Neues Team für den Jubiläums-„Polizeiruf 110“: In Halle geht’s um mehr als einen Messermord
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Kommissar Michael Lehmann (Peter Schneider) und Kommissar Henry Koitzsch (Peter Kurth) am Tatort.
© Quelle: MDR/filmpool fiction/Felix Abraham
Als wenn es nicht schon genug Grund zum Feiern gibt: Zum 50-jährigen Jubiläum der Krimireihe „Polizeiruf 110″, entstanden damals in der DDR als Antwort auf den „Tatort“, tritt auch noch ein neues Duo auf den Plan. In Halle ermitteln im Jubiläumsfall „An der Saale hellem Strande“ (30. Mai, 20.15 Uhr, ARD) Peter Kurth als Kriminalhauptkommissar Henry Koitzsch und Peter Schneider als Kommissar Michael Lehmann – und tappen bei ihrem ersten Auftritt ganz schön im Dunkeln.
Der Messermord, um den es geht, ist bereits drei Monate her. Ein Mann wurde auf der Schwelle zu einem Haus von vorne erstochen – doch der Mörder ist noch nicht gefunden, und eine heiße Spur fehlt den immer wieder frustriert wirkenden Kommissaren immer noch. Also laden sie nach einer Telefondatenauswertung einfach massenhaft Zeugen ein, die an diesem Abend in besagter Straße unterwegs waren, irgendwas gehört oder gesehen haben könnten, und befragen sie. Was zuweilen kuriose Situationen herbeiführt: So will etwa ein möglicher Zeuge plötzlich die Tat selbst begangen haben und bedroht die beiden Polizisten dann auch noch mit einem Messer. Eine andere mögliche Zeugin macht ein Spielchen aus der Befragung, sagt mal „Ja“, mal „Nein“, und gibt wichtige Informationen nur preis, wenn sie es denn gerade will.
Kaum vorangehende Ermittlungen, liebevoll skizzierte Charaktere
Und während die Ermittlungen kaum vorangehen, treten in diesem von dem Leipziger Autorenteam Clemens Meyer (im Film auch als Wirt zu sehen) und Thomas Stuber geschriebenen Fall die verschiedenen Charaktere in den Vordergrund, werden liebevoll skizziert, während die Auflösung des Mordes weiterhin in weiter Ferne liegt. Da ist etwa Maik Gerster, der bei seiner Zeugeneinladung in Panik gerät, weil er aus Polizeisicht kein unbeschriebenes Blatt ist – hat er doch früher Autos geklaut – und an dem Abend in eben jener Straße einen Ausraster hatte, weil ihm das von der Tochter sehnlichst gewünschte Spielschloss bei einem Ebay-Verkäufer vor der Nase weggeschnappt wurde und er es sich neu nicht leisten kann. Dass der beruflich eher auf Konfrontation bedachte Kommissar Koitzsch – der privat im Übrigens per Zeitungsannonce nach einer Partnerin sucht – ihn dann auch noch verbal angeht, macht es nicht besser. Gut, dass dessen Kollege Lehmann den ruhigeren, bedachteren Part des Duos einnimmt.
Dann ist da noch der alte Lokführer, der offenbar mit dem mutmaßlichen Täter in der Straßenbahn saß und gemeinsam mit ihm ausgestiegen ist – und sich doch nicht an ihn erinnern mag. Er schwelgt stattdessen in alten Erinnerungen an die Reichsbahn, „unsere Eisenbahn“, und hilft den skeptischen Kommissaren wenig weiter. Und dann gibt es da noch die Nachbarn des Toten, die sich irgendwie komisch verhalten. Sie alle könnten verdächtig sein – oder eben auch nicht.
Der Frust der Kommissare steigt
Der Frust steigt bei Koitzsch und Lehmann mit der Unsicherheit: Während Ersterer Trost im Alkohol sucht, hofft Letzterer auf einen Rat seines Schwiegervaters – der kein Geringerer als der altgediente Kommissar Thomas Grawe (wieder gespielt vom bereits 1995 ausgestiegen Andreas Schmidt-Schaller) ist, mittlerweile in Rente, und sich um seine Enkelkinder kümmert.
Dieser Jubiläumsfilm ist ein typischer „Polizeiruf“ mit untypischem Ende. Hier geht es zwar um einen Messermord, ein richtiges Verbrechen, doch was man tatsächlich sieht, sind die kleinen Geschichten dieser Menschen in Halle, die geprägt sind von Alkoholismus, Armut, alten Erinnerungen. Ausgeruht werden sie erzählt – inklusive Reminiszenzen an alte Zeiten und alte „Polizeirufe“, wie es sich für einen Jubiläumskrimi gehört.
Das neue Duo, mit dem rauen, gleichzeitig romantischen Kommissar Koitzsch und dem zugänglicheren, manchmal trotzdem verzweifelnden Ermittler Lehmann, überzeugt bei seiner Premiere. Mehr davon, bitte.