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RND-Interview

„Rote Rosen“-Star Sarah Masuch: „Deutschsein bedeutet nicht unbedingt Weißsein“

Sarah Masuch ist die Heldin der 21. Staffel „Rote Rosen“.

Sarah Masuch ist die Heldin der 21. Staffel „Rote Rosen“.

Sarah Masuch (45) spielt seit Mai 2022 die Figur der Anette Roth in der ARD-Serie „Rote Rosen“, in der aktuellen Staffel ist sie mit dieser Rolle die „Hauptrose“ und damit die erste schwarze Hauptdarstellerin in der Daily Soap. Der Dreh ist nun abgeschlossen, aber auf den Fernsehbildschirmen ist die Schauspielerin, die zuvor unter anderem sieben Jahre in der „Lindenstraße“ mitspielte, noch bis Dezember täglich zu sehen.

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Sarah Masuch, wie ist es für Sie, dass Ihre Hautfarbe in Zusammenhang mit Ihrer „Rote Rosen“-Rolle thematisiert wurde? Sollte das nicht eigentlich gar keine Rolle mehr spielen?

Ja und nein. Damit die Hautfarbe keine Rolle mehr spielt, muss man erst mal die Tatsache anerkennen, dass sie es immer noch tut. Ich möchte natürlich in einer Welt leben, in der ich einfach als Schauspielerin wahrgenommen werde, nicht speziell als Schauspielerin of Color. Aber ich bin seit 20 Jahren im Beruf und so weit sind wir noch nicht. Nur weil sich seit George Floyds Tod alle gegen Rassismus aussprechen, ist er noch lange nicht weg. Er speist sich aus Bildern und Erzählungen, von denen wir alle geprägt sind, und solange man sich damit nicht auseinandergesetzt hat, kann man eigentlich gar nicht wissen, ob man Rassist ist oder nicht.

Wie sehr haben Sie sich selbst mit der Thematik auseinandergesetzt?

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Ich bin durch meine Hautfarbe von klein auf nicht darum herumgekommen, mich damit auseinanderzusetzen. Nicht, weil mir das Thema Rassismus so viel Spaß macht und ich ständig Lust habe, mich damit zu beschäftigen. Ich war und bin dazu gezwungen, weil immer mal wieder Dinge passieren, die es nötig machen.

Ändert sich denn mit Blick darauf gerade etwas in der Schauspielbranche?

Ja, die Branche bewegt sich in Sachen Diversität. Die Produktionen wollen diverser besetzen und rufen gezielt alle, unabhängig von Alter oder Ethnie, auf, sich zu bewerben. Früher brauchte ich mich bei einem historischen Film zum Beispiel gar nicht zu melden. Jetzt wird der Markt geöffnet, das ist toll. Da gibt es natürlich sofort Stimmen, die meinen, als weißer Schauspieler hätte man jetzt weniger Chancen und Schauspieler of Color würden die Rollen nur wegen ihrer Hautfarbe bekommen. Das ist ein schmerzhaftes Missverständnis. Ich bin seit 20 Jahren im Beruf – als ich angefangen habe, wurde Schwarzsein noch relativ offen als Nachteil betrachtet. Trotzdem haben sie mich am Hamburger Schauspielhaus genommen wegen meiner Fähigkeit als Schauspielerin.

Was haben Sie anfangs für Erfahrungen in der Branche gemacht?

Früher habe ich oft Filmrollen angeboten bekommen, in denen ich zum Beispiel mit Akzent sprechen sollte. Da habe ich einen Caster ganz vorsichtig darauf aufmerksam gemacht, dass er mich ja auch mal bei nicht exotischen Rollen vorschlagen könnte. Daraufhin hat er nur gestöhnt und gesagt: „Jetzt nervst du auch noch mit dem Thema.“

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Das könnte man heute aber nicht mehr sagen.

Ja, da hat sich was bewegt. Es ist nicht so, dass mir nicht immer noch Alltagsrassismus begegnet. Auch das N-Wort fliegt mir immer mal wieder an Sets um die Ohren, sei es um Schokoküsse zu bezeichnen oder die Abblende aus der Lichtabteilung. Und damals auf der Schauspielschule in München gab es ein Weißbier mit Cola, das wurde auch so genannt. Das sind Realitäten, mit denen ich groß geworden bin und die schon immer schmerzhaft waren, mit denen man früher aber eher alleine war. Heute gibt es immerhin eine Diskussion und die Möglichkeit, es nicht so stehenzulassen.

Was machen Sie, wenn Ihnen heute Alltagsrassismus begegnet?

Das kommt auf die Situation an. Im Arbeitszusammenhang bin ich eher nachsichtig. Da wird mir vielleicht von Hardlinern vorgeworfen, dass ich zu lasch bin. Aber ich möchte eine Brücke bauen, ich möchte, dass der andere mich versteht. Am besten geht das in meinem Fall durch Arbeit. Wenn ich bei „Rote Rosen“ zwei Staffeln lang über den Bildschirm flimmere, macht das was mit der Sehgewohnheit der Leute. Dasselbe gilt für meine sieben Jahre als Ärztin in der „Lindenstraße“. Das sorgt dafür, dass sich dieses Gefühl der Selbstverständlichkeit und der Irrelevanz der Hautfarbe einstellt. Wenn jemand, der oder die mir eigentlich sympathisch ist, etwas Rassistisches sagt, mache ich die Person darauf aufmerksam und frage, ob er oder sie das Buch „Exit Racism“ von Tupoka Ogette kennt. Das Buch empfehle ich immer gern, um sich in das Thema einzulesen. Die Autorin und ihr Mann waren übrigens auch zu einer Keynote, einem anderthalbstündigen Vortrag, bei den „Roten Rosen“. Das wäre etwas, was in der Branche häufiger gemacht werden könnte.

Was noch?

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Auch ein Verhaltenskodex macht Sinn. Sowas hat Netflix zum Beispiel, den Code of Conduct, das ist ein Filmchen über gewaltlose Sprache, gewisse Verhaltensregeln, über was man sagt und was man nicht sagt, und in dem man sich auf ein für alle angenehmes Miteinander einigt. Das ist ein Schritt, der ruhig von allen Produktionsfirmen übernommen werden kann. Dann gibt es natürlich immer die, die meinen, dass man ja nichts mehr sagen darf und ständig über so unangenehme Themen reden muss. Aber es geht ja darum, diese Dinge jetzt zu klären, damit man es danach eben nicht mehr muss. Aber ich bin keine Aktivistin, ich bin Schauspielerin. Mein persönlicher Weg ist, mit meinem Spiel zu zeigen: „Ich bin ein Mensch wie du“.

Zodwa Selele spielt Hermine im Theaterstück "Harry Potter und das verwunschene Kind" am Mehr!-Theater in Hamburg.

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Haben Ihnen da am Anfang Ihrer Karriere Vorbilder gefehlt?

Ich habe lange eine große Portion an Naivität an den Tag gelegt, die diesbezüglich von Vorteil war. Ich bin einfach losgegangen, auch ohne Role Model. Aber natürlich haben mir Vorbilder gefehlt. Wenn, dann gab es welche in Amerika, zum Beispiel in der „Bill Cosby Show“. Da waren schwarze Schauspielerinnen zu sehen und ich habe gestaunt, was die alles mit ihren Haaren machen konnten. Das ist auch ein großes Thema in der Branche.

Inwiefern?

Es ist ganz wichtig, dass Maskenbildnerinnen und -bildner in der Ausbildung lernen, wie man mit Afrohaaren umgeht oder auch mit asiatischem Haar oder wie man ältere Menschen schminkt. Ich habe mit Erschrecken von einer Maskenbildnerin in meinem Alter gehört, dass sie in der Schule das Fach „ethnisches Schminken“ hatte und da gelernt hat, wie man ein weißes Gesicht schwarz, chinesisch oder eben alt schminkt. Und eine junge Maskenbildnerin bei den „Roten Rosen“ sagte mir, dass sie das Fach auch noch hatte. Vor einem oder zwei Jahren wurde das offenbar abgeschafft, das ist gut. Aber noch besser wäre es, wenn an derselben Stelle zum Beispiel gelehrt würde, was man mit Afrohaaren alles für Frisuren machen kann, um Bedingungen zu schaffen, unter denen sich ein diverser Cast genauso wohlfühlen kann wie alle anderen auch.

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„Bei der Lindenstraße gab es schon Diversität, als noch keiner darüber gesprochen hat“, haben Sie mal gesagt. Was hat die mittlerweile eingestellte Serie anderen deutschen TV-Projekten voraus?

Die „Lindenstraße“ hatte eine Haltung. Es waren ja nicht nur People of Color. Es war auch das Kind mit Down-Syndrom, das damals schon in die Lindenstraße reingeboren wurde, der viel zitierte erste homosexuelle Kuss im Fernsehen, die Themen Islam und Transsein. Das hat die Serie einzigartig gemacht. Und es war nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern es wurde einfach eine gemischte Gesellschaft gezeigt. Eine Gesellschaft, wie die, in der wir leben.

Mittlerweile setzen auch andere Formate darauf, auch „Rote Rosen“ hat zum Beispiel einen Schauspieler mit Down-Syndrom oder eine trans Figur …

Jetzt ist Diversität fast ein Trend. Das ist trotzdem gut, aber die „Lindenstraße“-Macher haben sich eben schon vorher darüber Gedanken gemacht und nicht erst jetzt, wo es in aller Munde oder teilweise gefordert ist. Ich habe kürzlich mit einer älteren schwarzen Schauspielerin gesprochen, einer ausgebildeten Opernsängerin. Zu Beginn ihrer Karriere hat sie nirgendwo an der Oper eine Anstellung bekommen. Bei ihrem ersten Job hat sie schließlich hinter einem Vorhang gesungen und vorne hat eine weiße Sängerin die Lippen dazu bewegt. Jetzt wird sie endlich auch für die Rolle der Anwältin oder Ärztin angefragt und nicht nur für die Putzfrau, die hinten durchs Bild wischt. Also, auch wenn es eine Art Trend ist, ist es toll, dass das für die Sichtbarkeit von Schauspielern sorgt, die vorher nicht wahrgenommen worden sind, weil man einfach in Weiß gedacht hat. Deutschsein bedeutet nicht unbedingt Weißsein. Das ist aber etwas, das noch sehr fest in den Köpfen sitzt und sich erst langsam ändert.

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