WM 2022: Eine Quotenkatastrophe für ARD und ZDF
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Danke, kein Interesse: Leer sind die Sitzbänke und Tische im Außenbereich einer Kneipe im Frankfurter Szeneviertel Alt-Sachsenhausen, während auf einem Fernseher ein WM-Spiel aus Katar übertragen wird.
© Quelle: Boris Roessler/dpa
Es ist ein Desaster. Keine zehn Millionen Zuschauer für ein WM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft. Das übliche WM-Publikum: halbiert. Der einstige Straßenfeger Fußball lässt die Mehrheit der Zuschauer kalt. Und wer noch Zweifel hatte, ob der massenhaft angekündigte WM-Privatboykott in Umfragen und Gesprächen tatsächlich Bestand haben würde, wenn der Ball in Katar erst mal rollt, kann angesichts der Katastrophenquoten nur zu einem Schluss kommen: Die Deutschen meinen es sehr ernst mit ihrer Ablehnung des bizarren Wüstenspektakels. Millionen boykottieren diese WM tatsächlich. Selbst dann, wenn Deutschland spielt.
Nur 9,23 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer sahen am Mittwoch in der ARD die 1:2-Auftaktniederlage der deutschen Mannschaft gegen Japan. Das ergab einen Marktanteil von 59,7 Prozent. Das klingt nach viel. Es bedeutet aber nicht, dass 60 Prozent der Deutschen das Spiel sahen, sondern nur, dass knapp 60 Prozent, die zu dieser Tageszeit fern sahen, die WM einschalteten. 40 Prozent guckten etwas anderes.
Es ist die niedrigste Quote eines deutschen WM-Spiels seit Beginn der systematischen Erfassung der TV-Quoten. Bei der WM vor vier Jahren in Russland hatten das Erste und das ZDF in den drei Gruppenspielen des DFB-Teams im Schnitt jeweils mehr als 25 Millionen Zuschauer. Die Marktanteile lagen damals zwischen 76,3 und 87,4 Prozent. Und das, obwohl im Sommer üblicherweise viel weniger Menschen fernsehen als im Herbst und Winter. Kurz: Das Interesse hat sich im Vergleich zur WM 2018 mehr als halbiert.
RND-Kolumnist Philipp Lahm: „Diese leichten Fehler dürfen gegen Spanien nicht passieren“
Die deutsche Nationalmannschaft hat das Auftaktspiel der WM verloren. RND-Kolumnist Philipp Lahm analysiert im Video das Spiel und den weiteren Turnierverlauf.
© Quelle: RND
Diese WM ist in Deutschland ein Flop
Damit bestätigt sich der Negativtrend der ersten WM-Tage auf das Spektakulärste. Kein einziges Spiel dieser seltsamen, hochumstrittenen Veranstaltung kam bisher über die Zehn-Millionen-Marke. Am Montag schlug sogar ein „Donna-Leon“-Krimi im Ersten den Marktanteil des WM-Spiels USA gegen Wales im ZDF. Und das Spiel der beiden deutschen Gruppengegner Spanien und Costa Rica (7:0) landete mit 3,890 Millionen Menschen (21,9 Prozent) sogar unter vier Millionen. Zur Einordnung: Zu diesem Zeitpunkt der WM gab es vor vier Jahren bereits mehrere Spiele, die die Zehn-Millionen-Zuschauer-Marke locker übersprangen. 2018 lag keines der drei deutschen Spiele bei weniger als 25 Millionen Zuschauern, auch nicht das 16-Uhr-Spiel gegen Südkorea.
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Quotenflop für ARD und ZDF: Blick in den technischen Kontrollraum im WM-Sendezentrum von ARD und ZDF in Mainz.
© Quelle: Michael Rossmann/dpa
Die Zahlen lügen nicht. Diese WM ist in Deutschland ein Flop. Unklar ist, wie viele Menschen die WM auf Magenta TV schauen. Die Telekom gibt keine Zuschauerzahlen bekannt. Auch die Mediathekenabrufe werden nicht gesondert ermittelt. All die bekannten Zahlen lassen aber nur einen Schluss zu: Das kata(r)strophale Bild, das die Fifa, das Gastgeberland Katar und die Fußballindustrie selbst abgeben, drückt massiv die wichtigste Währung, auf die Fifa-Sponsoren, Werbetreibende und TV-Rechteinhaber setzen: die Quote. Wenn nur die Hälfte der erwarteten Zuschauer einschaltet, erreichen die Werbebotschaften und bunten Bilder auch nur die Hälfte der Kundschaft.
Es lag nicht an der frühen Anstoßzeit
Es dürfte bei der Ablehnung nicht allein um Menschenrechte und Regenbogenbinden gehen. Denn die Quotenmisere verläuft parallel zu einer sportlichen Krise der Nationalmannschaft. In den letzten neun Spielen bei großen Turnieren hat die DFB-Elf nur zweimal gewonnen – und sechsmal verloren. In den letzten 14 Spielen gegen aktuelle Teilnehmer der Katar-WM gab es laut Sport1 nur einen einzigen Sieg, acht Unentschieden und fünf Niederlagen. Auch das drückt die Lust massiv.
Deutsche Auftaktniederlage gegen Japan sehen „nur“ 9 Millionen in der ARD
Den Auftritt der Nationalmannschaft bei der WM 2022 wollten viel weniger Zuschauer sehen als bei vergangenen WM-Spielen.
© Quelle: dpa
Lag es an der frühen Anstoßzeit des Deutschland-Spiels? Wohl kaum. Bei der WM in Südafrika 2010 wurde das zweite Gruppenspiel Deutschlands gegen Serbien (0:1) bereits um 13.30 Uhr angepfiffen. Damals schalteten 22 Millionen Zuschauer ein. Acht Jahre zuvor, bei der WM 2002 in Japan und Südkorea, schauten immerhin 15,7 Millionen deutsche Zuschauer das letzte Gruppenspiel gegen Kamerun (2:0) ein. Anstoß war damals ebenfalls schon um 13.30 Uhr. Wer WM gucken will, nimmt sich die Zeit. Wer es – wie in diesem Jahr – nicht will, lässt es eben bleiben. Und das sind ohne jeden Zweifel Millionen.