„Bin voll in der Depressions-Bubble drin“: Kurt Krömer öffnet sich Torsten Sträter
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Torsten Sträter (r), Comedian und Moderator der Comedy-Show "Sträter", und sein Gast Kurt Krömer, Comedian, stehen in der Kulisse der Show. Gut ein Jahr nach dem viel beachteten Gespräch über Depressionen zwischen den Comedians in der Sendung "Chez Krömer" wechselte die Rollenverteilung.
© Quelle: Melanie Grande/WDR/dpa
Im März 2021 kam es bei „Chez Krömer“ zu einem denkwürdigen TV-Moment. Gastgeber Kurt Krömer sprach mit seinem Gast Torsten Sträter erstmals öffentlich über seine Depressionen. Was folgte, war eine Welle der Solidarität und des Mitgefühls. Mittlerweile hat Krömer ein Buch über die schwere Zeit geschrieben, das seit Wochen die Bestsellerlisten beherrscht. Am Donnerstagabend kam es bei „Sträter“ zum Gegenbesuch, bei dem sich die beiden von Depressionen Betroffenen erneut über das vermeintliche gesellschaftliche Tabuthema unterhielten und ihm sogar „humoristische Aspekte“ abgewannen.
Nach einem locker-launigen Einstieg bedankte sich Krömer bei Gastgeber Torsten Sträter und erinnerte sich an die eindrückliche Sendung aus dem Frühjahr 2021. Nach der halbstündigen Aufnahme hatten sich die beiden noch drei Stunden backstage ausgetauscht. „Ich hab‘s nicht für voll genommen. Ich dachte, jetzt übertreibt er“, dachte er an Sträters Prognose zurück, er werde von Zuschauerzuschriften übermannt. Umso überraschter sei er von den unzähligen Nachrichten, die ihn bis heute erreichten. „Ich bin voll in der Depressions-Bubble drin. Ich bin zu 98 Prozent der Komiker, der Depressionen hatte“, beschrieb der Berliner seine Lage.
Sträter: Depressionen trotz allem ein Tabuthema
Torsten Sträter stellte derweil fest, dass trotz allem Depressionen in gewissem Maße ein Tabuthema blieben. „Die Leute haben es lieber, wenn du so eine Leistungsträgerkrankheit hast“, stellte er einen Vergleich zu einer Prellung nach einem Halbmarathon her. Außerdem sprach er mit seinem Gast über überholte Männerbilder und Weinen von Männern in der Öffentlichkeit, das noch immer seltsam wahrgenommen werde. Komik sei eine „astreine Auszeit auf der Bühne“, stellte Sträter fest.
Viele Leute denken, das Gegenteil von Depression ist ewig gute Laune. Das stimmt ja nicht. Ich bin ja kein Schlagersänger, der sagt, ich bin auf der Sonnenseite des Lebens, und ich singe nur noch über die Liebe.
Kurt Krömer
Außerdem erinnerte sich Kurt Krömer an die Zeit kurz nach Ende seines Klinikaufenthaltes zurück: „Als ich gerade aus der Klinik raus war, hatte ich so einen Tag, wo ich dachte: ‚Scheiße, ich bin wieder depressiv.‘“ Er habe sofort einen Termin bei seiner Therapeutin vereinbart, die ihm jedoch bescheinigte: „So weit alles in Ordnung, Sie hatten einfach einen Scheißtag.“ Darüber hinaus war es dem 47-Jährigen ein Anliegen, mit einem Irrglauben aufzuräumen: „Viele Leute denken, das Gegenteil von Depression ist ewig gute Laune. Das stimmt ja nicht. Ich bin ja kein Schlagersänger, der sagt, ich bin auf der Sonnenseite des Lebens, und ich singe nur noch über die Liebe.“
Krömer spricht über schmerzvolle Erfahrungen
Gleichwohl wurde deutlich, dass Krömer auch schmerzvolle Erfahrungen in seinem persönlichen Umfeld machen musste. Seit elf Jahren sei er trockener Alkoholiker, setzte er an. In einem Streit habe ihm ein damaliger Freund an den Kopf geworfen: „Ich würde jetzt auch lieber irgendwo sitzen und einen Weißwein trinken.“ Als Krömer erwiderte, er würde das gerne tun, könne aber nicht, schoss sein Gegenüber einen weiteren rhetorischen Giftpfeil: „Mach doch, dann wirst du endlich wieder lustiger!“ Da sei für Krömer die Freundschaft beendet gewesen.
Für den richtigen Umgang mit depressiven Menschen hatte Torsten Sträter hilfreiche Tipps parat. Der 55-Jährige zerpflückte kontraproduktive Phrasen wie „Das wird wieder“. „Lassen Sie es sein!“, riet er Nahestehenden, falls diese nicht wüssten, was sie Betroffenen sagen sollen. „Bieten Sie stattdessen eine Umarmung an.“ Umarmungen seien die stabilste Währung überhaupt.
„Schon der Gedanke an Sex kommt einem völlig absurd vor“
Schonungslos offen sprachen Kurt Krömer und Torsten Sträter auch über den Zusammenhang von Impotenz in Verbindung mit Depressionen - „das nächste Tabuthema, das keines ist“. Sträter befand: „Schon der Gedanke an Sex kommt einem völlig absurd vor.“ Sein Gegenüber machte hingegen andere Erfahrungen. „Bei mir war: Ich hatte Bock auf Sex, aber es ging nix. Wenn die Nudel nicht mitspielt, schrecklich!“, beschrieb Krömer. Seine Sexualtherapeutin habe ihm daraufhin den Zusammenhang des Geschlechtszentrums und des Gehirns erklärt: „Krieg mal oben deine Sachen in den Griff, dann kannst du dich untenrum wieder melden.“
Nach Krömers Aufruf an Männer, regelmäßig zum Urologen zu gehen, stellte Sträter stolz fest: „Unsere Sendung leistet heute aber auch einiges.“ Dazu gehörte auch, gesunden Menschen Depressionen ein für alle Mal per Texttafel zu erklären: „Ich weiß noch was Freude ist, nur fühlen kann ich sie momentan nicht“, las Sträter unter anderem vor. „Alles in meinem Kopf ist zugestellt mit ‚Wozus‘.“ Wenn man dies alles nicht nachfühlen könne, sei er froh. „Das bedeutet, dass es dir gut geht.“
RND/Teleschau
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