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Journalismus oder Populismus? Kindersendung „Logo“ nimmt Rezo-Videos unter die Lupe

Ist das noch Journalismus? Die Arbeit des Youtubers Rezo wurde in der Kindernachrichten­sendung „Logo“ behandelt.

Ist das noch Journalismus? Die Arbeit des Youtubers Rezo wurde in der Kindernachrichten­sendung „Logo“ behandelt.

Mainz. Dass Videomacher Rezo mit seinen politischen Videos vor der Bundestagswahl für mächtig Aufsehen sorgt, ist unbestritten: Insgesamt zwölf Millionen Mal wurden die drei „Zerstörungs“-Videos vor der Bundestagswahl insgesamt angeklickt, vielfach wird der Youtuber für seine teilweise akribische Recherche­arbeit gelobt.

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Eine Frage allerdings entzweit seit dem ersten Video dieser Art im Jahr 2019 die Medienbranche: Ist das, was der Youtuber da macht, eigentlich Journalismus? Oder handelt es sich hier nicht vielmehr um Aktivismus – wenn nicht sogar feinsten Populismus?

Eine Antwort auf diese Frage gibt es jetzt völlig abseits aller Medienblogs, Feuilletonseiten und Twitter-Blasen – und zwar an eher ungewohnter Stelle: in der ZDF-Kindernachrichten­sendung „Logo“. In einem Video unter dem Titel „Rezos Videos: Journalismus und Populismus“ nehmen die Moderatoren Jennifer Sieglar und Tim Schreder die Arbeit des Youtubers genauer unter die Lupe und liefern ihrer jungen Zielgruppe gleichzeitig ein Lehrstück über guten und schlechten Journalismus.

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Ein Streitgespräch über guten Journalismus

Das Format „Logo News-Date“ ist aufgebaut wie ein Streitgespräch, bei dem Schreder die Pro-Rezo-Seite und Sieglar die Gegenseite einnimmt. Doch beide Moderatoren sind sich angesichts der erfolgreichen „Zerstörungs“-Videos offenbar selbst nicht so ganz sicher, was sie von ihnen halten sollen.

Schreder beispielsweise findet es „megagut“, wenn es bei Youtube „gut recherchierten politischen Content gibt“. Andererseits könne man es auch problematisch finden, wenn derartige Videos „nur vor einer Wahl und schon erkennbar mit dem Ziel veröffentlicht werden, so eine Wahl irgendwie zu beeinflussen“.

Auch Sieglar hat Zweifel: Als öffentlich-rechtliche Journalistin mit Volontariat in der Tasche habe sie jahrelang gelernt, „ausgeglichen“ zu berichten und „alle Parteien zu Wort kommen zu lassen“. „Da gibt es ganz, ganz klare Regeln, an die wir uns als Journalisten und Journalistinnen halten müssen. Jemand wie Rezo muss sich daran nicht halten.“

Gute Recherche mit populistischen Untertönen

Pluspunkte bekommt Rezo von den Moderatoren für seine umfassende Recherche. Er beachte die journalistischen Grundregeln, etwa das Zwei-Quellen-Prinzip. Dieses besagt, dass eine Information immer nur dann veröffentlicht wird, wenn sie von zwei voneinander unabhängigen Quellen bestätigt wurde.

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Sieglar wendet aber ein: Nur weil die Fakten stimmen, heißt das nicht, dass man nicht auch populistisch argumentieren kann. So gebe es beispielsweise auch persönliche Angriffe und Beleidigungen in Rezos Videos. Bundesinnenminister Horst Seehofer beispielsweise war in einem Video rhetorisch gefragt worden, ob er „beschissen im Kopf“ sei, der damaligen CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer warf der Youtuber vor, sie habe „Lack gesoffen“. Sieglar bewertet: „Das würde es im seriösen Journalismus nicht geben.“

Im Gegenteil: Rezo bediene sich in solchen Momenten eines populistischen Kniffs: „Die Politikerinnen und Politiker da oben, die eben beschissen sind, die können das alles nicht – und wir hier unten, wir leiden darunter und wir könnten das doch alles viel besser.“ Damit gebe der Youtuber vermeintlich einfache Antworten auf komplizierte Fragen, analysiert Sieglar. Auch den Begriff des Populismus generell erklärt die Kindersendung ihren Zuschauerinnen und Zuschauern.

Fakten werden weggelassen

Schreder wendet ein, ob es nicht vielleicht sogar gut wäre, wenn Journalismus mal „ein bisschen draufhauen“ würde. Und: Rezo ordne die Faktenlage in seinen Videos ziemlich gut ein, das würden auch Expertinnen und Experten so sehen.

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Sieglar bemängelt schließlich die „einseitige Berichterstattung“ des Youtubers. Der Youtuber würde beispielsweise Fakten weglassen, die nicht in seine Erzählung passen, ergänzt der Journalist Florian Sädler. In einem Video „skandalisiere“ Rezo beispielsweise, dass die Virologin Melanie Brinkmann bei Markus Lanz von Wolfgang Kubicki (FDP) unterbrochen wurde. Schaue man sich jedoch die gesamte Sendung an, falle schnell auf, dass der Expertin durchaus ausreichend Redezeit eingeräumt wurde.

Auch Schreder bemerkt: Rezo gehe nicht neutral an eine Frage heran, sondern vielmehr mit einem Grundgedanken – zum Beispiel, die CDU zu „zerstören“. Das Ziel von Journalismus sei aber eben nicht, den Zuschauer oder die Zuschauerin bei der Wahlentscheidung zu beeinflussen.

Nannen-Preis für CDU-Zerstörung

Zum Ende des Videos sind sich beide Moderatoren einig: Auch wenn Rezos Arbeit nicht zu 100 Prozent journalistisch ist, so sei es trotzdem „gut“, dass es solche Inhalte auf Youtube gebe. „Es müsste aber viel mehr davon geben“, meint Schreder – auch aus anderen politischen Richtungen. Es sei eine moderne journalistische „Farbe“, die der Youtuber bediene.

Auch Sieglar lobt Rezos Aufklärungsarbeit. „Ich würde mir allerdings nicht nur den zerstörerischen Rezo wünschen, sondern einen (…) Rezo, der auch mal ein Video macht über das Positive, was in der Politik schon passiert ist, um nicht noch Politik­verdrossenheit zu fördern.“

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In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Diskussionen darüber gegeben, ob die Arbeit des Youtubers als journalistisch oder aktivistisch zu bewerten sei. Im Mai 2020 beispielsweise hatte Rezo für sein erstes Zerstörungsvideo den Nannen-Preis erhalten, was in der Branche mitunter für Unmut sorgte.

Geteilte Meinungen in der Branche

So schrieb „Meedia“-Redakteur Ben Krischke nach Bekanntwerden der Preisverleihung: „Rezos Beitrag lässt – bewusst oder unbewusst – Argumente außen vor, die seine mitunter drastischen Vorwürfe an die CDU stark schmälern würden, wenn nicht als unbegründet erscheinen ließen. Doch Fairness in der Berichterstattung ist Kern journalistischen Arbeitens, sollte es zumindest sein. Dazu gehört auch, nicht einseitig zu berichten, sondern ausgewogen und unter Berücksichtigung der Pros und Kontras, mindestens aber unter Einbeziehung unterschiedlicher Perspektiven. Das hat Rezo in ‚Die Zerstörung der CDU‘ nicht getan.“

Doch es gibt auch andere Stimmen zur Arbeit des Videomachers. Wirtschafts­wissenschaftler Leonhard Dobusch, Vertreter für das Internet im ZDF-Fernsehrat, sagte dem Deutschlandfunk anlässlich der aktuellen Politvideos des Youtubers: „Natürlich ist das Journalismus, was Rezo macht. Er widmet sich Themen, recherchiert, macht Double-Check/Re-Check und legt – und das ist vielleicht sogar mehr, als normale Journalistinnen und Journalisten tun – auch noch sämtliche Quellen offen. Und das Ganze präsentiert er dann für eine allgemeine Öffentlichkeit.“

Der Mehrwert, den Rezo schaffe, bestehe darin, dass er sich dem schnelllebigen Nachrichtenzyklus entziehe und viele verschiedene Nachrichten zu einem Thema über einen längeren Zeitraum noch mal neu zusammenfasse und einordne, sagt der Wirtschafts­wissenschaftler: „Ich finde, das ist genau, was guter Politikjournalismus leisten muss.“

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