Neues Duo aus Kurth und Schneider: Hinter „Polizeiruf“ steckte „politischer Erziehungsgedanke“
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/WCVQSRXHKFBR3DIJXFC5PI6M6I.jpg)
Szene aus „Polizeiruf 110: An der Saale hellem Strande“: Kommissar Michael Lehmann (Peter Schneider) und Kommissar Henry Koitzsch (Peter Kurth) am Tatort.
© Quelle: MDR/filmpool fiction/Felix Abraham
Der „Polizeiruf 110″ wird 50 Jahre alt. Zum Jubiläum zeigt das Erste den Krimi „An der Saale hellem Strande“. Darin ermitteln erstmals die Schauspieler Peter Kurth und Peter Schneider als Henry Koitzsch und Michael Lehmann in Halle an der Saale. Der Film mit dem neuen Duo läuft am 30. Mai ab 20.15 Uhr im Ersten.
Der „Polizeiruf“ konnte sich als einziges Format aus DDR-Zeiten im ARD-Hauptprogramm etablieren, ihn gibt es jetzt seit 50 Jahren. Warum funktioniert das Format so gut?
Peter Schneider: Ich glaube, das hat auch damit zu tun, dass der „Polizeiruf“ identitätsstiftend ist für den ostdeutschen Teil und im besten Sinne auch ein Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten repräsentiert. Der „Polizeiruf“ wird ja mittlerweile nicht nur von Ostdeutschen geguckt, er repräsentiert eine gesamtdeutsche Geschichte nach der Einheit.
Trotzdem wird der „Polizeiruf 110“ oft als ostdeutscher „kleiner Bruder vom ‚Tatort‘“ bezeichnet.
Peter Kurth: Der „Polizeiruf“ war eine Antwort auf den „Tatort“, um den DDR-Bürgern ein ähnliches Format zu bieten, jedoch zugeschnitten auf das eigene System. Aber kein Format hält sich, wenn es nicht gesehen wird. Ich freue mich sehr, dass dieses Format immer noch existiert.
Was verbinden Sie mit dem „Polizeiruf“? Haben Sie den als Jugendliche schon gesehen?
Kurth: Ich war 14, als der erste „Polizeiruf“ lief, den habe ich noch nicht gesehen. Aber später gehörte das zum festen Programm. Natürlich steckte dahinter ein politischer Erziehungsgedanke. Das Format „Polizeiruf“ war aber so interessant, weil es nur über einen Konflikt erzählt werden konnte. Es musste sich jemand gegen das System auflehnen, ein Verbrechen begehen. Im Sozialismus durfte es aber keine Kapitalverbrechen oder Serienmörder geben, also wurden dann eher die kleinen, persönlichen Geschichten wie Alkoholismus oder Diebstahl et cetera erzählt. So ist unfreiwillig etwas Subversives entstanden.
Schneider: Ich war noch nicht geboren, als es mit dem „Polizeiruf“ losging. Ich habe den das erste Mal so mit zwölf, dreizehn Jahren mit meinen Eltern gesehen. Das war eine Art Tradition. Auch wenn ich jetzt manchmal ganz alte „Polizeirufe“ sehe, fühle ich mich irgendwie hingezogen zu dieser kleinen, funktionierenden DDR, wo alles halbwegs in Ordnung war. Man verklärt das natürlich, die DDR war natürlich nicht so und es gab auch dort Verbrechen.
Heute ist der „Polizeiruf“ oder „Tatort“ am Sonntagabend ja auch bei vielen eine Tradition.
Schneider: Ja, und es freut mich, dass der „Polizeiruf“ zu einer gesamtdeutschen Reihe geworden ist. Es gibt wenige Beispiele dafür, dass etwas im Osten Entstandenes herüberschwappt in den Westen Deutschlands. Das gibt es sonst, glaube ich, nur noch beim grünen Rechtsabbiegerpfeil. Das ist auch etwas Gesamtdeutsches, das aus dem Osten kommt (lacht).
Ihre Kommissare sind sehr unterschiedlich, denken aber beide schon über die Rente nach. Der von Ihnen, Peter Kurth, gespielte Henry Koitzsch ist der Ältere. Begrenzt das auch die Dauer dieses Duos?
Kurth: Ich denke, wir wollen noch ein paar Geschichten erzählen. Wie weit das dann führt, werden wir sehen.
Schneider: Bei uns ist ja auch der von Andreas Schmidt-Schaller gespielte, altgediente „Polizeiruf“-Kommissar Thomas Grawe als Rentner und Schwiegervater meiner Figur dabei. Da sieht man: Der ist lange schon in Rente, aber das sagt nichts aus (lacht).
Sehnen Sie sich in Ihrem Job als Schauspieler auch nach Rente – oder wollen Sie so lange schauspielern, wie es geht?
Kurth: Rente – was ist das?
Schneider: Als ich vor 21 Jahren in den Beruf gegangen bin, ging es bei meinem Versicherungsberater immer um Altersvorsorge. Ich habe nicht verstanden, wovon der redet, weil ich mir nicht vorstellen kann, mit 67 in Rente zu gehen. Solange mein Kopf und Körper mitmachen, würde ich gern weitermachen. Mich hat es am Theater aber immer schockiert, dass da sehr wenige ältere Kolleginnen und Kollegen sind. Da muss sich etwas ändern in den Köpfen der Menschen, die Geschichten erzählen – dass das Altersspektrum auch so erzählt wird, wie es in der Realität unserer überalterten Gesellschaft ist. Es gibt auch im Film so eine komische Tendenz, dass Ältere in Geschichten nur wenig vorkommen.
Der geschiedene Kommissar Henry Koitzsch sucht über Zeitungsannoncen nach einer Partnerin, mit einem Zitat von Heine: „In der Jugend ist die Liebe stürmischer, aber nicht so stark, so allmächtig wie später.“ Würden Sie das so unterschreiben?
Kurth: Auf jeden Fall! Die Liebe entwickelt sich im Alter.
Schneider: Ich bin eher bürgerlich aufgestellt mit Ehefrau und Kindern, und das verändert sich mit der Zeit, man kann das gar nicht werten, ob es gut oder schlecht ist. Das Zitat beschreibt wunderschön die Wege, die man in der Liebe gehen kann.
Haben Sie jemals eine Partnersucheannonce geschaltet?
Schneider: Ich nicht, nein.
Kurth: Ich auch nicht.
Schneider: Ich lese aber gern Partnerannoncen. Im „Magazin“, das es schon zu DDR-Zeiten gab, gibt es noch abgedruckte Partnerannoncen, zwei Seiten lang. Die sind oft sehr poetisch, oder manchmal suchen auch Kinder für ihren Vater heimlich jemanden.