „Der Pass“ ist düster - und spannend bis zuletzt

Fassungslos vor dem Verbrechen: Gedeon Winter (Nicholas Ofczarek) und Ellie Stocker (Julia Jentsch) mit einem Sondereinsatzkommando. In der dritten und letzten Staffel von „Der Pass“ wird ein besonders perfider Serienmörder gesucht.

Fassungslos vor dem Verbrechen: Gedeon Winter (Nicholas Ofczarek) und Ellie Stocker (Julia Jentsch) mit einem Sondereinsatzkommando. In der dritten und letzten Staffel von „Der Pass“ wird ein besonders perfider Serienmörder gesucht.

Das Erfolgsduo gibt es nicht mehr. Die Berchtesgadener Kommissarin Ellie Stocker will nur noch, dass ihr österreichischer Kollege Gedeon Winter für seinen Verrat büßt. Er hat die Waffe aus dem Verkehr gezogen, mit der die junge Polizistin Yela Antic in der zweiten Staffel der Thrillerserie „Der Pass“ erschossen wurde, und damit verhindert, dass die einflussreiche Familie Gössen mit Mord in Verbindung gebracht werden konnte.

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Winter schützt für die eigene Rettung einen Mörder

Und dass jetzt in der Folge das Projekt von Luxuschalets mitten im Naturschutzgebiet Zilltal vorangetrieben werden kann. Das Geld der Gössens brauchte Winter, um die Kugel entfernen zu lassen, die am Ende der ersten Staffel in seinen Schädel geschossen wurde. Für die Rettung der eigenen Haut also hat Winter sich kaufen lassen. Und das will ihm Stocker nicht durchgehen lassen.

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So wirft sie die für ein drittes Zwei-Staaten-Teamwork in einem neuen Mordfall vorgesehene Marlene Hofer, die vom Innenministerium kommt, weil sie „keine Lust mehr auf Innendienst“ hat, unfair aus dem Rennen. Sie will Gedeon Winter bei der Abrechnung ins Auge blicken. Und das Publikum will mitblicken. Als die sympathische Jungpolizistin Yela Antic am Wildbach auf ihren Tod traf, waren wohl 100 Prozent der „Pass“-Fans aufgebracht.

Die Himmel sind hier grabesgrau, die Räume leichengrün

„Der Pass“, eine deutsch-österreichische Variante der mehrfach „gecoverten“ dänisch-schwedischen Thrillerserie „Die Brücke – Transit in den Tod“ (2011–2018), geht unter die Haut. Das war schon bei den Vorgängerstaffeln so, bei der dritten herrscht das beklemmende Gefühl vom ersten bis zum letzten Bild vor. Nach dem Ende der achten Episode ist man sich nicht sicher, ob man hier je Sonnenlicht gesehen hat.

Die Hauptfarbe der Staffel ist leichengrün, das Tageslicht ist ein fahles Grabesgrau. Schon bei den ersten Bildern liegt ein so dichter Nebel über den Zilltalwäldern, dass die riesigen Nadelbäume wie Algen in einem trüben See wirken. Zwei Jugendliche mit geschorenem Schädel laufen da über eine Wiese, einer rennt in den Wald, aus dem etwas herausstarrt auf den, der sich nicht hineintraut. Creepy!

Mit dem Grusel-Feeling lassen die Serienschöpfer Cyrill Boss und Philipp Stennert sowie die Autoren Christoph Schier, Senad Halilbasic und Robert Buchschwenter über die gesamte Episodendistanz nicht mehr locker. Ein besonderer Mörder macht den Ermittlern zu schaffen. Dass es ein Serienmörder ist, wissen zunächst nur – Vorsicht, Sie betreten die Gefilde des Spoilerns – die Zuschauerinnen und Zuschauer. Eine Hand ist zu sehen, die einen Oktaeder-Würfel wirft. Zeigt der griechische Buchstabe Omega nach oben, der bekanntermaßen auch für „das Ende“ steht, ist der im Visier Befindliche des Todes.

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Ein Serienmörder, der kein Muster erkennen lässt

Die Todesarten sind dabei völlig verschieden, es findet sich kein Muster wie die Halsschleifen des „Boston Strangler“ im vor ein paar Wochen bei Disney+ gestarteten Thriller mit Keira Knightley oder die entfernten Hautstücke beim Killer aus Jonathan Demmes „Das Schweigen der Lämmer“ (1991). Die Fährtensuche verläuft entsprechend zäh. War es ein Satanist? Ein Reichsbürger?

Schaurige Folklore steht auch diesmal wieder im Hintergrund. Die Zilltal-Sage vom „Schinderjackl“ steht in dem Buch, dass Antic dem Grantler Winter geschenkt hatte – eine Art alpenrepublikanische Rattenfänger-von-Hameln-Variante mit Teufelsbezug. Der von seiner Mutter als Hexer Verstoßene scharte Kinder um sich, die er beschützte, die er aber bei Nichtbefolgen seiner Regeln auch grausam bestrafte.

Die Szene der Kinder am Waldrand stammt aus dieser Geschichte, immer wieder wird sie in der Serie ein kurzes Stück weitererzählt. Nur dass man bald seine Zweifel hat, ob die Bilder dieses Erklärstücks alle aus grauer Vorzeit stammen. Oder nicht doch sehr heutig sind.

Die Serienmacher leuchten in Gedeon Winters Trauma hinein

Die inneren Dämonen reißen an den beiden Protagonisten ruppiger denn je. Bei Stocker ist es die Liebesunfähigkeit, die – ähnlich wie beim schwedischen Original Saga Noren – zwar Sex erlaubt, aber keine tiefere Bindung. Der Job frisst all ihre Kraft und je näher sie ihrem alten Kompagnon Winter doch wieder kommt und je hartnäckiger die internen Ermittler versuchen, sie zu belastenden Aussagen ihm gegenüber zu bewegen, desto stärker tritt ihr Rachewunsch in den Hintergrund.

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Der bei Winter dagegen immer glühender wird. Man erfährt in dieser Staffel endlich, worin die eklatante Unaufgeräumtheit und Impulsivität des Charakters begründet liegt. Nicholas Ofczarek und Julia Jentsch sind ein Traumpaar der Dunkelheit. Und August Diehl offenbart als verdächtiger Waldbewohner eine Aura, die Winter glauben lässt, sein Gegenüber könne ihm ohne Lippenbewegung geradewegs in den Kopf hineinsprechen.

Der letzte „Pass“ ist bis zur letzten Minute vor dem Ende so intensiv, dass man nicht aufhören kann, diese Staffel zu „bingen“ und kaum merkt, wie die Zeit vergeht. Ein bisschen hartgesotten muss man schon sein, denn es geht in das hinein, was der Schriftsteller Joseph Conrad „Herz der Finsternis“ nannte. Und wenn man in einem der urweltlich anmutenden schattengrünen Tannenwaldsuchbilder plötzlich wieder diese kleine schwarze Silhouette des Bösen ausmacht, stellen sich einem die Nackenhaare der Angst sofort lotrecht. Das hier ist allerthrilligster Thrill – einer von der Klasse der ersten Staffel von „True Detective“.

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Woran – last but not least – die Komponisten Markus Krenzl und Matthias Jakisic bannig Anteil haben. Es gibt in dieser Staffel Geräuschmusik – ein Läuten und Knistern, Rauschen und Brodeln, ein An- und Abschwellen von Klängen. Die Instrumente beobachten und lauern, sie seufzen und heulen, sie klagen und drohen. Bevor sich ab der vorletzten Folge erstmals traurige Töne zu einer Melodie verbinden, gibt es keine fünf Minuten am Stück, in denen einem diese „Musik“ nicht die Hand ums Herz legt und unangenehm zudrückt.

Die letzte Szene zeigt Ellie und Gedeon, wie sie in einer Kneipe zu Wolfgang Ambros‘ Siebzigerjahresong „I drah zua“ miteinander tanzen. Klingt nach Happy End. Ist es aber nicht.

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„Der Pass“, dritte und letzte Staffel, acht Episoden, von Philipp Stennert und Cyrill Boss, mit Julia Jentsch, Nicholas Ofczarek, Daniel Brühl, Johannes Zirner, Lucas Gregorowicz, Linde Prelog, Martin Feifel (ab 4. Mai bei Wow)

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