Julian Reichelt: Muss er seine Abfindung an Axel Springer zurückzahlen?
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Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt.
© Quelle: Getty Images
Am Freitagnachmittag (9. Juni) beginnt am Arbeitsgericht Berlin das Klageverfahren des Axel-Springer-Verlags gegen den ehemaligen „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt. Springer verlangt von Reichelt eine Millionensumme, weil er gegen Verpflichtungen aus seinem Aufhebungsvertrag verstoßen hat.
Zur Vorgeschichte dieses Rechtsstreits gehören die Vorwürfe gegen Reichelt, er habe seine Machtstellung als Chefredakteur missbraucht. Er soll immer wieder junge, von ihm beruflich abhängige Kolleginnen gefördert und zugleich in sexuelle Beziehungen verstrickt haben, um sie am Ende brüsk abzuservieren.
Axel Springer stellte Reichelt nach erneuten Vorwürfen frei
Nach ersten Medienberichten im März 2021 wurde Reichelt beurlaubt, und Springer leitete eine sogenannte Compliance-Untersuchung durch eine Anwaltskanzlei ein. Diese ergab Fehler in der Amts- und Personalführung, die aber „nicht strafrechtlicher Natur“ seien. Es gab also keine Nötigungsvorwürfe, etwa dass Reichelt den Frauen offen mit Nachteilen gedroht hätte, wenn sie nicht auf seine Offerten eingehen. Nach 13 Tagen durfte Reichelt zu „Bild“ zurückkehren.
Als aber im Oktober 2021 neue Vorwürfe des Machtmissbrauchs gegen Reichelt bekannt wurden, stellte Springer den Chefredakteur endgültig frei. Zur Begründung hieß es, „dass Julian Reichelt auch aktuell noch Privates und Berufliches nicht klar trennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat“.
Mutmaßlich sechsstellige Abfindung für Reichelt
Reichelt erhielt aber wohl keine Kündigung, vielmehr wurde ein Vertrag mit ihm geschlossen, in dem Reichelt eine mutmaßlich sechsstellige Abfindung zugesagt wurde. Im Gegenzug verpflichtete sich Reichelt unter anderem dazu, keine „Bild“-Mitarbeiter abzuwerben, keine Unterlagen mitzunehmen und dienstliche Dateien zu löschen.
Axel Springer verklagt Ex-„Bild“-Chef Julian Reichelt auf Millionensumme
Reichelt musste im Herbst 2021 seinen Posten als Chefredakteur von Deutschlands größter Boulevardzeitung räumen und den Konzern verlassen.
© Quelle: dpa
Gegen solche vertraglichen Verpflichtungen soll Reichelt verstoßen haben. Deshalb hat ihn der Axel-Springer-Verlag beim Arbeitsgericht Berlin verklagt. Springer verlangt die Abfindung zurück. Außerdem müsse Reichelt Vertragsstrafen zahlen, so die Forderung. Zusammen solle dies einen siebenstelligen Betrag ergeben. Reichelt wird wohl bestreiten, dass er Verpflichtungen verletzt hat. So dürfte er argumentieren, dass er keine „Bild“-Mitarbeiter abgeworben hat, vielmehr seien diese ihm unaufgefordert zu seiner neuen Firma Rome Media gefolgt.
Am Freitag findet ein sogenannter Gütetermin statt. Dabei versucht die Vorsitzende Richterin, im Gespräch mit beiden Seiten eine einvernehmliche Lösung zu finden. Wenn dies nicht gelingt, kommt es in einigen Wochen zur eigentlichen mündlichen Verhandlung.
Weiteres Verfahren läuft
Belastet ist das Verfahren allerdings dadurch, dass Springer neben der arbeitsrechtlichen Klage zudem Strafanzeige gegen Reichelt gestellt hat. Auch dabei geht es nicht um Reichelts Umgang mit den Kolleginnen, sondern um Betrug im Zusammenhang mit dem Aufhebungsvertrag. Anfang April hat die Staatsanwaltschaft Berlin ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Reichelt eingeleitet, weil ein Anfangsverdacht bestehe. Dieses Verfahren dauert noch an, und die Ermittler wollen zu dessen Inhalt nichts sagen.
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Vermutlich wird Reichelt beschuldigt, er habe bei Vertragsschluss nur vorgetäuscht, dass er sich an die Verpflichtungen halten will, um damit einen Vermögensvorteil (die Abfindung) zu erhalten. Dies könnte strafrechtlich ein Betrug sein.
Daneben laufen im Zusammenhang mit der Affäre aber auch noch Verfahren, bei denen Reichelt selbst Kläger ist. So erwirkte Reichelt eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg gegen die NDR-Sendung „Reschke-Fernsehen“. Darin werden dem NDR elf von 16 monierten Äußerungen untersagt, insbesondere Zitate von Frauen, die anonym gegen ihn aussagten. Der zentrale Vorwurf des „Machtmissbrauchs“ darf aber weiter erhoben werden.
NDR hatte Widerspruch gegen Verfügung angekündigt
Der NDR hatte Widerspruch gegen die Verfügung angekündigt, diesen aber noch nicht eingelegt. Er werde noch geprüft, heißt es beim Sender. Stattdessen hat der NDR die Sendung wieder in die Mediathek eingestellt, mit 14 Pieptönen von bis zu 30 Sekunden Länge.
Schon Mitte April hatte das Landgericht Hamburg den NDR zur Ausstrahlung einer Gegendarstellung Reichelts verpflichtet, die aber noch nicht erfolgt ist. In diesem Verfahren hat der Sender bereits Widerspruch eingelegt. Für den arbeitsrechtlichen Rechtsstreit ist dies aber ohne Belang.