Mit Met, Mut und Bildgewalt – zum Ende der Historienserie „Vikings“

Auf seinem Land strandet im unfruchtbaren Grönland ein Wal: Kjetill Flatnose (Adam Copeland, links), hier mit seiner Familie, will Fleisch und Tran nicht mit den anderen Wikingern der großen Überfahrt teilen.

Auf seinem Land strandet im unfruchtbaren Grönland ein Wal: Kjetill Flatnose (Adam Copeland, links), hier mit seiner Familie, will Fleisch und Tran nicht mit den anderen Wikingern der großen Überfahrt teilen.

Zwei Wikinger sitzen am Meer und unterhalten sich über die alten Zeiten. „Ist dies das Ende?“, fragt der Bartlose den Bärtigen. Und darauf antwortet der Alte gar nicht mehr, sondern blickt nur versonnen auf den friedvollen Wasserspiegel, hinter dem die Sonne sich zu versinken anschickt. Denn dies ist tatsächlich das Ende. Die Serie „Vikings“, die für ihr Publikum seit 2013 Blut, Schweiß und Tränen fließen ließ, wird keine siebte Staffel mehr bekommen, die TV-Saga von Ragnar Lothbrok und seinen Söhnen ist auserzählt.

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Das ist einerseits traurig, denn der Thronstreit nach dem Tod Ragnars war unzweifelhaft ein spannender Neubeginn nach der gefühlt ewigen Agonie des Vaters in der vierten Staffel. Andererseits finden sich im blutigen Kehraus von Michael Hirsts Schwert-und-Sterbe-Opus Redundanzen und Logikschwächen, die nahelegen, dass Weitererzählen auch keine Option war.

Björn Eisenseite erlebt noch einen „El Cid“-Moment

Wer sich im Trailer wunderte, dass Björn Eisenseite (Alexander Ludwig) noch auftauchte, wiewohl er im Krieg gegen die christianisierten Waräger des Rus doch ein tödliches Eisen in den Leib gerammt bekommen hatte, der wird Ragnars bedeutendsten Sohn – Vorsicht: Spoiler! – tatsächlich in einem mythischen, von der iberischen „El Cid“-Legende inspirierten Abgang hoch zu Ross erleben.

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Zwei weitere Hauptschauplätze hält das Finale bereit: Björns Brüder Ivar (Alex Hogh Andersen) und Hvitserk (Marco Ilso) konspirieren in Kiew gegen den unrechtmäßigen Herrscher Prinz Oleg (Danila Kozlowsky). Und der vierte Ragnar-Spross Ubbe (Jordan Patrick Smith) wagt mit seiner Familie und einem Boot voller Gefährten die große Überfahrt ins „goldene Land“, das ihm der undurchsichtige Othere (Ray Stevenson) verspricht.

Zunächst landet er jedoch im unfruchtbaren Grönland, wo ein gestrandeter Wal nicht nur für eine der imposantesten Szenen der Serie sorgt, sondern auch den christlichen Gott der Liebe ins rechte Licht rückt. Götter bedeuten so gut wie immer Tod im bildschönen, finsteren Mittelalter von „Vikings“, egal, ob sie den Hammer Mjölnir schwingen oder eine Dornenkrone tragen.

Manche Figuren handeln wider besserer Vernunft

Zuweilen schwächelt die Erzähllogik schwer. Weshalb haben Ivar und Hvirtsek nichts Besseres zu tun, als nach Kattegat zurückzukehren, wo sie als Verräter mit ihrer Hinrichtung rechnen müssen? Weshalb ernennt König Harald vor dem Kriegszug gegen König Alfred von Wessex den offen ambitionierten und an seinen beiden Königinnen Gunnhild und Ingrid unbotmäßig interessierten Erik zum Mitregenten während der Zeit seiner Absenz?

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Es scheint, als strebten die letzten großen Nordmänner und -frauen der Serie nach dem Tod, weil auf Erden eine Leere sich breitmacht am Ende alles Schwertersingens. Was tun, wenn die ebenbürtigen Gegner ausgehen? Man sucht den Platz an der Tafel der Götter, wo süßer Met, heiße Walküren und derbe Lieder nie ausgehen. „Helden wie diese wird es nie mehr geben“ – dieser melancholische Satz fällt mehr als einmal.

Wissensmängel werden mit Fantasie gefüllt

Historisch wahr ist einiges, vieles aber ist Fiktion. Die massiven Wissensmängel werden von den Serienmachern um „Vikings“-Erfinder Hirst mit Fantasie aufgefüllt, bis der Zuschauer ein wahrhaftiges „Gefühl“ für die Epoche von Ragnar und den ikonischen Langbooten bekommen hat. Die Entdeckung Amerikas etwa wird im letzten Durchgang einfach Ubbe in die Stiefel geschoben und gut ein Jahrhundert vorverlegt (wiewohl ein einzelner Nordmann der Serie, der an dieser Stelle nicht verraten werden soll, es sogar schon ein paar Jahre früher in die neue Welt geschafft hat).

Die Gefahr, dass Ubbe so den in Skandinavien mit einem Festtag als Amerikaentdecker gefeierten Leif Eriksson aus dem Kopf der „Vikings“-Fans verdrängen könnte, besteht durchaus. Die amerikanische Gedächtnisforscherin Elizabeth Loftus gab erst vorigen Sonntag (3. Januar) in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zu bedenken, dass die falschen Informationen sogenannter Historienserien von Betrachtern für wahr genommen würden. Das bequeme Gehirn unterscheide nicht zwischen Wahrheit und Fiktion. Nun ja, Hauptsache, Historiker halten dem Brausen der opulenten Bilder stand. Skol!

Wiewohl es wie so oft gerade die kleinen Momente des Menschelns sind, die sich in „Vikings“ nachhaltig im Publikum verankern. Wenn Ivar, der hüftabwärts gelähmte, kampflustigste Krieger beim Abschied aus Kiew ein weinendes Kind (Oran Glynn O’Donovan) in den Armen hält, das ihn ewiger Liebe versichert, rührt einen dieser väterliche Impuls mehr an als 100 anrollende Landungsboote des Rus. Und auch als Ubbe dem Schwertschwingen entsagt und nach seiner mörderischen Odyssee einen neuen Anfang wagt (natürlich gibt es noch den obligatorischen Sündenfall – den Mord aus Goldgier an einem Ureinwohner), ist man durchaus bewegt. Ein Krieger schließt Frieden mit sich und der Welt. Man will da nicht aufhören zuzuschauen.

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Und muss doch. Als die Sonne den Horizont berührt und die beiden Männer vom Anfang dieses Textes verstummen, läuft der letzte Abspann. Heldendämmerung.

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Ein paar Sätze des Trostes zum Schluss: In vermutlich zwei Jahren startet bei Netflix ein 100 Jahre später handelndes „Vikings“-Spin-off namens „Valhalla“. Und dann gibt es noch aus derselben historischen Epoche die von Staffel zu Staffel sehenswerter gewordene Serie „The Last Kingdown“ um Bernard Cornwells zwischen zwei Welten stehenden Krieger Uhtred von Bebbanburg (eine fünfte Staffel ist in Produktion).

Über Wikinger lässt sich auch trefflich lachen

In der norwegischen Produktion „Norsemen“ schließlich (beide Serien laufen ebenfalls bei Netflix) werden die Herren und Frauen mit den locker sitzenden Schwertern bislang drei Staffeln lang mit handfestem Brithumor durch den Met gezogen. Das laute Ergötzen des Publikums darüber dürfte noch in Odins Halle zu hören sein.

„Vikings, Staffel 6.2“, bei Amazon Prime Video, zehn Episoden, von Michael Hirst, mit Alex Hogh Andersen, Marco Ilso, Jordan Patrick Smith, Georgia Hirst (bereits streambar)

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